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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

ihm folgende, auf jenen Abend meiner Alpenerzählung hindeutende Zeilen:

„Was Sie auf dem Stuhle gesäet und ich auf dem Canapee, fängt schon an zu grünen, und meine sämmtlichen Werke sollen daraus hervorgehen. Meine Frau wird Ihnen sagen, in wie weit Sie ferner dabei eine hilfreiche Hand leisten können. Möge Ihr Leben immer mehr Ihrer Alpenreise gleichen, wo die Mühen ebenso zu den Schönheiten gehörten, als die Aussichten auf den Berggipfeln.“
Ihr Jean Paul Fr. Richter.  

Gewiß, dies hochherzige, milde, so oft zu den Sternen aufblickende Wesen hat die Erde leicht gefunden, als die Stunde, sie zu verlassen, ihm bald darauf schlug.




Spanische Reisebriefe.

Von
E. A. Roßmäßler.
VII.
Murcia.
Murcia.  

Nachdem ich seit dem 1. Mai in dem Garten Murcia die jungfräulichen Reize eines südspanischen Frühlings-Erwachens genossen habe, will ich versuchen, Ihnen ein Bild von dieser wunderschönen Stadt und ihrer Umgebung zu malen, und von dem Wege, der mich hierher geführt hat.

Wäre ich aus Deutschland durch Zauberei plötzlich nach la Granja versetzt worden, durch welches mich mein Weg von Alicante hierherführte, ich würde geglaubt haben, in eine Scene aus Tausend und einer Nacht versetzt zu sein.

Doch ich bitte Sie, sich mit mir neben den Majoral auf den Bock der Diligence zu setzen; an die Stelle, wo mir zur Linken ein junger, steifer Engländer saß, der den Auftrag übernommen zu haben schien, umringt von unnennbaren Reizen der Natur eine Geschichte Napoleons (des Großen) zu lesen.

Elche, die erste Stadt, durch die wir kamen, ist selbst in Spanien berühmt, wegen ihres Reichthums an Palmen. Ich hatte schon viel von den Palmenwäldern Elche’s gehört, hatte aber nicht geglaubt, daß das Wort Wald so buchstäblich zu nehmen sein würde, wie es wirklich zu nehmen ist. Der Weg läuft buchstäblich eine Zeit lang im Schatten zahlloser Palmen, die trotz ihrer kahlen schlanken Stämme doch ein fast undurchsichtiges Dickicht bilden, weil die Bäume von allen Größen sind, und die niedrigen sogar fast noch üppigere Kronen haben, als die hohen. Von Elche an blieb uns lange Zeit die mächtige buntfarbige Sierra de Crevillente zur Rechten, während die Sierra Callosa sich quer vor unsern Weg legte, als wollte sie mir ihrer finsteren Miene uns den Eintritt in das Paradies wehren, welches im Süden dicht hinter ihr beginnt. Sie verläuft ziemlich genau von Ost nach West. An ihrem östlichen Ende, etwa eine kleine Stunde noch von ihr entfernt, liegt la Granja, dann kommt Coj[1], dann Callosa. Wir durchflogen mit unseren fünf Mauleseln diese Strecke in wenig mehr als einer Stunde, und während derselben glaubte ich die Bilder einer Zauberlaterne, erfunden von der glühenden Einbildungskraft eines morgenländischen Dichters, an mir vorübergleiten zu sehen. Es ist schwer, einem derselben vor den übrigen den Vorzug zu geben, doch steht la Granja am lebendigsten vor meiner Erinnerung. Es ist ein kleiner Ort, von mehr italienischer als spanischer Bauart, d. h. die Häuser haben nicht platte, sondern sichtbare niedrige Dächer mit mächtigen hellfarbigen Hohlziegeln gedeckt. Die meist kleinen Häuser überragt die blaue Azujelos-Kuppel der Kirche. Azujelos sind kornblumenblaue, glacirte Dachziegel. An jedem Hause fast schien ein Gärtchen zu sein, denn zahlreiche Palmen und Cypressen, oft ziemlich von der Größe unserer Pappeln, ragten überall empor. In naher Ferne senkte die düstere kahle Sierra Callosa die phantastischen Felsen ihres östlichen Fußes herab. Rechts die Sierra Crevillente und links die Ebene des Rio Segura – dies zusammen bildete ein Bild, wie meine an schönen Bildern so überreiche Reise bis jetzt kein schöneres geboten hat.

Bei Callosa überschritten wir den Fuß der gleichnamigen Sierra, der sich links am Wege noch einmal zu einem von einem Castell gekrönten Felsen erhebt; und nun waren wir in dem glücklichen Bereiche eines rastlos spendendem Wohlthäters. Dieser Wohlthäter ist der Rio Segura. Er macht eine ungeheure Strecke Landes zu einem Garten, welche ohne ihn eine unbewohnbare Oede sein würde. Es ist schwer, sich einen Begriff von der Sorgsamkeit und raffinirten Wasserausbeutung einer Vega oder Huerta zu machen, wie man die bewässerten Distrikte nennt. Ohne Zweifel ist diese wunderbare Meisterschaft in der Bewässerung ein Erbstück der Mauren, eins der sehr wenigen, welche christlicher Fanatismus nicht zerstört hat. Bei Alicante sah ich auf den staubigen oder steinharten Feldern nur verschmachtende nothreife Halme, – hier unabsehbare Fluren, das lebenspendende Wasser schlürfender Feldfrüchte. Der Regen hat hier eine völlig andere Bedeutung als bei uns in Deutschland. Er ist hier fast nur der Milderer der sengenden Sonnengluth. Ja ich möchte im Ernste glauben, daß der murcianische Landmann es dem Regen wenig Dank wissen würde, wollte


  1. In beiden Namen lautet das j wie ein raues ch, hinten im Gaumen ausgesprochen; Coj also Koch; la Grangcha.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 371. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_371.jpg&oldid=- (Version vom 13.4.2020)