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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

eben so vielen Fächern liegen. Du siehst dies besonders deutlich an der 400 Mal vergrößerten F. 3 aa. Bei F. 3 a’a’ siehst Du drei noch unreife kurzgestielte Kapselchen.

Wir sehen also, daß diese unscheinbaren gelben und schwarzen Staubhäufchen auf der Rückseite der Rosenblätter nicht nur organisirte Gebilde, sondern wirkliche Pflänzchen von freilich sehr einfachem Bau, aber mit zahllosen, unendlich kleinen Keimkörnchen versehen sind. Diese Körnchen keimen nun auf ähnliche Weise, wie die Samen vollkommener Gewächse. Wie aber viele andere Pflanzensamen gewisse Bedingungen erheischen, um keimen und sich zur vollkommenen Pflanze entwickeln zu können, so auch diese so kleinen Keimkörnchen. Die erste Bedingung ist, daß sie der Wind und Regen, Insekten oder andere Helfershelfer auf Rosenblätter führen. Hier senken sie höchst wahrscheinlich, was der außerordentlichen Schwierigkeit wegen freilich noch nicht bestimmt beobachtet worden ist, ihre unbeschreiblich feinen Schläuche in die sogenannten Spaltöffnungen. Dies sind außerordentlich kleine spaltförmige Oeffnungen in der Oberhaut der unteren Blattfläche. Da die Blattpilze auch fast nur auf der unteren Oberfläche vorkommen, so scheint dies jene Annahme zu bestätigen.

Viele Pflanzenkrankheiten werden gewiß durch diese kleinen Schmarotzer veranlaßt und Du wirst mir beistimmen, wenn ich sie Dir im Einklange mit der fortgeschrittenen Wissenschaft als Ursachen und nicht als Folge derselben bezeichnete. Wir haben es hier eben wieder einmal mit einer Erscheinung zu thun, wo die außerordentliche Kleinheit der Gebilde eine unzweifelhafte Deutung der natürlichen Vorgänge sehr erschwert. Aber das Mikroskop, die Waage, die chemischen Scheidungsmittel und – Geduld und Ausdauer wird mehr und mehr den Schleier lüften, hinter welchem die Natur sich oft verbirgt und aufgesucht sein will.




Chinesische Spiegelbilder.

Der Tod des letzten Kaisers von China. – Portrait des jetzigen Kaisers. – Der Rebellenkaiser. – Charakter der beiden Heere. – Eine Kriegsscene. – Die Perle des himmlischen Reiches. – Die dichtenden Damen von Nanking. – Die himmlischen Schönen und Trost für deutsche Damen.


Am 28. Fehruar 1850 Morgens 7 Uhr war der kaiserliche Palast zu Peking vollgedrängt von Mandarinen und ihren Dienern in weißen Kleidern und gelben Gürteln. Sie flüsterten und sahen officiell betrübt aus. In der Mitte dieses Meeres von subalternen Beamten standen 16 Personen, Jeder mit einem Knaben, die gesattelte Pferde hielten. Diese 16 Personen trugen seidene Kappen, unter dem Kinn zugebunden und mit weißen Kugeln oben versehen, und Gürtel mit Schellen und gelbe Röhren um die Schultern geschlungen, wie lange Botanisirkapseln, in ihren Händen lange Peitschen haltend. Einer von den Großwürdenträgern kam heraus aus dem Palaste und gab Jedem dieser Sechszehn eigenhändig ein gesiegeltes Document, welches sie in ihre Kapsel steckten, sich verbeugten und dann auf ihre Pferde schwangen, hinter ihnen die Knaben, die sich durch besondere Haken hinten auf den Pferden befestigten. Die Menge machte jetzt Platz und die sechszehn „Fei-ma“ („fliegenden Couriere“) sprengten davon, Jeder verpflichtet, in 24 Stunden 600 „Li“ (60 französische lieus) zurückzulegen, um folgende Depesche an die 16 General-Gouverneurs der 16 Provinzen China’s zu befördern. „Das Amt der Ceremonien und Feierlichkeiten macht in großer Eile bekannt, daß am 14. des ersten Monds der erhabene Kaiser einen Drachen bestieg und in das Land der Ewigkeit abschied. In der Stunde des Mao, Morgens, übertrug die himmlische Majestät die kaiserlichen Würden seinem vierten Sohne Se-go-ko und Abends in der Stunde Hai hob er sich hinweg in das Land der Götter. Es wird deshalb verordnet, daß die Trauer unter den Civil- und Militärbeamten unverzüglich beginnen und Niemandem gestattet sein soll, sein Haupt oder seinen Bart zu scheeren. Eine folgende Ordre soll die Zeit dieser Trauer bestimmen.“

So kam Se-go-ko, der jetzige Kaiser, der als solcher den Namen Hièn-fung führt, zur Regierung. Dieser „Bruder des Mondes“ wird folgendermaßen portraitirt. Er ist jetzt 22 Jahre alt, von mittlerer Größe, schlank und muskelvoll, so daß er den Eindruck macht, als besäße er große körperliche Kraft und Gewandtheit. Sein Gesicht mit dem Ausdruck von Entschlossenheit charakterisirt sich besonders durch eine sehr hohe Stirn und eine ganz außerordentlich-schiefe Lage der Augen. Die Backenknochen sind streng markirt und ragen so weit hervor, daß man etwas daran aufhängen könnte. Der Theil zwischen den Augen ist sehr weit und flach wie bei einem Büffel-Ochsen. Hièn-fung ist sehr hartnäckig, leidenschaftlich und leichtgläubig. Mitten in Verweichlichung und Luxus nimmt er den Schein von großer Sittenstrenge an. Er ist schon verheirathet und zwar mit einer tatarischen Prinzessin, deren große Füße ein derbauftretender Spott auf die klumpfüßige Hinfälligkeit der höhern Chinesinnen sind. Der himmlische Gemahl liebt es, mit ihr in dem kaiserlichen Garten hinter dem Palaste mit der Schnelligkeit, die unter den Tatarinnen beliebt ist, umher zu galoppiren und Hasche mit ihr zu spielen.

Von dem Gegenkaiser, dem Haupte der Rebellen, Tièn-ti, wird folgendes Bild entworfen. Er ist blos ein Jahr älter, als Hièn-fung, aber Nachdenken, Fleiß und Mangel an Ruhe haben ihm bereits den Stempel reifen Alters aufgedrückt. Er sieht schwermüthig und melancholisch aus, hält sich sehr zurückgezogen und spricht

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 437. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_437.jpg&oldid=- (Version vom 14.4.2020)