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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

Die nächtliche Kühle erst weckte mich aus meinem finstern Brüten. Ich ergriff die Lampe und eilte schauernd nach meinem Zimmer.

Noch waren seit der Mutter Tode kaum acht Tage verstrichen, als auch die alte Fioretti, welche wie eine Klausnerin in ihrem Zimmer bisher noch vegetirt hatte, sich dem Tode näherte. Da sie Niemand anders um sich duldete, war ich nothgedrungen ihre Pflegerin. Bereits zu schwach, um selbst ihre Angelegenheiten zu besorgen, überließ sie das mir. Ich mußte Papiere und Briefe zusammen suchen und verbrennen, ohne daß ich sie hätte vorher lesen dürfen. Ihren reichen Schmuck ließ sie sich auf das Bett bringen, um sich noch einmal an den reichen Kleinodien zu ergötzen. Diese alte seltsame Frau liebäugelte auch im Angesicht des Todes mit dem Geschmeide.

„Nimm hin, Leonore,“ sagte sie endlich, indem sie das Kästchen wieder verschloß; „nimm hin, ich schenke Dir diese Schmucksachen. Ich könnte zwar nicht sagen, daß ich Dich besonders liebte, aber Du stehst mir doch näher als Andere, weil Du mir so ähnlich bist. Auch ich war einst jung und schön.“

Nach einer Weile fuhr sie plötzlich aus einem leisen Schlummer auf, gab mir den Schlüssel zu einem Wandschranke und ließ ein kleines Kästchen von Ebenholz herausnehmen und sich auf’s Bett geben. „Schwöre mir, Leonore,“ sprach sie mit schwacher Stimme, „diese Fläschchen und dieses Pulver in den See zu werfen, wo er am tiefsten ist.“ Ich versprach es und fragte mit natürlicher Neugier: „was enthalten diese Gläschen?“ „Hülfe gegen Feinde, Schlaf für Müde, Strafe für Treulose, Mittel Verläumdern den Mund zu schließen,“ murmelte sie, immer schwächer werdend. „Ach es ist also Gift!“ rief ich leise schaudernd. Sie nickte wie im Traume mit dem Kopfe und begann wie im Delirium Allerlei ohne Zusammenhang durcheinander zu flüstern: „Cäsario, unser Bündniß ist gelöst – die Todten können nichts verrathen – schweig Andrée – Deine Pulver wirkten gut –“. Sie hörte auf zu flüstern und versank in eine schlafähnliche Bewußtlosigkeit. Ich lief aus dem Zimmer und schickte nach dem Arzte. Dann versteckte ich das geheimnißvolle, dem Wasser geweihte Kästchen unter meinen zahlreichen Büchern.

Der Arzt fand die Fioretti dem Tode nahe. Das Bewußtsein kehrte nicht wieder. Er gab ihr nur noch einige Stunden zu leben. Wirklich starb sie auch, ruhig aus der Ohnmacht in den Tod gehend, noch selbe Nacht. Ihr Leben ist ein dunkles, ungelöstes Räthsel geblieben. Ich glaube aber, daß mehr als eine schwere Blutschuld auf ihrer Seele lastete.

Das Kästchen mit dem Gifte wollte ich, meinem Versprechen gemäß, in den Bodensee werfen, aber ich unterließ es. Ein seltsamer Zauber mußte in den unscheinbaren Glasbehältnissen liegen, denn ich vermochte es nicht, sie dem nassen Elemente zu überliefern. Eine Stimme aus der dunkelsten Region meiner Seele sagte mir: „Behalte das Gift für Dich! Nimm es selbst, sobald Du dieses elende Leben enden willst.“ Und ich folgte dieser Stimme. Es war meine erste schlechte That, der später andere folgten; denn das Böse wächst lawinenartig, wenn nicht edle, gewaltige Kräfte dagegen wirken.

Der sechste November des Jahres 17.. nahte heran. Es war mein Hochzeittag. An Falk hatte ich in kurzen, stolzen Worten die tiefe Kränkung geschrieben und ihm meine Verlobung gemeldet. Seine Antwort, die ich am Abende vor meiner Hochzeit erhielt, riß alle Wunden meines Herzens wieder auf und goß glühend Oel in die Flamme. Ernst, würdig, mitleidig und voll unterdrückter Liebe, aber auch vorwurfsvoll waren seine Worte. Ich erfuhr, daß ich auf Constantin’s eigene Schwester eifersüchtig gewesen und daß er seit unserer Trennung keinen Brief von mir erhalten hatte. Seine gerechten Worte trafen wie Dolchstiche mein Herz. Die letzten Worte des Briefes waren: „Alles ist vorbei zwischen uns Beiden! So schriebst Du mir, Leonore! Ja, es ist so – durch Deine Schuld. Hätte uns nur ein widrig Geschick getrennt, so würden wir auch tausend Meilen von einander, geistig vereint geblieben sein. Du aber hast Dich durch schnödes Mißtrauen von mir geschieden. Wer mir nicht fest vertraut, kann mich auch nicht wahrhaft lieben. Lebe wohl! Gott möge Dich segnen. Du kränktest mich tief, aber ich verzeihe Dir und werde Deiner nie vergessen. O Leonore, Du bist unglücklich. Lasse das Unglück Deine Seele läutern, und nicht verdunkeln.“

(Fortsetzung folgt.)




Der kaiserliche Palast in Peking.


In der letzten Nummer unserer Zeitschrift lieferten wir unsern Lesern in den „Chinesischen Spiegelbildern“ eine Schilderung der jetzigen Zustände und Persönlichkeiten des „Himmlischen Reiches,“ das jetzt durch die Revolution wieder ein vielbesprochenes Land geworden. Wir vervollständigen diesen Bericht heute durch eine Abbildung des Kaiserlichen Palastes in Peking. Die Grundidee des Chinesischen Staates, die vollständigste Absonderung, macht sich auch in der Residenz des Beherrschers dieses Reiches geltend. Dieselbe ist mit keiner andern Fürstenwohnung zu vergleichen.

Man stelle sich einen viereckigen Raum von 23/4 Stunden im Umkreise (etwa so groß als Berlin) vor, der mitten in dem, den Treppen und den Beamten zur Wohnung angewiesenen Tartarenviertel Pekings liegt, welches selbst stundenweit von den Gebäuden der Hauptstadt eingeschlossen ist. Jenen Platz umgiebt eine 40 Fuß hohe Mauer, durch welche zwei geräumige Thore, welche zahlreiche Posten der Garden hüten, in die Vorhöfe führen. Nur speciell ermächtigte Personen und solche, welche unmittelbar zur kaiserlichen Hofhaltung gehören, oder Glieder der kaiserlichen Familie

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 444. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_444.jpg&oldid=- (Version vom 11.8.2020)