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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

der Kuh kommen kann. Diese Milch hat sich auf den Tausenden von Reisen zwischen Australien und England, jedesmal von 16,000 engl. Meilen, immer sehr gut bewährt. Es ist kein geringer Triumph des menschlichen Witzes, daß er gelernt hat, das salzige Weltmeer zu melken.

Noch mehr! Man findet hier am Themsehafen solch „präservirtes Fleisch,“ das just zu diesem Zweck zu Newcastle in Australien zurecht gemacht und die 16,000 Meilen bis in die Minorie's von London gebracht, hier für australische Reisen wieder mit großem Gewinn verkauft wird. Das heißt dann das englische Spottwort: „Kohlen nach Newcastle tragen,“ in großartigen Ernst verwandeln.

Der zärtliche Ausstatter verläßt den Auswanderer noch lange nicht, wenn er ihn auf's Schiff gebracht; er folgt ihm in die Goldgefilde und giebt ihm Alles in die Hände, was er braucht und noch viel mehr. Diese Goldgrabungs-Instrumente sind allein eine ganze neue Schöpfung, die in den Straßen um Tower-hill aufgebaut ist. Hier erfreut Dich der Anblick einer „Patent-Gold-Karre“ und eine „patentirte Goldwäschmaschine,“ dort regt Dich eine „Goldentdeckungsmaschine“ auf mit Quark-Zermalmungs-Mühlen für die Hand, für Wasser und für Dampf und eine Menge räthselhafte Instrumente, die in ihren barocken Gestaltungen die Phantasie und den bedürftigen Geldbeutel in die weiteste Ferne tragen. Die Gold-Siebe, die Schalen, galvanisirten Eimer, Hacken, Spaten, Schaufeln und Schippen, die Hämmer und Spitz-Aexte, die Brechstangen und Karren mit Zelten oben über – in wie viel Gestalten und Größen umgaukeln sie Dich wie eine eiserne, golddurstige Welt von Dämonen! Dort sieh, was es wieder Alles für 20 Schillinge giebt! „Schaufel und Hacke, Spitzaxt und Erdbohrer (drei Sorten), Brechstange, Hammer, Felsenmeißel und Schmelzlöffel, dazu eine große Kiste mit Schloß und Schlüssel“ – das Alles für ein Stückchen Gold, nicht größer als ein Viergroschenstück, und hinreichend in die Haupt-Bank der Erde einzubrechen und ihr in 24 Stunden vielleicht so viel zu rauben, daß Du Dir für’s ganze Leben eine Equipage und einen Mohren hinten darauf halten kannst und vorn einen Kutscher, der schwerer wiegt, als die berühmtesten Pferdebändiger englischer Hocharistokratie, die wie fette Ochsen nach ihrem Fleischgehalte taxirt werden. Es hat schon zuweilen Einer mit dem Wasserstiefel auf ein Goldstück getreten, welches mit 20,000, ja sogar einmal mit 42,000 Pfund Sterling bezahlt ward. Die freilich, welche so lange in dem Schmutze herumwaten und fischen, bis sie selbst vor Hunger hineinfallen und d’rin liegen bleiben (vielleicht gerade auf einem Goldklumpen), zählt man nicht.

Das sind einige Skizzen von den Lebensbildern, die Australien in London hervorrief. Wie mancher Leser mag unbewußt ebenfalls zu den Gruppen in diesen Bildern gehören. Viele Arbeiter und Fabrikanten in ganz Europa arbeiten für Australien und werden mit dem ausgewaschenen Schmutze Australiens bezahlt. Wurden doch unlängst 60,000 Paar Schuhe von London aus in Berlin für Australien auf einmal bestellt. –

So hat sich Australien, das bisher unbeachtete, plötzlich vor uns hingestellt, seinen Rang unter den Continenten unseres Weltballs fordernd. Es ist in den Kreis der Civilisation eingetreten, ohne vorhergegangene Arbeit, ohne Mühe, ohne Kampf, wie die übrigen Continente, ja voller Hohn lacht es sogar der Geburt, dem Range, der Intelligenz und Wissenschaft in’s Gesicht! Fort, ich kann euch nicht brauchen. Ich mache den Schafhirten, den grobknochigen, stupiden Proletarier über Nacht zum Crösus und etablire ihn in Sidney und Melbourne als größeren Lord, wie den, der seinen Stammbaum bis auf ein Thier in der Arche Noah zurückführt. Gesellschaftliche, officielle und Staatengrenzen sind in Australien ein Mährchen. Seine rohesten Anfänge gründen sich auf die höchsten Spitzen der Cultur und Civilisation in der alten Welt. Alle Völker und Racen der Erde kneten sich hier in dem Goldschmutze zu Einer Masse zusammen und denken nicht mehr an die confessionellen, staatlichen und gesellschaftlichen Unterschiede und Gegensätze, in denen sich die alte Welt ruh- und rastlos abquält. Welch eine Welt, wenn einst der Dampfpflug, die vom Blitze gezogene Eisenbahn, die neue, aus der Vermischung aller Völker der Erde entsprossene Civilisation über die jetzigen groben Wasserstiefeln dahinfliegt und die ungeheuern Entfernungen dieses riesigen Continents verbindet. Es ist besonders deutscher Geist, der jener Zukunft die Stätte bereitet. Nachdem Dr. Leichardt seinem Forschertriebe als Opfer gefallen, war es hauptsächlich Otto Schomburgk, der bei Adelaide durch 18,000 meteorologische Beobachtungen die innern Paradiese Australiens entdeckte. A. Petermann in London sammelte alle Beobachtungen und fand daraus die geographischen Grenzen dieser innern fruchtbaren Welt, welche jetzt der ehemalige General Haugh mit englischem Gelde und Männern der Wissenschaft persönlich aufsuchen will.

Nachdem wir uns Australien in London flüchtig angesehen, denken wir ihm zu Hause in seinen eigenen vier Pfählen einen Besuch abzustatten.




Etwas vom Turnvater Jahn.

 „Von Zeit zu Zeit seh’ ich den Alten gern
 Und hüte mich, mit ihm zu brechen!“

Dieses Goethe’sche Teufelswort fällt mir unwillkürlich ein, wenn ich des „Alten im Bart“ gedenke, über dessen bescheidenes Grab nun bereits seit Jahresfrist der Herbstwind die dürren Blätter treibt. Die Schwärmerei, mit welcher ich als Jüngling zu der greisen und doch so kräftigen Gestalt des alten Turnmeisters

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 509. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_517.jpg&oldid=- (Version vom 15.4.2020)