Seite:Die Gartenlaube (1853) 551.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

ihnen zur Stunde auch nur die Geschicke eines mächtigen Reiches entschieden werden, so dämmert doch jetzt schon Etwas wie leises Ahnen auf, daß dort einst das Geschick unseres ganzen Erdballs entschieden werden dürfte. Schon lange fügt sich Stern zu Stern im Banner der Union und das Racengemisch auf ihrem Gebiete wird immer vielfältiger.

Nur die eingeborene Race des Landes, die rothhäutigen Indianer, gehen in diesem Völkergährungsprozeß, aus dem fortwährend frisches Leben zu Tage tritt, ihrem Untergange entgegen. Diese ehemals so stolzen, muthigen und großherzigen Völker welken unter den Segnungen wie unter den Lastern der Civilisation dahin. Bisweilen sieht man jetzt noch auf dem Kapitol in Washington Abgeordnete jener unglücklichen Stämme erscheinen, deren Väter vor Zeiten die Hügel bewohnten, auf denen sich jetzt das Kapitol erhebt, und die nun bis weit hinter den Mississippi zurückgedrängt sind. In der Tracht ihrer Wälder und Prairien kommen diese indianischen Abgesandten, um gewöhnlich die Gelder zu empfangen, welche die Unionsregierung den meisten Indianerstämmen als eine Art Pension für die Vertreibung von ihrem ursprünglichen Wohnsitzen zahlt. Bei solchem Verkehre mit den Weißen hat aber der Indianer die Schwäche, denselben meistens nachzuahmen, und so sieht man oft Diejenigen, welche noch in theilweiser indianischer Urkraft die Unionsstadt betraten, als häßliche Zerrbilder der Civilisation wieder aus ihr scheiden.

Um eine im Untergange begriffene Nation ist es immer etwas Wehmüthiges, und tröstend ist hier nur, daß auf dem Grabe jener die Wiege einer andern steht, die ein Herkules unter allen Völkern zu werden verspricht.




Aus der Menschenheimath.

Briefe
Des Schulmeisters emerit. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Schüler.
Siebzehnter Brief.
Der Buchdrucker.

Erwarte nicht, mein Freund, daß ich Dir heute unter dieser Ueberschrift etwas von der Erfindung Gutenberg’s erzählen werde, wie ich Dir neulich von der Verbündeten derselben, der Holzschneidekunst, wenigstens von deren Stoff Einiges mittheilte. Der Buchdrucker, von dem ich heute sprechen will, ist eigentlich ein Holzschneider; er hat in seiner Kunst nie eine Lehrzeit bestanden, sondern ist ein geborener Meister; er ist auch kein Mensch, sondern nichts mehr und nichts weniger als ein kleines Käferchen, welches schon wohl über hundert Jahre lang den ehrenvollen, aber durchaus für sein Metier übel gewählten Namen des Buchdruckers führt, obgleich er sich um die Menschheit nichts weniger als verdient gemacht hat. Er ist im Gegentheile ein arger Feind und Quälgeist der Menschen.

Aber eben deswegen, weil wir unsere Feinde kennen müssen, um sie besiegen zu können, oder wo das nicht möglich ist, um wenigstens zu wissen, wem wir unterliegen, so will ich Dir auch dann und wann etwas von unseren Feinden aus der Thierwelt erzählen. Die Thierwelt ist ja zusammen mit der Pflanzenwelt in anderer Richtung der belebende Schmuck unserer Menschenheimath, ohne den wir nicht würden leben mögen, und noch viel weniger würden leben können.

Ungefähr eben so viele Insektenarten wie Pflanzenarten – nämlich von jeden etwa 100,000 Arten – kriechen und fliegen und summen und brummen auf, in und über unserer Erdoberfläche, ohne daß sie uns im gewöhnlichen Leben sehr in’s Auge fallen; und es wird Dir gewiß auffallend sein, hier zu vernehmen, daß diese eine Thierklasse allein der Zahl nach dem Gewächsreiche das Gleichgewicht hält.

Aber nicht blos der Zahl nach, sondern auch sonst besteht eine wunderbare Beziehung zwischen beiden. Man kann annähernd sagen, daß in fernen Welttheilen mit jeder neu entdeckten Pflanze immer auch ein neues Insekt entdeckt werde, auf und von welcher letzteres ausschließend oder wenigstens vorzugsweise Wohnung und Nahrung entlehnt. Oft auch ist entweder die eine oder das andere früher schon bekannt gewesen, als das dazu gehörige Seitenstück.

Daß die meisten Insekten blos von Pflanzennahrung leben, ist Dir schon bekannt; dabei sind aber viele Arten streng an eine gewisse Pflanzenart und oft wieder an gewisse Theile dieser Pflanzenart, als Wurzel und Samen gebunden; ja manche verhungern lieber ehe sie eine andere selbst nahe verwandte Pflanzenkost annehmen, als die ihnen allein zusagende ist.

Zu letzter Sorte gehört mein Buchdrucker, Bostrichus typographus.

Er bildet mit vielen andern, sämmtlich sehr kleinen Käferchen die Käferfamilie der Holzfresser, Xylophaga, weil sie, wenigstens als Larven nur die holzigen Theile der Pflanzen, also meist der Bäume fressen. Die Gattung Bostrichus ist ziemlich artenreich. Sie führt den deutschen Namen der Borkenkäfer, weil sie ihre Wohnung und Nahrung in der Borke der Bäume finden. Seit lange schon nennt der Forstmann unsere Art vorzugsweise und schlechthin den Borkenkäfer und fürchtet ihn unter diesem Namen schlimmer als der Landmann den Kornwurm.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 543. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_551.jpg&oldid=- (Version vom 15.4.2020)