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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

wuchsen. Also: „Trotz Alledem und Alledem“: Alles Wachsthum drängt zum Licht und das Licht giebt das Wachsthum. Darum Licht! Licht!


Ein Berliner Gaunerwitz. In Berlin giebt es einzelne Kellerschenken, wo die sogenannten Bauernfänger ihr Wesen treiben. Das heißt, ehrlich aussehende Bursche machen sich an ehrliche Landleute, denen ihr Fremdsein an der Stirne geschrieben steht. Sie werden ihre gefälligen, uneigennützigen Führer, tractiren auch zuweilen aus reiner Humanität die Fremden, und gerathen endlich mit ihnen in die Spelunken, wo dann dieselben auf mannichfache schlauere oder gröbere Weise ausgezogen werden, und zwar in der Regel durch das Spiel. Helfershelfer sind dabei allezeit zur Hand. Ein solcher Keller, in einer der Hauptstraßen Berlins, war längst bei der Polizei deshalb renommirt, aber aller angewandten Mühe ungeachtet war es noch nicht gelungen, die dort thätigen Künstler auf frischer That zu ertappen. Sobald ein verdächtiges Gesicht eintrat, waren die ehrlichen Leute verschwunden, und der Unfug dauerte doch fort. Ein Polizeimann betrachtete diese Sache als eine Ehrensache. Er verwandelte sich in einen ehrlichen, jungen, dummen Landmann; Rock, Stiefel, Bart, Perrücke lassen vor dem Spiegel nichts zu wünschen übrig. So tappt er in den Keller, aber mit aller Vorsicht; ein Gehülfe, als Bäuerin verkleidet, eine Kräze auf dem Rücken, muß, auf ihn wartend, seine Last vor dem Kellerhofe absetzen, ein dritter bleibt als Flaneur vor dem Laden gaffend stehen; an den Ecken stehen noch andere, die auf einen Pfiff zur Hand sind; denn bei derartigen Entdeckungen mag man auf den heftigsten Widerstand gefaßt sein. Im Keller wird auch in der That gespielt. Die Physiognomien locken den Polizeimann, er bittet um die Erlaubniß, mitspielen zu dürfen, die ihm gerne gewährt wird. Er hofft zu verlieren, aber er gewinnt, er hofft falsche Karten zu erhalten, aber es sind richtige, er hofft endlich auf hohes Spiel, aber die Leute sind die Solidität selbst und es handelt sich nur um Pfennige. Mißvergnügt wirft er endlich die Karten fort, und um sich in seinem Aerger zu zerstreuen, geht er in den Circus des Kunstreiter Renz, immer noch in seinem Costüm als ehrlicher Bauernbursch. Bald aber wird es um ihn und hinter ihm laut. Ein leises Kichern, lachende Blicke, endlich ein lautes Auflachen und aller Blicke auf ihn gerichtet. Sähe er denn wirklich gar so dumm aus? Jemanden, der ihn gar zu dummdreistig angafft, fährt er endlich, aus der Rolle fallend, an mit einem: „Herr, was unterstehen Sie sich?“ – „Belieben Sie nur auf Ihrem Rücken zu lesen,“ ist die Antwort. Auf seinem Rücken stand, deutlich mit Kreide geschrieben, sein Name und seine Charge.




Weihnachtsgeschenke. Unter den vielen neuerschienenen und oft brillant ausgestatteten Jugendschriften möchten wir den in Hildburghausen von den Gebrüdern Jäde herausgegebenen den Vorzug geben. Das Roggenkörnlein – Alles was Federn hat, fliegt – Blicke in Natur und Menschenleben – Hänschen, der Etwas werden wollte – zeichnen sich durch die hübsche poetische Form aus, die sich dem Kindergemüth traulich anschließt und Alles, ohne unnöthige Phrasen in sehr gelungener Weise zur Anschauung bringt; auch die Bilder dazu sind naturgetreu und sehr verständig für die Kinderwelt ausgeführt. Die beiden Jäde haben bereits seither durch die in Weimar erschienenen „Lichtbilder aus den Tages- und Jahreszeiten und den Spiegelbildern für das zarte Kindesalter“ ihre Befähigung für diesen wichtigen Genre der Literatur bewiesen. –

Für große Kinder von 18 Jahren und darüber empfehlen wir die in der Verlagshandlung der Gartenlaube erschienenen Stolle’schen Werke, die bereits bis zum neunten Bande vorliegen und die Gedichte von Ludwig Storch, die in ihrer eleganten Ausstattung und ihrem ganzen Inhalte nach sich besonders zu Festgeschenken für Damen eignen. Die bis jetzt über diese Gedichte erschienenen Kritiken in der Modenzeitung, Illustrirten Zeitung etc. sprechen sich mit warmer Anerkennung darüber aus.




Literatur und Kunst. Der Prozeß des Grafen Tycskewitsch in Paris gegen den Direktor der großen Oper wegen schlechter und verstümmelter Aufführung des „Freischütz“ ist von dem Gerichte ebenso sehr gegen den Grafen als – gegen C. M. v. Weber entschieden worden. Die Klage wurde abgewiesen, weil in Paris der Freischütz niemals besser oder eigentlich gar nie aufgeführt wurde. Man hat dem Publikum immer ein Arrangement von Berlioz und Paccini aufgetischt, dergestalt, daß dieselben Autorrechte auf die von ihnen arrangirte Musik Weber’s erworben haben, die Tantième dafür seit Jahren beziehen und juridisch in der Lage sind, die Aufführung des wirklichen „Freischütz“ als ein Plagiat und einen Diebstahl zu verfolgen. Das Köstlichste an diesen musikalischen Zuständen der Weltstadt ist, daß gerade Berlioz in seinen Recensionen gegen die Mißhandlung Weber’s in der großen Oper sehr oft gedonnert hat. In der öffentlichen Meinung jedoch hat Tycskewitsch seinen Prozeß gewonnen. –

Die Düsseldorfer Künstler beabsichtigen mit Anfang nächsten Jahres und für die Zeit des Carnevals eine „Carnevals-Zeitung“ herauszugeben, und sind dazu schon alle nöthigen Vorbereitungen getroffen. Das Blatt wird mit vielen Illustrationen dortiger Maler verziert werden und am Rhein, wo das Carnevalsleben noch einen geistreichen, interessanten Anstrich hat, sicher viele Freunde finden. – In der Frankfurter deutschen Romanbibliothek haben wir in nächster Zeit neue Erzählungen zu erwarten: von H. Kurz der Sonnenwirth, – von Wolfg. Müller Kunstnovellen, – von Prutz der Musikantenthurm, – von Schirges der Bürgermeister von Henneberg, – von Ludw. Storch die Herzogin von Gotha.

E. K. 




Weihnachtsgeschenke!

Allen Freunden einer edeln Lektüre empfehlen wir:

Gedichte
von
Ludwig Storch.
geb. 1 Thlr. 6 Ngr. – Prachtvoll gebunden 11/2 Thlr.

Sowohl durch ihren anerkannten innern Werth, wie durch die prachtvolle Ausstattung eignen sich diese Gedichte vor vielen andern zu Festgeschenken, besonders für Damen.




Ferdinand Stolle’s,
des Dorfbarbiers
ausgewählte Schriften
Volks- und Familienausgabe.

Von dieser eben so schönen als billigen Familienbibliothek sind bereits neun Bände erschienen, welche enthalten: Camelien. – Napoleon in Aegypten. 3 Bde. – Moosrosen. – Die deutschen Pickwickier. 3 Bde. – Je länger je lieber.

Der 12 bis 13 Bogen starke Band kostet nur 71/2 Ngr. bei Abnahme sämmtlicher Bände, einzelne Romane oder Erzählungen den dreifachen Preis.

Leipzig im December 1853. Ernst Keil. 



Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 548. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_556.jpg&oldid=- (Version vom 14.4.2020)