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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

mußte natürlich mit der größten Vorsicht geschehen; aber wie war sie überhaupt zu bewirken, wo konnte man die erforderlichen Mittelspersonen finden, einen ganzen Thaler zu wechseln, da den Züchtlingen nicht einmal der Besitz eines Groschens erlaubt war? Aber auch diese fanden sich in einfältigen oder bestechlichen Personen, mit denen die Züchtlinge in Berührung kamen, und so verschafften sich diese nicht nur manche verbotene Genüsse, sondern es sammelte sich auch allmälig ein kleiner Schatz an baarem Gelde und falschen Kassenanweisungen, aus denen, nach allgemeinem Abkommen, eine Unterstützungskasse für die Abgebenden, sowie ein allgemeiner Reservefond gebildet werden sollte. So war das Geschäft im blühendsten Gange, als es plötzlich durch ein ganz unerwartetes Ereigniß gestört wurde. – Unter den Züchtlingen in dem großen Schlafsaale befand sich auch ein junger Bursche von 16 bis 17 Jahren, der wegen Pferdediebstahles saß. Seine gute Aufführung und seine unverkennbare Reue bewirkten seine Begnadigung, ohne daß er sich bis dahin die geringste Hoffnung darauf gemacht hatte, und in der Dankbarkeit seines Herzens gab er die Fabrikation an, worauf man außer den sämmtlichen Gerätschaften nicht weniger als 500 einthälerige Kassenanweisungen nebst einer ganz anständigen Summe baaren Geldes fand.


Zucker und Wolle als Mittel gegen die Auszehrung. Englische Aerzte schicken jetzt ihre Lungenkranken und Auszehrenden in Wollmühlen, weil sie gefunden haben wollen, daß die Ausdünstungen der verarbeiteten Wolle vor Lungenschwindsucht bewahren und deshalb auch sie heilen könne. Amerikanische Aerzte wollen dies bei den Zuckerausdünstungen gefunden haben und senden deshalb ihre Kranken jeden Tag einige Stunden in eine Zuckerfabrik. –




„The Critic, London Litterary Journal“ enthält in Nr. 364 (vom 1. December) eine Kritik des Romans von F. Stolle: „Napoleon in Aegypten“, worin es unter Anderem heißt: „Napoleon’s Abenteuer sind niemals mit größerem Geschmack („zest“) geschildert worden, als von diesem Schriftsteller; niemals wurden Napoleon’s Begleiter mit besserm Effect um ihn herum gruppirt im Schatten ihres berühmten Meisters, und niemals lieferte das Land der Pyramiden malerischere und unterhaltendere Scenen“ u. s. w.

Es werden dann mehrere Scenen aus dem Romane in Uebersetzung mitgetheilt, besonders ausführlich die Geschichte des Professors Larossossinier bis zu seinem lebendigen Grabe mit den unfreiwilligen Ohrringen.




Die große Republik. Das ist der Name des größten amerikanischen Segelschiffs, welches eben aus der Anstalt von Donald und M’Kay vom Stapel gelaufen ist. Es ist über 700 Fuß lang und läßt sich an 4 Masten von 20,000 Ellen Segeltuch treiben. Für das Aufziehen von Segeln und andere schwere Arbeit innerhalb des Schiffes sorgt eine Dampfmaschine von 16 Pferdekraft.




Der neue chinesische Kalender. Die Rebellen haben einen neuen, eigenen Kalender ganz nach europäischer Zeitbestimmung einrichten und in mehr als 700,000 Exemplaren verbreiten lassen. Alle Dämonologie, Astrologie und „hundertjährige Kalenderei“ ist ausgeschlossen. Ihr Jahr fängt am 7. (nach der alten Dynastie am 4.) Februar an. Sie bestimmen einen Tag in jeder Woche zum Ruhetag, schließen alle andern Feste aus, theilen das Jahr in 12 Monate von 30 und 31 Tagen und beweisen dem Volke, daß es zu seinem Vortheile gereiche, sich der Revolution anzuschließen. Taiping ist als Gottgesandter an die Spitze der „Erlösung“ gestellt, und zuletzt werden die Titel und Aemter seiner hauptsächlichsten Beamten mitgetheilt. Einer dieser Beamten ist angestellt, „den Himmel stets für das Heil aller Unglücklichen anzurufen.“ Eine besondere „Kirche“ wird nicht gestattet.




Spitznamen. Die republikanischen Amerikaner halten bekanntlich viel auf Titel und lassen sich besonders gern mit militärischen Ehrenbezeichnungen anreden. Neben diesen Titeln sind sodann die Spitznamen in Amerika sehr beliebt. Sie sind selten bösartiger Natur, es spricht sich vielmehr meist eine gutgemeinte Ironie darin aus. Es ist kein hervorragender Mann in den Vereinigten Staaten, welcher nicht einen Spitznamen trüge, denn das ist der „Adelstitel,“ welchen die Nation verleiht. General Jackson wird wegen seines unbeugsamen Willens der „alte Hickory“ (Wallnußbaum) genannt, und sein diplomatischer Nachfolger „im weißen Hause“, Martin van Büren, war der „kleine Hexenmeister.“ Johann van Büren heißt bis auf den heutigen Tag noch „der Prinz.“ General Harrison war der „alte Tip;“ er hatte bei Tippecano die Indianer unter ihrem Propheten, dem Bruder Tekumseh, geschlagen. Den General Zacharias Taylor nannte man den alten „Zack, rough and ready“ (derb und stets bereit) und den Staatsmann Henry Clay „the millboy of the Slaches“ (der narbige Müllerbursche); Webster wird der „große Gesetz-Ausleger“ oder einfach „black Dan“ (der schwarze Daniel) genannt, und den Finanzminister Corvin kennt man unter dem Namen „waggonboy“ (Karrenjunge); Douglas der demokratische Senator von Illinois, kaum größer als Louis Blanc oder Thiers, ist der „kleine Riese,“ und General Winfield Scott erhielt seinen Namen „Chippewa“ durch seinen Sieg über die Engländer in dem letzten Kriege; „hasty plate ol soup, hastige Suppe“, nennt man ihn von einem Ausdruck in einem seiner Bulletins, das hastig auf dem Platze geschrieben wurde, wo er die Mexikaner schlug. General Houston, der vormalige Präsident von Texas, erhielt seinen Namen „San Jacinto“ von einem Schlachtfelde, auf welchem er den General Santa Anna und seine ganze Armee zu Gefangenen machte. General Caß, der berühmte Senator von Michigan, wird der große „Michiganer“ (Michi - Gänserich) genannt. Gouverneur Wilhelm H. Seward, der einflußreichste Parteiführer in den Reihen der Whigs, ist als der „Little Billy“ überall bekannt, weil er einst den Gouverneur Marci in Newyork besiegte, indem er die Ausgabe von kleinen Banknoten (Bills) vertheidigte, während der demokratische Marci, seinen Parteiprinzipien getreu, die deshalbige Gesetzvorlage bekämpfte.




Ein freiwilliger vierzigtägiger Todeschlaf. Erich von Schönberg erzählt in seiner neuesten Reisebeschreibung (Leipzig, Brockhaus): Es war in Amritser, als ein Hindostaner, ein Fakir, etwa vierzig Jahre alt, bei Runjit-Singh im Derbar sich einfand und erklärte, daß er sich auf Wunsch begraben lassen wolle, und nach vierzig Tagen bei Oeffnung des Grabes in das Leben zurücktreten werde. Runjit-Singh nahm den Vorschlag an, und ließ zwischen seinem Gartenhause und dem Fort von Amritser auf einer freien Ebene ein Haus mit nur einem, aber sehr festem Thore erbauen. Zur anberaumten Zeit fand sich der Fakir ein, und bat nur, daß man ihn bei seinem Todesschlafe, und dem nachmaligen Erwachen, von seinem Diener, der des nöthigen Verfahrens kundig sei, behandeln lassen möge. Er hatte, als Vorhereitung zu dem Todesschlafe, zwanzig Tage hindurch (während welcher Zeit ihn Runjit-Singh stets hatte beobachten lassen, nur Milch genossen, und angeblich so viele Abführungsmittel genommen, daß Nichts in seinen Eingeweiden zurückgeblieben sei. Im Derbar angelangt, unter den Augen sämmtlicher ersten Sirdars des Hofes, schritt der Fakir zur Ausführung, indem alle Oeffnungen seines Körpers, Ohren, Nase u. s. w. mit Wachs geschlossen wurden – vom Munde wußte General Ventura, der mir diese Thatsache als Augenzeuge verbürgte, sich nichts zu erinnern – und begann darauf den Athem nach innen zu ziehen. Nachdem er dies einige Male wiederholt, fiel er um, und lag mit geschlossenen Augen, wie ein Todter da, mit allen Zeichen eines Verstorbenen, nur auf der Mitte des

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 567. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_575.jpg&oldid=- (Version vom 15.4.2020)