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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

und Eleganz um sich zu verbreiten, die sowohl in der Hütte, wie in einem Palaste ihren Platz findet. – Bauete man ein Haus, das die Bestimmung eines Mädcheninstitutes hätte, so sollte man Jeder ein Stübchen einrichten, wie die Zelle einer Nonne, so klein, so groß es sei, ein Bettchen, ein Stühlchen, ein Fensterchen, darauf der Rosenstock, davor das Tischchen mit ihrem Gebetbuche, und ihren kleinen Niedlichkeiten. Damit wäre ihr die Freude an etwas Eigenem gegeben, damit hätte sie das Plätzchen gewonnen, wo sie sich heimisch fühlte, wo sie ungesehen die Thräne weinen könnte, die in einzelnen Momenten das Herz eines Kindes drücken muß, das zum ersten Male dem sichern Hort des Familienkreises entrissen ist. – Und wer könnte wünschen, daß dem nicht so wäre? – Wer könnte begehren, daß ein Mädchen sich wohl und heimisch fühlte in einer Anstalt, wo es sie nirgends an die stille Heimath mahnt, wo sie die Gespielinnen ihrer Jugend entbehrt, wo ihr alles fremd, kalt und neu entgegen tritt und sie sich an kein Herz mit Vertrauen zu schließen wagt? – Welcher Vater würde wünschen, daß seine Tochter ihn hier nicht vermisse, und das Aelternhaus gern einbüße? – Bis jetzt haben unsere Mädcheninstitute große Schlafsäle, welche allerdings der Räumlichkeit zu gut kommen; der sittlichen Bildung aber keine Förderung gewähren. Auch der „Frauenschutz“ macht von dieser Regel keine Ausnahme und wollte er es, so würde die Localität, so wie sie ist, es nicht gestatten. – Wir müssen das also hingehen lassen, aber andere Institute nach diesem wirklich vortrefflichen Muster einer zweckmäßigeren Erziehung für das weibliche Geschlecht bilden, so legen wir die Bitte ein: daß man diesen Punkt berücksichtige und daneben in das Auge fasse, bei der größten Einfachheit der Einrichtung überall zum Guten das Schöne zu fügen und dies als unerläßliche Bedingung einer Mädchenerziehung und einer Frauenexistenz aufzustellen.

„Und füget zum Guten
Den Glanz und den Schimmer,
Und ruhet nimmer.“

Amely Boelte. 




Blätter und Blüthen

Espartero und O’Donnell. Die beiden ersten Häupter der Revolution in Spanien haben weder körperlich noch geistig die geringste Aehnlichkeit mit einander. Espartero (um unsere bereits gegebene Lebensskizze zu ergänzen) fällt sogleich durch seinen festen Blick unter stark markirten Augenbrauen, der alle Männer von großer Geisteskraft auszeichnet, als ein überlegener Charakter auf. Dazu kömmt die stets geschlossene Lippe und die Breite seines Kinns. Dies sind die Symbole seiner Energie und Ausdauer, wenn er sich einmal zu Etwas entschlossen hat. Er ist mittlerer Größe, über 60 Jahre alt, doch dem Ansehen nach kaum 50, von hoher Stirn, feurig in seinem dunkeln Blick und dabei leicht zu einem Lächeln zu bringen, welches den Charakter von Offenheit und Güte deutlich aufleuchten läßt. Seinen Thaten und Verdiensten nach ist er wirklich der erste unter allen lebenden Spaniern. Er ist ein guter Kamerad für die Soldaten. Sehr oft in seinem Leben mußte sein und seiner Frau Vermögen herhalten, um fehlende Bedürfnisse für seine Truppen zu befriedigen. Daher kam es, daß er viel ärmer war, als er seine höchste militärische Stellung aufgab, wie vorher, ein Lob, das schon durch seine Seltenheit Respect einflößt. Sein Vermögen verdankt er hauptsächlich seiner Frau, der Tochter eines reichen Kaufmanns und Banquiers. Sie hielt mit ihrer Unterschrift nie zurück, wenn es galt, Opfer für die Leute zu bringen, deren Oberhaupt ihr Gatte war. Er selbst hatte von Hause aus nichts als sein Schwert, das leider in Spanien das Hauptsymbol der Ehre und die mächtigste Waffe zum Emporsteigen geworden. Seine niedere Herkunft und armen Verwandten verläugnete er nie. Davon gab er während seiner Regentschaft einmal den überraschendsten Beweis. Zu einer großen Soireée in Buena-Vista wurden sein Onkel und zwei Cousinen angesagt. Er stellte den Ersteren auch richtig als Eisenbahnbeamten aus la Mancha und letztere als Kleidermacherinnen, Schneidermamsells vor, wie es heißt, nicht ohne geheimen demokratischen Stolz, daß er von so niederer Herkunft so hoch gestiegen, ohne sich seiner Verwandten zu schämen. Freilich giebt dies Alles und sein ganzes Leben noch keine gegründete Hoffnung, daß er seiner jetzigen Stellung gewachsen sei, die unendlich schwieriger ist, als seine Regentschaft, die er nicht ohne Beweise von Schwäche aus den Händen gab. Im Uebrigen aber bleibt eines Menschen Vergangenheit immer das Hauptelement, aus dem man Schlüsse auf seine Zukunft ziehen darf.

O’Donnell’s Leben und Charakter sieht viel anders und ziemlich gemein aus. Er ist ein Abkömmling der irländischen Familie O’Donnell, welche sich vor langer Zeit in Spanien niederließ und dort ein Rolle spielte. Der Vater des jetzigen Revolutionärs war Direktor der Artillerie unter Ferdinand VII. Er hatte vier Söhne, die er alle in einflußreiche Stellungen zu bringen wußte. Der Revolutionär, der vierte, war der einzige, der nach Ferdinand’s VII. Tode in die Dienste Isabella’s überging. Als tüchtiger Soldat und streng in Disciplin, wie sein Vater, der größte Feind aller liberalen Ideen, konnte er nur steigen. Von seiner militärischen Grausamkeit wissen besonders die baskischen Provinzen zu erzählen. Als Christine ihre Wirthschaft als Königin aufgeben mußte, war er General-Lieutenant und Graf von Luceno mit dem Ober-Commando über die Central-Armee. Nach Espartero’s Triumphe 1840 wanderte er nach Paris aus, wo er mit Christine wirthschaftete. Im Jahre 1841 überfiel er Pampeluna, das er im Namen Christine’s durch Bestechung in seine Gewalt bekam und behauptete. Zugleich versuchten die Generäle Concha und Diego Léon, Madrid und die junge Königin gefangen zu nehmen. Der damalige Lieutenant Dulce (neuerdings sein Genosse) verhinderte dies mit seinen Hellebardiers, die den Palast bewachten, so daß der beabsichtigte Sturz Espartero’s mißlang. Im Jahre 1846 finden wir O’Donnell als Gouverneur von Cuba. Von diesem ergiebigen Posten wurde er vor der üblichen Zeit (3 Jahren) durch Marschall Narvaez, damals Minister-Präsidenten, abgerufen. Diese Schmach verzieh er dem Narvaez nie. Um sich zu rächen, bildete er eine Opposition gegen den Minister-Präsidenten so widerwärtiger und unerträglicher Art, daß er seine Entlassung einreichen mußte. Dessen ungeachtet finden wir O’Donnell zwei Jahre später als Mitglied einer parlamentarischen Partei, welche Narvaez zu ihrem Führer gewählt hatte und den Minister Murillo zwang, den constitutionellen Grundsatz anzunehmen: „Die Königin regiert, aber herrscht nicht.“ Der frühere erbitterte Absolutist war jetzt ein Constitutioneller der linken Seite, und der frühere Feind Espartero’s machte jetzt eine Revolution mit Messina und Dulce, den intimsten Freunden Espartero’s, eine Revolution, die durchaus zum Triumphe der von ihm zeitlebens bekämpften Principien und seines Feindes ausschlug. Sonach scheint O’Donnell eigentliche Grundsätze nicht zu hegen. Haß, Ehrgeiz, Gewinnsucht sind die Mächte, die ihn gelegentlich bestimmen. Man hat Grund anzunehmen, daß seine moralische Entrüstung über die jetzige Regierung von dem Gelde stammte, welches England im Interesse Espartero’s geschickt haben sollte. Was auch aus der Revolution werden mag, an O’Donnell’s Verlust kann sie nur gewinnen.




Neue Art Bärenfang. In der franz. Bergstadt Superbognerre, unweit Luchon, begaben sich neulich eine ziemliche Heerde Jäger um zehn Uhr Abends auf die Jagd, geführt von einem Arzte, der versprochen hatte, Goliath, den Schrecken der Umgegend (einen riesengroßen Bär), todt oder lebendig in die Stadt zu bringen. Sie sahen gar nicht wie Jäger aus, da sie nur mit eisernen Stangen und großen wollenen Decken bewaffnet waren. Der Zweck derselben ward einigen Mitgliedern der Gesellschaft erst bekannt, als sie ihre Dienste gethan. Mit den eisernen Stangen schloß man die Oeffnung der bekannten Höhle Braun’s, worin er des Nachts regelmäßig zu logiren pflegte, und da er fest schlief, setzte er auch den wollenen Decken, welche über die eisernen Stangen gezogen wurden, um die Höhle möglichst luftdicht zu verschließen, keinen Widerstand entgegen. Nachdem dies geschehen, ließ Dr. Peyot seine Waffe durch eine Oeffnung in die Höhle spazieren und wirken, Chloroform. Er war nach kurzer Zeit der Wirkung so gewiß, daß er Stangen und Decken wegnehmen ließ, und mit einer Laterne zu Goliath hineintrat, der sich nun ruhig beleuchten ließ, ohne in seinem fürchterlichen Schnarchen irgend nachzulassen. Auch hatte er nichts dagegen, als man ihn band und auf eine Tragbahre zog, und selbst, als er im Triumph durch die mitternächtlichen Straßen getragen ward, merkte er noch nichts von der Veränderung, die nun auf Lebenszeit mit ihm vorging. Schlafend und schnarchend ward er in einem Käfig untergebracht, wo er am folgenden Morgen sich lange brummend und bäumend umsah, ehe er sich entschließen konnte, sich in sein Schicksal zu ergeben. Doch sehr wild that er auch nicht, da der listige Doctor, der ihn im Schlafe seiner Freiheit beraubt, seine neuen Fesseln mit den Rosenketten der Liebe verband. Goliath Braun, bisher ein Junggeselle der Wildniß, fand in seinem Käfig ein Weibchen vor, welches Hirten mehrere Monate vorher eingefangen hatten. Goliath fand Wohlgefallen an seiner neuen Lebensgefährtin, er behandelte sie mit aller möglichen Zärtlichkeit, ißt und trinkt regelmäßig, legt sich frühzeitig zur Ruhe und steht spät wieder auf, so daß er allgemein als das Muster eines braven Philisters geachtet wird, der sich auch ohne Freiheit würdig zu benehmen weiß.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 440. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_440.jpg&oldid=- (Version vom 7.9.2020)