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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

So machte ein Chasseur d’Afrique an diesem Tage ein besonderes Glück. Er sieht einen schon verwundeten englischen Offizier, der sich nur mit äußerster Anstrengung noch gegen drei russische Soldaten, die mit ihren Bayonnetten auf ihn einstürmen, vertheidigen konnte; der Chasseur wirft sich mit seinem Hengste sogleich dazwischen, und es gelingt ihm, einen Russen niederzuhauen, die anderen Beiden aber in die Flucht zu schlagen, wobei er übrigens selbst einen zwar tiefen aber sonst nicht weiter gefährlichen Bayonnettstich in den Schenkel erhält. Da der englische Offizier von seinen Wunden zu ermattet war, um gehen zu können, so läßt ihn der Chasseur von zwei anderen französischen Soldaten zu sich auf das Pferd heben, hält ihn dort sorgsam mit beiden Armen vor sich auf dem Sattel und bringt ihn so in das englische Hospital, worauf er dann erst an sich selbst denkt und sich seine Wunde von einem französischen Militärarzt verbinden läßt. Der englische Offizier, der Sohn eines sehr reichen Lords, zeigte sich gegen seinen Retter aber ungemein dankbar. Er hat denselben nach seiner Wiederherstellung aufgesucht und ihm nicht allein eine sehr schöne goldene Uhr geschenkt, sondern ihm auch gerichtlich durch den Auditeur des Regiments für seine ganze übrige Lebenszeit eine Jahresrente von 30 Pfund Sterling vermacht.

Einen Tag nach dieser Schlacht bei Inkerman war ich als Parlamentair bei den russischen Vorposten, von dem Korps, was außerhalb von Sebastopol stand. Es sollte nämlich ein gegenseitiger Waffenstillstand zur Aufsuchung und Fortschaffung aller Verwundeten und Todten, die vielleicht noch einzeln zerstreut in den mit Buschwerken bewachsenen Schluchten umherlagen, abgeschlossen werden, worauf die Russen, die eigentlich den meisten Vortheil davon hatten, auch gern eingingen. Der russische Oberst der Uhlanen, bei dem ich mich an zwei Stunden aufhielt, bis ein höherer General, dem man von meinem Dasein unterrichtet hatte, selbst ankam, war ein sehr artiger, feingebildeter Mann, der auch ganz geläufig Französisch sprach. Er bewirthete mich mit trefflichem Thee, Zwieback und Wurst, und entschuldigte sich lachend, daß er mir keine Butter dazu vorsetzen könne. Wir plauderten die zwei Stunden sehr gemüthlich mit einander, und es war unserer Unterhaltung gewiß nicht anzumerken, daß wir Feinde waren, die vielleicht schon am nächsten Morgen mit der äußersten Erbitterung gegen einander kämpfen würden. Besonders mußte ich dem Russen viel von unserem eigenthümlichen Dienst in Algerien und der Organisation unserer leichten Kavallerie daselbst erzählen, wogegen er mir manche ganz interessante Details aus dem Kaukasus, wo er mehrere Jahre gefochten hatte, mittheilte. Bei diesem Gespräche meinte er, ob es mir in Algerien nicht besser gefallen habe wie hier in der Krim, wo doch wahrhaftig keine große Freude sei, und wo wir besonders auch der vielen hübschen Mädchen, die in Algerien sein sollten, entbehren müßten. In eben dem scherzenden Tone erwiederte ich: „Es sei freilich sonst in vieler Hinsicht in Algerien weit angenehmer wie hier vor Sebastopol, doch würde dies dadurch reichlich wieder ausgeglichen, daß es für uns französischen Soldaten ja eine weit größere Ehre sein müsse, uns mit der tapfern und wohldisciplinirten Armee eines so mächtigen Monarchen, wie der Kaiser von Rußland sei. herumzuschlagen wie mit den Hajuten und Kabylen.“ Der russische Oberst lachte hierzu und meinte: „Dies ist freilich wohl wahr, wir fechten auch viel lieber gegen Euch Franzosen wie gegen die Tscherkessen.“

Während wir uns noch so ganz gemüthlich mit einander unterhielten, kam der russische Generallieutenant, der hier befehligte, angeritten. Derselbe sprach in etwas hochfahrendem Tone gegen mich, und da mich dies verdroß, so antwortete ich demselben ebenso kurz und bestimmt, ohne jedoch die Regeln der militärischen Artigkeit zu verletzen. Dies Mittel war von Wirkung, denn der russische General ward allmälig artiger gegen mich, so daß ich meine Absicht vollkommen erreichte, und wir zuletzt in äußerlich sehr höflicher Weise von einander schieden. Auffallend war mir als französischem Offizier nur die übergroße Unterthänigkeit, welche alle übrigen russischen Offiziere gegen diesen General bewiesen. Es ist bei uns Franzosen gewiß eine sehr strenge Disciplin, aber solche äußerliche Unterwürfigkeit wird der letzte Rekrut nicht seinem Obersten an den Tag legen.




Blätter und Blüthen.

Aesthetik der Eleganz. Die Eleganz hat ihren Sitz in den Manieren, in der Art und Weise, auf welche ein Eingeborner von Buenos Ayres sein Cigarita raucht oder auf welche eine Dame der ersten Arrondissements von Paris ihren Fächer handhabt. Die Grundbedingung der Eleganz liegt im Charakter; denn bei der Abwesenheit von unterscheidenden Zügen oder eines bestimmten Styls giebt es keine Eleganz. Deswegen ist ein Kind nie elegant, sondern blos graziös, weil es keinen eigenen Styl hat. Diejenigen, welche Geschmack ohne Eleganz haben, sind Personen ohne Individualität; sie können Andern einen guten Rath bei der Auswahl einer Sache geben, aber sie können ihre Kenntniß nicht auf sich anwenden. Die Art, auf welche Jemand sich kleidet, giebt uns deshalb den besten Begriff von seinem Charakter. Eleganz im Kostüm liegt blos in dem harmonischen Einklang zwischen dem Individuum und seinem Styl in der Tracht. Ich war einst mit einer Modistin in Paris bekannt, welche ihre Kunst gehörig studirt und gefunden hatte, daß Eleganz die Zwillingsschwester des Charakters sei. Um zu erfahren, ob eine gewisse Farbe oder ein besonderer Zuschnitt für diese und jene Person passend sei, ließ sie dieselbe nie ihre Mode versuchen, sondern richtete blos Fragen an sie und je nach den Antworten oder vielmehr Andeutungen, welche sie erhielt, wurde sie in den Stand gesetzt, zu Resultaten zu gelangen, deren Richtigkeit nicht in Abrede zu stellen war. Eines Tages besuchte ich sie mit einem Freunde, welcher eine Haube für seine Mutter und einen Hut für seine Schwester, welche Beide sich in Baden-Baden aufhielten, kaufen wollte. – „Wollen Sie die Güte haben, mein Herr, mir das Alter Ihrer Mutter zu sagen?“ sagte sie mit der größten Höflichkeit. – „Gerade fünfzig,“ war die Antwort. – „Geht sie viel in Gesellschaft?“ – „Im Gegentheil, sie führt ein sehr zurückgezogenes Leben.“ – „Widmet sie viel Zeit ihren religiösen Betrachtungen?“ – „Einige Stunden des Tags.“ – „Wie ist ihr Gesicht gebildet?“ – „Oval.“ – „Und die Farbe ihrer Augen?“ – „Grau.“ – „Ihre Nase?“ – „Länglich.“ – „Ich danke Ihnen. Das genügt.“ – Die Modistin klingelte hierauf, und eine ältliche Frau kam, zu der sie sagte: „Bringen Sie mir die Haube mit der Marke: X. R. C. Nr. 21.“ – Die Frau wollte gehen, aber die Modistin hielt sie zurück und rief: „Wie einfältig ich bin, ich vergaß Sie zu fragen, ob Ihr Vater noch lebe?“ – „Nein, Madame.“ – „In diesem Falle ist diese Farbe zu dunkel; bringen Sie mir etwas helleres, X. R. D. Nr. 17,“ sagte sie zu der Dienerin. – „Nun,“ fuhr sie fort, „zu Ihrer Schwester! Sie sagten mir, glaube ich, daß sie 18 Jahre alt sei?“ – „Nicht ganz.“ –Die Modistin zog einen zweiten Glockenzug, und ein hübsches Mädchen erschien. „Erlauben Sie mir, mein Herr,“ fuhr sie fort, „eine wichtige Frage an Sie zu richten. Ist Ihre Schwester schön?“ – „Man hält sie dafür.“ – „Ist sie musikalisch?“ – „Ja.“ – „Wie ist die Farbe ihrer Haare?“ – „Schwarz.“ – „Tanzt sie?“ – „Sie liebt den Tanz.“ – „Ich danke Ihnen; das genügt vollständig.“ – Hierauf machte sie dem Mädchen ein Zeichen, und dasselbe erschien mit einem reizenden Hut. – „Morgen früh,“ sagte sie zuletzt, „wird Beides bereit sein.“ – Sie hielt ihr Wort, und nie gab es eine elegantere Haube oder einen Hut, der eine Dame besser gekleidet hätte.




Literarisches. Die Verlagshandlung des hannöverschen Couriers, C. Rümpler, hatte einen Preis von 40 Dukaten ausgeschrieben für die beste ihr eingesandte Novelle. Zu Preisrichtern waren ernannt: Hr. Marggraf, Otto Müller, Th. Colschera. Sie haben einstimmig den ersten Preis dem Verfasser der „stillen Mühle“ zuerkannt, der versiegelte Zettel nannte „Elfried von Taura“. Den zweiten Preis erhielt „Anton und Cordelia“ von A. Schlönbach. Wir freuen uns um so mehr über dies Resultat, als beide Schriftsteller Mitarbeiter unserer Gartenlaube sind. Wir werden nächstens eine Novelle von Elfried von Taura bringen. Derselbe ist ein Landsmann von uns Sachsen, und nächstens wird bei Wolf in Freiberg von ihm erscheinen: „Friedrich der Freudige“, ein Heldenbild in freien Liedern, dessen Ertrag den Nothleidenden im Erzgebirge bestimmt ist. Der Held der Dichtung, bekannter unter dem Namen “Friedrich mit der gebissenen Wange“, ist der eigentliche Gründer des sächsischen Königshauses Wettin und sein reiches Leben ganz zum poetischen Stoff geeignet. Die erste Abtheilung ist Wartburg, die zweite Freiberg überschrieben. Sobald das Werk erschienen, werden wir ausführlicher darauf zurückkommen.



Wiederholt machen wir darauf aufmerksam, daß der Abonnementspreis von 13/4 Thlr. für den letzten Jahrgang (1855) der Gartenlaube nur noch bis Ende dieses Monats gilt, von da ab tritt der Ladenpreis von 2 Thlr. ein.


Aus der Fremde" Nr. 3 enthält:

Ein König aus dem Morgenlande. - Wanderungen in Süd-Australien, Von Fr. Gerstäcker. Zweiter Artikel. - Briefe aus der Mormonenstadt. II. - Franklin und die Reisen zur Ermittelung seines Schicksals. - Aus allen Reichen: Eine uralte Stadt. Smithsonia Institution in Washington. Lebendige Juwelen, Auch ein Paradies.

Die erste Nummer von „Aus der Fremde“ ist durch alle Buchhandlungen und Postämter gratis als Probe zu erhalten.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_044.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)