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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

zwischen der Hauptstadt des Königreichs Lucknow (wie die Engländer es schreiben, nicht Locknau) und Daryabad, einer etwa sieben deutsche Meilen davon entfernten andern Stadt.

Wahrscheinlich herrschen die Engländer schon in Lucknow, einem neuen fetten Posten für irgend einen Taugenichts von Banquier- oder Lordssohn. Jeder Engländer ist stolz auf die vielen auswärtigen Besitzungen und Eroberungen, obgleich er dafür die Interessen von 7,0000,0000,000 Thalern Kriegsschulden und die zu fabelhaften Millionen gewachsenen Armengelder bezahlen muß, und ihm diese Besitzungen außerdem nur noch Geld kosten, da der relative Profit lediglich von den privilegirten Klassen geschluckt wird.

Für die ehrliche, fleißige Hand der Civilisation ist Oude allerdings ein Crösusschatz. Es ist größtentheils eine ungeheuere, fruchtschwangere Ebene, besonders zwischen dem Ganges und dem Zumaa, die Duuab-Ebene, blos neun Meilen von Delhi. Lucknow, die Hauptstadt, war einst berühmt als blühender Sitz alter Hindukultur. Jetzt ist sie im Wesentlichen Ruine, wie noch mehr eine andere gleiches Namens, die gar nicht mehr von Menschen, sondern blos von Tigern, Schlangen und andern Raubthieren und giftigen Reptilien bewohnt wird. Die etwa 300,000 Einwohner der jetzigen Metropolis von Oude zerstreuen sich weit und breit in stroh- und bambusgedeckten Schmutzhütten. Nur die Häuser der Kaufleute und einige Regierungsgebäude stehen massiv und hoch und stolz, besonders das königliche Schloß auf der höchsten Höhe in der ganzen Umgegend, ein gerade- und rundgethurmtes Labyrinth von Pracht und Geschmacklosigkeit für Tiger, Elephanten, Gaukler, Tänzerinnen und Hofgesindel aller Art. Die charakteristische und bedeutendste Sehenswürdigkeit unweit des Schlosses ist das Mausoleum, die Ruhestätte alter Herrscher und Vasallen des ehemaligen Großmoguls mit einem großen Tempel in der Nähe, dessen kuppelartige und spitzige Thürme weithin in den sonnigen Himmel hinauf und in die grünen, von wundersamen, duftigen Blumen, Platanen und Palmen geschmückten Ebenen ringsum glänzen und schimmern.




Bausteine zu einer naturgemäßen Selbstheillehre.
Ueber den Kopfschmerz oder das Kopfweh.

Wenn doch die Kopfschmerzen nicht wären! So denkt und wünscht ebensowohl der Arzt, wie der Kranke. Der Erstere, weil er in den allermeisten Fällen nicht weiß, wo diese Schmerzen herstammen (wir sehen hier natürlich ganz ab von Kopfschmerzen, die durch Verletzungen des Kopfes veranlaßt werden) und wie sie zu beseitigen sind, der Letztere, weil er durch Kopfschmerzen doch stets in seinem Thun und Treiben mehr oder weniger gestört wird. Um nun dem Laien einen kleinen Begriff von der Schwierigkeit zu geben, welche dem denkenden Arzte der Sitz und Ursprung dieser Schmerzen machen, will ich dem Leser die Fragen vorlegen, welche sich der rationelle (physiologische) Arzt in seinem Kopfe zu beantworten sucht, wenn er gegen Kopfschmerz — der beiläufig gesagt, wie überhaupt Schmerz (s. Gartenlaube 1855. Nr. 4.), nie eine für sich bestehende Krankheit, sondern stets nur eine Krankheitserscheinung ist und nicht nur sehr viele, sondern auch sehr verschiedenartige, oft sogar die einander entgegengesetztesten Krankheitszustände (z. B. Blutarmuth und Blutfülle des Gehirns) begleiten kann, — zu Rathe gezogen wird. — Bei der unwissenschaftlichen homöopathischen Heilmethode [1] ist es natürlich leicht, schnell eine Anzahl heilensollender Mittel in Nichts-Form gegen den Kopfschmerz zu empfehlen, weil da nach dem Sitze und der Beschaffenheit des Schmerzes (als ob diese bei verschiedenen Menschen nicht ganz verschieden wäre) in den Arzneimittel- und Heillehren eine zu große Menge Arzneistoffe, unter denen natürlich die unvermeidliche und fast überall anwendbare Nux vomica die Hauptrolle spielt, paradiren. Doch zurück zur Wissenschaft.

Die erste zu beantwortende Frage bei Kopf- oder richtiger bei Schädelschmerzen (denn man bezeichnet in der Regel nur die am und im obersten Theile des Kopfes, also des Schädels, fühlbaren Schmerzen als Kopfschmerzen) ist: „wo befindet sich der Sitz dieser Krankheitserscheinung?“ Abgesehen von den Schmerzen in der Stirn und Schläfe, am Scheitel und Hinterkopfe u. s. f., kann derselbe auch in und unter der Kopfhaut, am und in den Schädelknochen und ihren Höhlen (wie in den Stirn-, Sieb-, Keil- und Schläfenbeinhöhlen), sowie im Innern des Schädels, in den verschiedenen Organen der Schädelhöhle (besonders in den Hirnhäuten und im Gehirn) seinen Sitz haben. Der Patient ist nur äußerst selten im Stande, durch die Art seiner Empfindungen das Organ anzugeben, dessen Leiden den Schmerz veranlaßt, gewöhnlich schmerzt auch der ganze Kopf. Hat aber der Arzt durch genaue Untersuchung das schmerzende Organ wirklich ergründet, was ihm leider gar oft nicht gelingt, dann muß er immer erst noch die Natur des Leidens dieses Organes zu erforschen suchen, was abermals sehr oft mit großen Schwierigkeiten verbunden, ja nicht selten unmöglich ist. — Im Allgemeinen können wir für die Schmerzen in den äußern Theilen des Schädels etwa folgende Anhaltspunkte angeben. Bei Schmerzen in den Nerven der Kopfhaut (d. i. der nervöse, neuralgische Kopfhautschmerz) zieht derselbe entweder diesen Nerven entlang oder sitzt doch deutlich in einem solchen fest; Druck auf den leidenden Nerven vermehrt den Schmerz, ebenso bisweilen das Aufwärtsstreichen der Haare. Der Schmerz, welcher bald dumpfer, bald heftiger und dann reißend oder brennend u. s. w. ist, macht in der Regel Pausen und tritt sonach anfallsweise (intermittirend) ein; nicht selten befällt er blos die eine Kopfhälfte (wie die Migräne). — Der in den muskulösen (fleischigen) und sehnigen Theilen des Schädels befindliche Schmerz, von reißender, spannender oder zusammenziehender Beschaffenheit, wird durch Druck und Bewegungen (Kauen, Stirnrunzeln, Kopfnicken) vermehrt und ist dem rheumatischen Schmerze vergleichbar. Bei den beiden genannten Kopfschmerzarten sind gewöhnlich Ruhe und Wärme die besten Linderungs- und Heilmittel. — Ist der Sitz des Schmerzes in der Knochenhaut oder den Knochen des Schädels, dann nimmt er fortwährend eine ganz bestimmte und meist kleine Stelle ein, ist bald dumpf und spannend, bald heftig bohrend, und wird durch Druck und Klopfen an die leidende Stelle verstärkt. Da die schmerzenden Knochen- und Knochenhautleiden, sowie deren Ursachen, sehr mannigfaltig sein können, so kommt auch der beste Arzt über diesen Kopfschmerz nicht gleich sicher in das Klare — Im Vorderhaupte befinden sich im Stirnknochen, dicht über der Nasenwurzel und den Augenbrauen, die Stirnhöhlen, welche in ununterbrochenem Zusammenhange mit der Nasenhöhle stehen und, wie diese, mit Schleimhaut ausgekleidet sind. Deshalb kann sich denn auch der Schnupfen (Nasenkatarrh) mit seinen Folgen leicht aus der Nase in die Stirnhöhlen erstrecken und Schmerz veranlassen. Dieser ist dann festsitzend in der Stirn, drückend, die Augen gleichsam aus ihren Höhlen drängend, sich nicht durch äußern Druck, wohl aber beim Bücken, Kopfschütteln u. dgl. steigernd. Die besten Dienste gegen denselben thuen Einziehungen und Einspritzungen warmer Dämpfe und Flüssigkeiten in die Nasen- und Stirnhöhle.

Die große Mehrzahl der Kopfschmerzen hat nun aber innerhalb der Schädelhöhle ihren Sitz und ist von krankhaften Zuständen der allerverschiedensten Art entweder des Gehirns oder der Hirnhäute abhängig. Den wahren Grund solcher innerer Schmerzen ausfindig zu machen, gelingt auch dem wissenschaftlichsten Arzte gewöhnlich nur schwer oder sehr oft auch gar nicht. Denn von der Stelle und der Beschaffenheit des Schmerzes läßt sich durchaus kein sicherer Schluß auf seine Ursache machen, weit eher noch mit Hülfe der begleitenden Störungen im ganzen Körper oder nur in der Hirn- und Hirnnerventhätigkeit. Im Allgemeinen ist der


  1. Man hat behauptet, daß wissenschaftliche Streite und auch der Streit über Homöopathie und Allopathie nicht vor das größere Publikum, sondern in wissenschaftliche Schriften gehörten. Dagegen ist aber zu erinnern, daß bei der Homöopathie, die ja von Personen jedes Standes und Geschlechtes ohne alle wissenschaftliche Vorbildung in kurzer Zeit erlernt wird, durchaus nicht von Wissenschaft die Rede sein kann, sondern blos von Täuschung und über diese ist nur das große Publikum aufzuklären, nicht aber durch die Wissenschaft längst aufgeklärte Mediciner.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_090.jpg&oldid=- (Version vom 30.7.2017)