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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

Indier und Egypter gesehen haben. Sie scheinen ihren Führer, der mit ihnen englisch spricht, vollkommen zu verstehen, wenngleich ihre Ausdrucksweise nur in unartikulirten und kurz herausgestoßenen Tönen besteht. Ihre Bewegungen sind rasch und heftig, ebenso ihre Gesten; sie nehmen nichts, sie reißen alles aus der Hand. Der Gesichtsausdruck des Mädchens ist klüger und angenehmer, als der des Knaben, dessen Blick etwas Klotzendes hat und dessen Augen übernatürlich groß sind, wie die Stirn auffallend zurückfliegend und eingedrückt. Beider Haar ist tief schwarz und vom schönsten natürlichen Glanze, die Ohrmuscheln sind feiner und ausgeprägter construirt, als die der kaukasischen Raçe.

Ein unparteiischer Sachverständiger, der übrigens die sogen. Azteken für ganz interessant und sehenswerth erklärt, ist der Meinung: daß dieselben junge „Blödsinnige“ in Folge ihres kleinen Schädels (Mikrocephalie) sind, die möglicherweise selbst künstlich dazu gemacht sein könnten, indem der Schädel gleich nach der Geburt an seinem Wachsthume gehindert wurde. Ob sie einem besondern Menschenstamm angehören oder Bastarde wilder oder zahmer Race sind, läßt sich, da man sie für abnorme Menschen halten muß, nicht bestimmen.

Der Buschmann und die Corana, beinahe nicht minder interessante Erscheinungen haben ein flaches, eingedrücktes Profil und einen sanften Ausdruck. Ihre Farbe, ist nicht so dunkel und kräftig, wie die der Azteken – mehr schmutzig-gelb, als olivenfarbig. Das Merkwürdigste an ihnen ist ihr Haupthaar, das nur theilweise den Schädel bedeckt und, der feinsten Wolle ähnelnd, sich in kleinen spiralförmigen Zöpfchen zeigt. Ihr Wuchs ist edel und ihre Bewegungen eben so ungezwungen wie graziös; kein erlernter, sondern natürlicher Anstand.

Obwohl noch Kinder, kann man sich bei ihrem Anblick kaum vorstellen, daß sie jenem wilden, räuberischen Stamme angehören, der die nördlichsten Gegenden des Caps der guten Hoffnung bewohnt; der, allerdings erst durch die grausamste Behandlung veranlaßt, in fortwährendem Kampfe mit den niederländischen Colonisten lebt. Die Buschmänner berauben auf nächtlichen Streifzügen die Meierhöfe, tödten ihre Feinde, flüchten wieder in die tiefsten, unzugänglichsten Wälder, bedienen sich vergifteter Pfeile, erlegen den Tiger, den Schakal, das Nashorn. Alle Thiere, von der Antilope bis zur Eidechse, vom Strauße bis zur Heuschrecke, ja selbst gebrannte Lederstücke dienen ihnen zur Nahrung. Sie sind listig, blutgierig, rachsüchtig, dulden alle Entbehrungen und besitzen ungewöhnliche Körperkräfte. So führen sie ein ungebändigtes Leben und sind nicht zu bewegen sich den civilisirten Hottentotten in den bebauten Gegenden anzuschließen. Ihr Kleid ist ein Schaffell, das als Mantel dient; um die Hüften schmiegt sich ein lederner Gürtel, manchmal mit Glasperlen geziert, an den Füßen tragen sie Sandalen von Rindshaut. Am Arme hängt ein Beutel mit Tabak und ein Rohr von Bein, das als Pfeife dient. Ihre Weiber theilen alle Gefahren, und werden oft grausam von ihnen behandelt. Unser junger Buschmann und die Corana scheinen Nichts mehr von der Wildheit ihrer Väter zu besitzen – Gefangenschaft, so mild auch diese hier sein mag und die Trennung vom Vaterlande haben wohl ein für allemal den Keim der Wildheit in ihnen erstickt; wir sehen zwar noch Kinder einer fremden Zone vor uns, aber ihr Wesen ist gebändigt, sanft und gutmüthig.




Gegen heilkünstelnde Laien.
Herr Arthur Lutze in Cöthen und Frau Graf in Schleiz.

Geheimmittel, populär-medizinische Schriften über gewisse Krankheiten und heilkünstelnde Laien bilden ein Kleeblatt, welches heutzutage zur Schande des Menschenverstandes, üppig wuchert und von Kranken leider nur zu gern gesucht wird. Daß Kranke bei der Behandlung mit Geheimmitteln und von Kurir-Laien, sowie bei Beobachtung der in populär-medicinischen Schriften gegebenen Verordnungen nicht selten gesund werden, ist durchaus kein Grund, jenes Kleeblatt nicht zu verdammen, denn jene Kranken sind nicht durch, sondern trotz dieser Behandlung wieder zur Gesundheit gelangt und konnten dabei recht leicht unverbesserlichen Schaden an ihrer Gesundheit nehmen. Man wolle doch niemals vergessen, daß unser Organismus von Natur so eingerichtet ist, daß Veränderungen in der Ernährung und Beschaffenheit der festen oder flüssigen Körperbestandtheile (d. s. die Krankheiten) solche Processe nach sich ziehen, durch welche jene Veränderungen entweder vollkommen, bald später bald langsamer gehoben werden (d.s. die Naturheilungsprocesse), oder welche wohl auch bleibende, mehr oder weniger beschwerliche Entartungen, ja selbst Absterben des erkrankten Theiles oder des ganzen Körpers veranlassen. Stets sind es die Naturheilungsprocesse, welche Kranken, die irgend eine Charlatanerie gegen ihr Leiden anwendeten, zur Gesundheit verhalfen, niemals jene Charlatanerien.

Fragt man, was mögen wohl Leidende, die mündlich oder schriftlich einen mit oder ohne Erlaubniß kurirenden Laien (wie: einen Magnetiseur, eine junge Somnambüle oder eine alte Bauersfrau, einen Schäfer oder Hufschmied, einen Abdecker und dergl. Leute) um ärztlichen Rath angingen, vorher ehe sie dies thaten, gedacht haben? – wenn sie nämlich wirklich denken – so kann man zur Ehre ihres Verstandes nur antworten: „Nichts!“ Denn hätte nur Einer von ihnen vernünftig gedacht und hätte sich nicht gedankenlos vom Strome abergläubischer Patienten fortreißen lassen, so hätte er doch sicherlich zuerst folgende Fragen an seinen Verstand gestellt und beantwortet: wie kommen wohl solche unwissenschaftliche Heilkünstler und gerade diese zum richtigen Erkennen der Krankheit (nicht selten ohne den Kranken gesehen und untersucht zu haben), welche dich heimsucht? Wie und warum sind sie wohl in den Besitz von Heilmitteln und Kräften gelangt, die sogar der Wissenschaft unbekannt und unzugänglich geblieben sein sollen? Wie ist es nur möglich, daß ein oder einige wenige Heilmittel, deren sich gewöhnlich die Kurir-Laien bedienen und die längst bekannt, sogar als unwirksam erkannt sind, so viele und verschiedenartige Krankheiten zu heben im Stande sind? Ohne alle Ueberlegung, und dies ist eben eine Gewissenlosigkeit, geben die meisten Kranken ihren Körper Charlatanen preis, ja lassen sich sogar lange Zeit von diesen an der Nase herumführen, ohne die Versprechungen und Verordnungen derselben satt zu bekommen, während sie ihrem Arzte doch nach kurzer Zeit schon mißtrauen. Und worauf beruht denn das große Vertrauen, was Charlatanen geschenkt wird? Theils aus der anscheinend glücklichen Behandlung von einigen Leidenden, die aber auch von selbst gesund geworden wären, theils auf erdichteten und erkauften Zeugnissen und Danksagungen Geheilter, welche in die Welt hinausposaunt werden, während die vielen mißglückten Kuren deshalb unbekannt bleiben, weil nichtgeheilte Kranke sich ihrer Charlatankur schämen und darüber schweigen.

Es ist übrigens ein sehr trauriges Zeichen unserer Zeit, daß in der Heilkunst Wundersucht, Aberglaube und Charlatanerie immer mehr zunehmen und ihr blödsinniges Haupt immer kecker erheben, denn es lehrt die Geschichte, daß wenn dies geschah, auch die wahre Bildung den Krebsgang ging. Um so trauriger ist diese Erscheinung aber, wenn medicinischer Aberglaube und Charlatanerie von Hochgestellten begünstigt, ja sogar sanctionirt werden. Denn abgesehen davon, daß dadurch bestehenden Gesetzen entgegen die Aerzte, welche doch viel Zeit und Geld auf die Erlernung ihrer Wissenschaft und auf die Erwerbung der Erlaubniß zum Practiciren verwenden mußten, benachtheiligt werden, so wird auch der Verdummung Thür und Thor geöffnet, sowie mancher arme Kranke unnützer Weise um sein Geld, wenn nicht gar um seine Gesundheit gebracht. So habe ich es auch immer für einen großen Widerspruch angesehen, wenn man auf der einen Seite große Summen Geldes auf die Errichtung und Unterhaltung medicinischer Lehranstalten verwendet, sowie Doctor- und Staatsexamina streng wissenschaftlich einrichtet, während man auf der andern Seite Aerzte duldet, die einer Heilmethode anhängen, welche ganz unwissenschaftlich und von Jedermann ohne alle Vorkenntnisse sehr bald zu erlernen, alle jenen kostspieligen Einrichtungen überflüssig macht, da jene Heilkunst ja nur im Aussuchen von Heilmitteln

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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 158. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_158.jpg&oldid=- (Version vom 9.5.2017)