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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

des Kapitäls zeigen sich die vordere und hintere Seite des Polsters durch ein Band in Gestalt einer Binde oder einer geflochtenen Schnur verbunden. – Der Architrav, minder hoch als der dorische, wird durch drei über einander etwas vortretende Theile gebildet, die manchmal durch feine Perlenschnüre mit einander verknüpft werden. Dem Friese fehlt die dorische Triglyphen- Eintheilung; er ist durchaus ungegliedert und deshalb für Skulpturschmuck geräumiger. Das Kranzgesims besteht hauptsächlich aus einer vortretenden Hängeplatte; das Giebeldreieck ist höher als beim dorischen Tempel. Mit dem Vorherrschen von Skulpturarbeiten tritt hier die malerische Ausstattung zurück.

Ionisches Kapitäl. Attische Basis. Ionische Basis.

c. Korinthischer Styl.

Dieser Styl ist eine Abart und Mischung des dorischen und jonischen. Die Gestalt des Schaftes und der Basis der höheren und schlankeren Säule ist im Wesentlichen der jonischen Säule entlehnt, nur ist die Basis mit Ornamenten versehen, und am Schafte ist der Abstand der 24 Kanäle größer. Vorzugsweise charakteristisch ist aber die Form des Kapitäls, an welchem sich eine weit freiere und reichere, pflanzenartige Gestaltung zeigt, und welches in der Folge die allgemeinste Verbreitung erfuhr. Ein Rundstab faßt oben die Kraft des Säulenschaftes zusammen und läßt das Kapitäl in der Gestalt eines geöffneten Blumenkelches emporsteigen; 8 Blätter des Akanthus (Bärenklau), die mit ihren Spitzen zierlich überschlagend sich nach außen biegen, bilden den untersten Kreis; aus den Zwischenräumen dieser Blätter erhebt sich eine 2te, ähnlich gestalten, oben höhere Blattreihe. Zwischen den obern Blättern steigt je ein Blumenstengel auf, welcher, von zarten Deckblättern eingefaßt, sich theilt, um mit dem einen schwächern Stengel (dem Schnörkel, Helix) sich nach der Mitte des Abakus emporzuwinden, während der andere zu einer kräftigen Volute anschwillt, die sich nach der Ecke des Abakus aufschwingt und dort schneckenartig umbiegt. So treffen auf den Ecken stets je zwei Voluten der benachbarten Kapitälseiten zusammen, wodurch der Uebergang aus dem Runden in’s Viereck vollkommen wird. Der oft reich ornamentirte Abakus ist an den Seiten nach seiner Mitte hin, wo eine Blume hervorknospt, eingezogen, während seine spitzwinklig zusammenstoßenden Ecken über dem Volutenpaar schräg abgeschnitten sind. – Das Gebälk des Architravs ist wie das des jonischen dreifach getheilt, nur reicher mit Perlen- und Eierstöcken geschmückt. Der Fries ist gleich dem jonischen eine nackte Fläche, zur Aufnahme von Bilderwerken bestimmt. Das Gesims wird noch durch Konsolen (Kragsteine) ausgezeichnet, vor deren zierlich geschwungene Unterseite ein Akanthusblatt sich legt. Die Bemalung der korinthischen Bauglieder scheint noch mäßiger als an den jonischen Formen gewesen zu sein.

Korinthisches Kapitäl.

Die ausgezeichnetsten Bauwerke aus den verschiedenen Epochen der griechischen Architektur, von denen einige noch auf unsere Zeit gekommen sind, zeugen, daß in der 1. und 2. Epoche der dorische Styl, in der 3. dagegen der jonische und später der korinthische vorherrschend waren. -– In der ersten Epoche waren berühmt : der um die Mitte des 6. Jahrhunderts aufgeführte große Tempel der Hera auf Samos, von welchem nur noch wenige Trümmer vorhanden sind; der Artemistempel zu Ephesus, der kolossalste aller griechischen Tempel und durch Herostratus vernichtet; der Apollotempel zu Delphi und der Zeustempel zu Athen. Die alterthümlichsten der erhaltenen Denkmäler gehören Sicilien und Unteritalien an; zu Selinus allein finden sich die Trümmer von 6 Tempeln; auch zu Agrigent liegen Ueberreste mehrerer bedeutender Tempel; in Unteritalien sind die Ruinen von Pästum (der Poseidontempel die bedeutendsten. Im eigentlichen Griechenland sind nur wenig Denkmäler erhalten; die bekanntesten sind: ein Tempel zu Korinth, wahrscheinlich der Pallas heilig; der Pallastempel zu Aegina und der Nemesistempel zu RhamnusAus der zweiten Epoche, in welcher der dorische in den jonischen Styl überzugehen anfing, besitzen wir ebenfalls großartige Monumente der Baukunst, wie: den Parthenon zu Athen, der Pallas Athene geweiht; der Theseustempel zu Athen; das Prachtthor der Propyläen; der kleine Tempel der Nike Apteros (der ungeflügelten Siegesgöttin); das Erechtheum (oder Pandroseion), ein Tempel der Pallas Polias; der Tempel zu Rhamnus (der Nemesis), zu Bassä (des Apollo Epikurios), zu Olympia (des Zeus). – Aus der dritten Epoche, in welcher der dorische Styl fast ganz in Vergessenheit kam, und der Tempelbau gegen die Prachtpaläste, Denkmäler und Privatgebäude bedeutend zurücktritt, stammen: der Tempel der Athena Alea zu Tegea, der Zeustempel zu Nemea, die äußeren Propyläen zu Eleusis, der Dianentempel zu Eleusis, der Cerestempel zu Pästum, der Athenetempel zu Priene, Apollotempel zu Milet, Zeustempel zu Athen, das Monument des Lysikrates und Thrasyllos, der Thurm der Winde (Horologium) zu Athen. (Ausführlicheres über die griechische Architektur, in angenehmer Kürze, findet man in „Lübke’s Geschichte der Architektur.“)

(Fortsetzung folgt.)




Blätter und Blüthen.

Iffland und Haydn. Unter dem Titel: „Erinnerungen eines weimarischen Veteranen,“ hat der Theaterdirector Schmidt in Brünn so eben ein Büchlein erscheinen lassen, das seine persönlichen Erlebnisse mit den Heroen Weimars und Jena’s erzählt. Schiller, Goethe, Herder, Wieland , de Wette, A. W. Schlegel, L. Tieck etc. spielen darin eine Rolle. Die zweite Abtheilung enthält Mittheilungen aus seinem Theaterleben und auch darin treten die ersten Kunstgrößen der Vergangenheit, wie Iffland, Haydn, Hummel, Fürst Esterhazy in Eisenstadt, Zelter, Clemens Brentano etc. auf. Interessant ist eine bis jetzt noch ungedruckte Skizze Iffland’s: Ein Besuch bei Haydn, welche der Veteran mittheilt und die wir auszugsweise unsern Lesern hier wiedergeben.

Haydn wohnte damals (1807) in seinem kleinen Häuschen in Gumpendorf bei Wien, das er seines hohen Alters und seiner immerwährenden Kränklichkeit wegen fast niemals mehr verließ. Der Veteran begleitete Iffland, der später diese Erinnerung niederschrieb und sie seinem Freunde Schmidt zur Durchsicht übersandte, hinaus nach Gumpendorf. Iffland erzählt:

„Der Herr sei daheim, sagt die Magd, wir möchten nur oben etwas verziehen,“

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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 174. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_174.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)