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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

sie für Sophie Saller halte. Ist sie es nicht, so haben beide Personen eine wunderbare Ähnlichkeit.“

„Deine Mündel ist eine mir gefährliche Person, Franz!“

„Fürchte nichts, Henriette; für mich ist meine Gattin das schönste Weib auf der Erde. Mein Interesse für jene Dame ist ein rein geschäftliches. Ich verwalte ja ihr Vermögen.“

Beide Gatten drückten sich zärtlich die Hände wie Liebende, die sich zum ersten Male ein Geständniß gemacht haben. Franz war glücklich, das Gefühl der Eifersucht in seiner Frau, die er anbetete, rege zu finden. Kaum hatte er das reizende Weib nach dem Tanze auf ihren Platz geleitet, als der blonde Elegant, dem Henriette den Tanz versagt, sich ihm näherte, und ihn um eine kurze Unterredung bat. Beide traten in ein Nebenzimmer.

„Sie kennen mich, Herr Soltau?“

„Wenn ich nicht irre, so giebt mir der Herr Advokat Eberhardi die Ehre –“

„Ganz recht, Eberhardi ist mein Name.“

„Und worin kann ich dienen, Herr Advokat?“

„Sie sind Banquier, ich brauche Geld – vielleicht können wir ein Geschäft machen. Der Ballsaal ist zwar nicht die Börse, aber ich möchte die heutige Gelegenheit benutzen, um zu erfahren, ob Sie geneigt sind, mit mir in Verbindung zu treten.“

„Es kommt auf die Natur der Geschäfte an, die Sie mir proponiren werden.“

„Das heißt, auf die Bürgschaft, die ich zu stellen vermag? O, die Sache ist einfach und kurz. Ich glaube, Diamanten haben einen größern Werth als Papiere.“

Soltau sah lächelnd den jungen Mann an.

„Mein Herr, ich bin der Chef eines soliden Bankhauses, und nicht eines credit mobilier oder einer Leihanstalt. Wenn Ihre Diamanten gut und echt sind, so kann es Ihnen nicht schwer werden –“

Verzeihung, der Werth solcher Dinge ist imaginär, die Anschauung des Liebhabers erhöht ihn. Jeder Andere, außer Ihnen, würde mir auf mein Pfand eine sehr geringe Summe bieten. Ich kann mich nur an Kenner wenden – –“

„Glauben Sie denn, daß ich Kenner bin?“ rief Soltau lachend.

Der Advokat zeigte dem Banquier einen Ring, dessen Diamanten er im Kerzenlichte spielen ließ.

„Vielleicht für dieses Kleinod?“ fragte er mit einem höhnenden Lächeln. „Sehen Sie sich ihn näher an, und machen Sie Ihr Gebot.“

Dann drückte er ihm den Ring in die Hand. In diesem Augenblicke trat der schwarz gekleidete Herr, der Miß Belling zu Tische geführt hatte, hastig den beiden Männern näher; aber er kam dennoch zu spät, um zu verhindern, daß der Ring aus der Hand des Advokaten in die des Banquiers überging.

„Mein Herr, Sie sind ein Schurke!“ zischte er Eberhardi in das Ohr. „Und Sie, Herr Soltau, zweifeln Sie nicht an der Schurkerei dieses Elenden, dem kein Mittel zu schlecht ist, um Geld zu erpressen. Genügt Ihnen meine Versicherung nicht, die Versicherung eines Unbekannten, so urtheilen Sie nicht vorschnell, man wird Ihnen Beweise liefern.“

Nachdem er dem erbleichenden Advokaten einen furchtbaren Blick zugeschleudert, verließ er hastig das Zimmer, in dem sich zufällig keine andern Gäste befanden. Soltau war überrascht einige Schritte zurückgetreten, den Ring in der Hand haltend. Seine Ueberraschung ging in Bestürzung über, als er einen Blick auf das flimmernde Juwel warf: er erkannte den Ring, den er am letzten Geburtstage seiner Frau geschenkt hatte. Er glaubte zu träumen – um sich zu vergewissern, trat er einer Kerze näher: auf der von Steinen umgebenen Platte standen die Buchstaben F. S. Der Ring war nach seiner eigenen Zeichnung von dem Juwelier verfertigt, es konnte also kein Zweifel obwalten. Er wollte sich zu dem Advokaten wenden – der junge Mann war verschwunden.

„Was ist das? Was ist das?“ fragte er sich. „O der Unbekannte hat Recht, er muß Recht haben: Henriette hat diesen Ring verloren, der Advokat hat ihn gefunden, und sucht einen möglichst hohen Finderlohn zu erhalten. Wie aber hat der Fremde diesen Schlich erfahren? Warum war er so erbittert auf den Advokaten?“

Er ging einige Augenblicke durch das Zimmer, um seine Fassung wiederzuerlangen, dann trat er in den Saal. Eberhardi ging rasch an ihm vorüber. Der Banquier eilte ihm nach. In dem Vorsaal traf er den Advokaten, der seinen Mantel und Hut genommen hatte.

„Mein Herr, wenn ich den Worten des Fremden nicht glauben soll, so geben Sie mir Aufklärung! Es ist Ihre Pflicht, daß Sie mir sagen, wie dieser Ring in Ihre Hand gekommen.“

Indem der Advokat sich in seinen Pelzmantel hüllte, gab er kalt zur Antwort:

„Ich habe das Eigenthum, das mir nicht gebührt, zurückgegeben – das Uebrige ist die Sache Ihrer Frau. Was die mir zugefügte Beleidigung anbetrifft, so werde ich meine Maßregeln zu ergreifen wissen.“

„Wo ist der Fremde?“

„Wenden Sie sich an Madame Soltau; sie ist ohne Zweifel besser unterrichtet, als ich!“

Der Advokat grüßte flüchtig, verließ den Vorsaal, und eilte die Treppe hinab. Auf der Straße bestieg er einen der Fiaker, die sich vor dem Hause des Schiffsrheders in langer Reihe aufgestellt hatten.

Der arme Banquier lernte zum ersten Male die Qualen der Eifersucht kennen, dieser gräßlichen Leidenschaft, die Alles in den schwärzesten Farben malt. Er suchte sich zwar zu überreden, daß eine so schöne Frau wie Henriette nicht ohne Anfechtung bleiben könne, und daß diese ganze Intrigue ohne ihr Vorwissen eingeleitet sein könne; aber der Funke des Argwohns war einmal entzündet, und er ließ sich nicht sofort wieder löschen. Franz besaß zu viel Takt, und er liebte zu aufrichtig, als daß er seine Gattin durch die Aeußerung eines Verdachtes kränken sollte, den aller Wahrscheinlichkeit nach zufällig entstandene Verhältnisse angeregt hatten. Wie er ihr die vor einigen Jahren erlittene Verleumdung verschwiegen, so nahm er sich vor, auch den Vorfall dieses Abends so lange geheim zu halten, bis sich ihm durch sorgfältiges Forschen eine Begründung bieten würde. Und dies konnte ihm ja nicht schwer werden, da er im Besitze des verhängnißvollen Ringes war. Anscheinend ruhig durchstreifte er nun die Säle, um den Unbekannten aufzusuchen. Weder er, noch Miß Belling und ihre Begleiterin waren zu sehen. Als er durch das Zimmer kam, in dem sich die Familie des Hausherrn befand, trat ihm Henriette entgegen.

„Franz, Du bist so blaß,“ sagte sie besorgt. „Dein Aussehen fiel mir auf, als Du eintratest; bist Du krank geworden?“ fragte sie mit zärtlicher Aengstlichkeit.

„Mir ist wirklich nicht recht wohl; der Wein und das Ballgewühl –“

„So fahren wir nach Hause, Franz!“ unterbrach sie ihn rasch. „Du weißt ja, daß ich nur Deinetwegen diese Festlichkeit besuche. Auch ist es zwei Uhr vorüber,“ fügte sie hinzu, indem sie nach der Pendule auf dem Kamine sah – „unser Wagen muß angekommen sein.“

„Gut, so fahren wir nach Hause!“

Soltau ließ sich durch einen Diener nach seinem Wagen erkundigen. Er war angekommen. Trotz des Zuredens zu bleiben, verließen die beiden Gatten die Gesellschaft. Sie hüllten sich in ihre Pelze, bestiegen den bequemen Wagen und fuhren ab.

(Fortsetzung folgt.)




Ein Besuch in Goethe’s Wohnhaus zu Weimar.

Ich hatte geraume Zeit vorher alle meine freie Zeit benützt, um Goethe’s Leben und Werke mit offenen freudigen Sinnen wieder einmal zu genießen und kam nun, voll dieses Hochgenusses, den Schauplatz eines so großen Meisterlebens und Wirkens mit verehrendem Auge zu sehen.

Es dunkelte schon stark, als ich Weimar erreichte; nichts destoweniger

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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 212. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_212.jpg&oldid=- (Version vom 19.2.2017)