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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

Basken, die sich hernach während der dissolving views in Civil unter das Publikum mischten. Ich bekam den riesigen Basken in meiner Nähe stark in den Verdacht, daß er weniger ein Baske, als ein Berliner oder Bunzlauer sei. Ein zweiter baskischer Riese, der sich zu ihm stellte, erinnerte mich unwillkürlich an das frankfurter Viertel in Berlin, and als sie gar zusammen Deutsch sprachen, fragte ich ihn ohne Weiteres, ob wir uns in diesem Leben nicht schon vor dem cotbusser Thore in der Nähe der Hasenheide in Berlin begegnet wären. Freilich! Was half das Läugnen? Kurz, die berühmten baskischen Spanier erwiesen sich alle als Deutsche; blos die Dame ist eine Französin, aber eine deutsche Französin aus dem Elsaß. Sie machen als Spanier mit ihren frischen, kräftigen Stimmen und den deutschen Volksmelodien beispiellos brillante Geschäfte im Panoptikon. Ich verdenke ihnen das spanische Nationalkostüm nicht, da die Deutschen keins haben, und selbst die Uniformen, woran man das höhere Deutschland erkennt, an jeder Grenze sich in ein paar Dutzend uniformirten Ständen nach allen Richtungen des Regenbogens und der Zuschneidescheere verlieren.

Aus dem Panoptikon ist es nicht weit nach den beiden größten deutschen Buchhandlungen Londons, D. Nutt und Williams und Norgate. Ersterer hat seine Diener und Arbeiter und Arbeitsstunden erweitern müssen, um die sich von Tage zu Tage steigernde Arbeit, das Bedürfniß der deutschen Literatur in England zu befriedigen, einigermaßen zu bewältigen. Doch können Arbeiter und Diener nicht so schnell eingelernt werden, als das Geschäft mit sich bringt, so daß man das ganze große Haus fortwährend in Aufregung übertriebener Arbeit findet. Williams und Norgate haben ihre beschränkte Räumlichkeit zu einem großen Hause mit einer weiter Buchhalle vergrößern müssen.

Von älteren, neuern und neuesten deutschen Vereinen in London kann ich gar nicht reden, da ich jeden Augenblick von andern und noch neueren höre. Im Westend, in der City, im Ostende, überall deutsche Vereine und Kneipen. Ich will im Mittelpunkte stehen bleiben, bei Kerb in Cliffords-Inn-Passage, Fleetstreet bei Temple bar, wo seit einigen Wochen sich jeden Sonnabend eine „deutsche Discussions-Gesellschaft“ versammelt, bestehend aus Literaten, Kaufleuten, Künstlern, Mechanikern u. s. w. mit stets frischem Zuwachs, da Jeder, der hinkommt, sofort Mitglied ist und es bleibt, bis er wieder fortgeht. Diese Liberalität verdankt die Gesellschaft den englischen Discussions-Clubs. Deutsche Vereine, als solche, haben immer gern etwas Staatspolizeiliches und machen die Mitgliedschaft von Paragraph So und So abhängig (die eigentliche Staatspolizei kann sie dieser Concurrenzmacherei wegen auch nicht leiden). Ich will dieses jüngste Produkt des gesteigerten deutschen Lebensgefühls in London noch nicht schildern, es ist eben noch zu jung. Aber auf eine charakteristische Erfahrung, die ich darin gemacht, muß ich aufmerksam machen. Es trat in den bisherigen Discussionen kein politischer Parteistandpunkt hervor. Demokraten, Aristokraten, Republikaner, Constitutionalisten, Monarchisten – Alles todt! nichts wie eine politische und eine volkswirthschaftliche Partei, Politiker und Naturalisten. Erstere machen das Heil der Welt noch von politischen und diplomatischen Künsten abhängig, letztere behaupten, daß diese Künste der Natur- und Kulturnothwendigkeit gegenüber immer bedeutungsloser werden und die Macht über den Gang der Weltgeschichte auf Eisenbahnen und Dampfschiffen, in Waarenballen und an elektrischen Drähten bereits verloren haben. Der Gegensatz zwischen den Politikern und Naturalisten ist ein sehr lebendiger und interessanter, und giebt mehr Bürgschaft für das Gedeihen der deutschen Discussionsgesellschaft, als wenn sich blos politische Parteien etwa über die beste Form der Freiheit, über die Pflicht der Friedens-Konferenzen oder eines europäischen Kongresses (falls er zu Stande käme) und dergleichen in die Haare fielen.

Auch von deutschen Zeitungen und Zeitschriften in London ist die Rede. Die großen deutschen Buchhändler gehen mit einem Plane zu einer deutschen Monatsschrift um. In andern Kreisen arbeitet man an einer wöchentlich erscheinenden deutschen Zeitung. Die beste Bürgschaft für eine deutsche Presse in London sind zwei wöchentlich erscheinende deutsche Blätter, welche im Ganzen so miserabel sind, daß sich deren Bestehen nur durch das dringende Bedürfniß, daß überhaupt etwas Deutsches geboten werde, erklären läßt.

Hier mag es bemerkenswerth erscheinen, daß sich auch in einem wohlfeilen englischen Zeitungs-Organe, dem täglich zwei Mal in einem großen Folio-Bogen erscheinenden „Morgen- und Abendstern“ („Morning Star[WS 1] und „Evening Star“) ein deutsches Element geltend macht. Die Redaction des ausländischen Theils mit Original-Correspondenzen ist einem deutschen Literaten übergeben worden.

Von der steigenden Bedeutung des industriellen und merkantilen deutschen Elements in London ließe sich viel sagen. Vielleicht berichtet darüber eine kundigere Feder. Ich erwähne nur, daß mir neulich ein englischer City-Kaufmann selbst nachwies, daß die reichsten und bedeutendsten Kaufleute im Mittelpunkte des Welthandels, der City von London, Deutsche seien und englische Firmen nur als Compagnien, nicht als einzelne Geschäftsleute, größer seien.

Politische Leute und Zeitungen kitzeln sich und Andere mit der Vorstellung, daß Diplomaten in Paris den holden Frieden zwischen Osten und Westen wieder hergestellt hätten oder wenigstens dieses Kunststück noch fertig kriegen würden. Das ist politische Schwärmerei, an der kein wahres Wort ist. Der Friede zwischen Osten und Westen kann nur durch Deutschland hergestellt werden und wird fortwährend hergestellt durch den steigenden Einfluß der deutschen Kultur und Bevölkerung in England und Rußland. In beiden Ländern reicht sie bereits vom Throne durch alle Kulturphasen hindurch bis herab zum Schuster und Schneider. Deutschland vertritt bereits persönlich in aller Welt den Zusammenhang der Kultur, die Gemeinsamkeit der Völker-Interessen, und wird thatsächlich einmal den ewigen Frieden herstellen und verbürgen.




Blätter und Blüthen.

Gute Antwort. Als der Minister von Herzberg den Statistiker, damals hessischen Professor Dohm zu Kassel, in den preußischen Dienst ziehen wollte, und ihm die erste Audienz vor Friedrich dem Großen verschaffte, warnte er ihn, sich nicht durch die durchdringenden Blicke oder durch auffallende Fragen des Monarchen aus der Fassung bringen zu lassen. Die erste, die dieser that, lautete so: „Sag’ Er mir ’mal, wo fängt die Geschichte an?“ Wie auf den Blitz der Donner, erfolgte die Antwort des besonnenen Gelehrten: „Da, wo die Fabel aufhört!“ Er hatte bei Friedrich sein Glück begründet und trat als geheimer Finanzrath in nähere Berührung mit seinem Protector. Wie viel der König, der Staat und die Wissenschaft dadurch gewann, lehrte die Folge.




Der unschuldige Dieb. Wegen Börsendiebstahls angeklagt stand neulich ein unschuldiger Junge vor dem Magistratsgericht zu London. Sein Vertheidiger rettete ihn durch Nachweis, daß der Kläger nicht darauf schwören konnte, er habe die Börse auch wirklich eingesteckt, als er sein Haus verließ. „Ich selbst,“ so schloß er seine Vertheidigung, „dachte, als ich heute früh mein Haus in Russel-Square Nr. So und So verließ, meine Uhr eingesteckt zu haben; doch besann ich mich nachher und weiß gewiß, daß ich sie in meinem Schlafzimmer auf der rechten Seite habe hängen lassen.“ Jetzt entstand Unordnung und Lärm unter den Zuhörern und der Richter rief „Ordnung.“ Eine Viertelstunde nach diesen Worten fuhr eine Droschke im vollen Carrière vor dem Hause des Vertheidigers in Russel Square vor. Ein junger Herr sprang heraus, klopfte wüthend, und verlangte im Namen des Herrn rasch die goldene Uhr von der rechten Seite seines Schlafzimmers. Das Dienstmädchen gehorchte eiligst, und der junge Herr ging eiligst mit der Uhr davon. Er begegnete noch einer zweiten Droschke, aus welcher ebenfalls ein junger Herr sprang, eiligst an demselben Hause klopfte und dieselbe Uhr forderte. „Ist schon geschickt worden,“ sagte das Dienstmädchen verwundert, bis eine dritte Droschke vorfuhr, aus welcher der freigesprochene Dieb sprang und dieselbe Uhr forderte. Jetzt ging dem Mädchen ein Licht auf; sie schrie: „Haltet den Dieb!“ Er wurde gehalten, war aber wieder unschuldig, da ihm, wie er hernach erfuhr, zwei seiner glücklicheren Collegen, die bei allen öffentlichen Verhandlungen wegen Diebstahls eifrige Zuhörer bilden, zuvor gekommen seien, obgleich er dem Droschkenführer doppeltes Fahrgeld versprochen habe.


Im Verlage von Ernst Keil in Leipzig erscheint seit Anfang vorigen Jahres:

Illustrirte Landwirthschaftliche Dorfzeitung.
Herausgegeben
unter Mitwirkung einer Gesellschaft praktischer Land-, Haus- und Forstwirthe
von Dr. William Löbe.
Wöchentlich ein ganzer Bogen mit vielen Illustrationen. – Preis vierteljährlich 1/3 Thaler.

Die Landwirthschaftliche Dorfzeitung erscheint jede Woche in einem ganzen Bogen größtes Octav auf feinstem Velinpapier mit vielen Abbildungen. Sie enthält größtentheils Originalmittheilungen über alle Zweige der Land- und Hauswirthschaft, der landwirtschaftlichen Gewerbe and Naturwissenschaften, Aufsätze belehrend-unterhaltenden Inhalts; Recensionen neu erschienener landwirthschaftlicher Schriften, eine sorgfältige Auswahl land- und hauswirthschaftlicher Neuigkeiten, ein sehr mannigfaltiges und interessantes Feuilleton und die Productenpreise. Die Landwirthschaftliche Dorfzeitung ist bei ihrer großen Reichhaltigkeit und Mannigfaltigkeit, bei ihrer glänzenden äußern Ausstattung und ihren zahlreichen Abbildungen die wohlfeilste landwirthschaftliche Zeitschrift, die sich selbst der weniger bemittelte Landwirth halten kann. Auch für Frauen bietet die landwirthschaftliche Dorfzeitung größtes Interesse.


Zur Beachtung!

Wiederholt ersuchen wir die Herren Mitarbeiter der Gartenlaube, alle Beiträge direkt an den Verleger, Hrn. Ernst Keil in Leipzig, einzusenden.

Die Redaktion der Gartenlaube. 

Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

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  1. Vorlage: Horning Star
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