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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

drücken; während die Kranken die Dienste des Arztes mit der größten Pünktlichkeit und Schnelligkeit, bei Tag und bei Nacht geleistet haben wollen, beeilen sie sich dagegen nach Rückkehr ihrer Gesundheit gar nicht mit ihrem Danke. Wehe nun aber dem Arzte, wenn während seiner Behandlung ein Kranker nicht gesundet, was soll er da nicht Alles versäumt und versehen haben, zumal wenn das Uebel später, in Folge der allmäligen Besserung durch die Naturheilungsprocesse, unter den Händen eines andern Heilkünstlern schwindet. Daß Charlatane für ihren Hokuspokus und ihre nichtsnutzigen Heilmittel noch vor der Behandlung und Heilung von Kranken tüchtig bezahlt sein wollen, findet man dagegen ganz natürlich, verliert auch nicht so leicht die Geduld beim wiederholten Zahlen und Warten, selbst wenn sich das Uebel nicht bessert. Ja es läßt sich behaupten, daß je blödsinniger und kostspieliger eine Charlatanerie ist, desto mehr Anklang findet sie beim Publikum. Und das wäre keine Schmach für unseren jetzigen Kulturzustand?

Bei so bewandten Umständen ist es wohl natürlich, daß Der, welcher ohne persönliche Vortheile dabei im Auge zu haben, seine Mitmenschen ihres leiblichen Wohles wegen aus den Fesseln der Unwissenheit und des Aberglaubens befreit zu sehen wünscht, nicht ruhig abwarten kann, bis jeder Einzelne erst durch Schaden klug gemacht wird, sondern sucht, so viel in seinen Kräften steht, durch Wort und Schrift zur Aufklärung der Menschheit beizutragen. Auch der Unterzeichnete hegt diesen Wunsch, und will durch seine ärztlichen Strafpredigten die Gesunden zur Vermeidung von Krankheiten, die Kranken zur Wiedererlangung ihrer Gesundheit auf naturgemäße Art, antreiben. Sollte dies nicht auf so zarte Art geschehen, wie man heutzutage aufzutreten pflegt, so möge dies der Leser mit dem Aerger entschuldigen, welchen der Verfasser täglich über die Dummheit der Menschen in Gesundheitsangelegenheiten zu verschlucken hat und mit dem alten Grundsätze: „Krebsschäden kurirt man nicht mit Rosenwasser.“

Bock. 




Pariser Bilder und Geschichten.
Der junge Dichter.

Herr Roger de Beauvoir wohnt in einem und demselben Hause mit einem Papierfabrikanten, dessen Familie aus einer Frau und zwei Kindern, einem Knaben von ungefähr fünfzehn Jahren und einem Mädchen von zehn Jahren besteht. Herr Beauvoir ist ein Schriftsteller von gewöhnlichem Talent und geringem Namen, der durch seinen Charakter sowohl als seine geordneten Verhältnisse eine recht angenehme Stellung in der literarischen Welt einnimmt und Verbindungen mit Berühmtheiten, wie A. Dumas, V. Hugo, Lamartine u. s. w. unterhält. Und in dem Hause, das er bewohnt, genießt er eines Rufes, dessen er sich in der ganzen übrigen Welt nicht zu erfreuen hat, was er lediglich dem Concierge und dessen Gemahlin verdankt, von welchen es alle Einwohner, die es interessirt und nicht interessirt, zu hören bekommen, daß Herr Beauvoir ein ausgezeichneter Mann der Feder sei, da er sonst wohl nicht von den ersten Notabilitäten Frankreichs Besuche erhielte; ein Argument, das für die Logik der meist von bürgerlichen Beschäftigungen in Anspruch genommenen Inwohner vollkommen genügend ist. Herr Beauvoir seinerseits nimmt nur wenig Antheil an seinen Nachbarn, deren Beruf und Streben von dem Seinigen so sehr abweicht, und bemerkt es kaum, daß er ihnen ein Gegenstand besonderer Aufmerksamkeit ist.

Eines Morgens pocht es an seine Thüre, und auf den üblichen Zuruf tritt der junge Sohn des Papierfabrikanten in die Stube des Schriftstellers. Er grüßt mit ehrfurchtsvoller Höflichkeit und sieht sich verlegen um, wie Jemand, der ein Anliegen vorzubringen hat und nicht weiß, wie er das anfangen soll. Herr Beauvoir hilft sogleich mit französischer Zuvorkommenheit seinem jungen Gaste aus der Bedrängniß.

„Womit kann ich Ihnen dienlich sein?“ fragt er sanft aufmunternd.

„O, Monsieur,“ sagt der Knabe; „ich weiß nicht, ob ich es wagen darf, Sie mit einer Angelegenheit, die bis jetzt nur mich betrifft, zu belästigen.“

„Immerhin, wenn Sie glauben, daß Ihnen die Mittheilung nützlich sein könnte.“

„Sie sind ein ausgezeichneter Schriftsteller.“

„Sie thun mir sehr viel Ehre an.“

„Ich weiß es. Herrn Janelot, der Concierge, der gewiß ein reifes Urtheil durch lange Erfahrung gewonnen, hörte ich sagen, daß Sie ein ausgezeichneter Mann in Ihrem Fache sein müßten, weil Sie sonst gewiß nicht Besuche von Männern mit Orden der Ehrenlegion, von Männern, die den Ruhm Frankreichs ausmachen, erhielten.“

„Das ist Alles recht gut und schmeichelhaft für mich,“ sagte Beauvoir. „Allein in was für einem Zusammenhange steht meine Fähigkeit mit Ihrem Begehren?“

„Sehen Sie, Monsieur, ich finde es so schön durch den Ausdruck von erhabenen Gedanken, von Gefühlen und Leidenschaften, Geld, Ehre und ein genußreiches Leben zu gewinnen.“ Bei diesen Worten glänzten die Augen des Knaben, und der Andere sah ihn mit großer Verwunderung an.

„Geld, Ehre und genußreiches Leben,“ wiederholte er. „Wie alt sind Sie, Monsieur?“

„Funfzehn und ein halb Jahr.“

„Und schon so reif, so fertig!“

„Nun, da ich Sie so theilnehmend sehe, habe ich den Muth, es vor Ihnen auszusprechen: sehen Sie, Monsieur, ich habe mich in einer literarischen Arbeit versucht.“

„So!“

„Und ich würde mich glücklich schätzen, wenn ich sie Ihnen zur Beurtheilung vorlegen dürfte;“ und bei diesen Worten zog der Knabe mit einer krampfhaften Hast ein Manuskript aus der Tasche.

„Geben Sie, ich will es recht gern lesen und Ihnen meine Meinung darüber aufrichtig sagen.“

„Wann darf ich mir die Antwort holen?“

„Kommen Sie gefälligst Morgen früh zur selben Stunde, wie heute.“

Der Knabe, dessen ganzes Wesen in der heftigsten Aufregung war, was sich durch ein Zittern der Glieder, durch eine gesteigerte Röthe der Wangen kund gab, verbeugte sich sehr tief und verließ die Stube des Schriftstellers. Und dieser las folgende Scenen, ohne Titel, von dem jungen Verfasser, die Herr Beauvoir einigen Freunden mitgetheilt, und ich ganz treu in’s Deutsche übertragen, mit Hinweglassung der Orthographiefehler, die sich in dem Manuscripte finden und die der Leser sich hinzudenken mag. Ueberhaupt bitte ich wohl zu beachten, daß ich in dieser Skizze keine Erfindung gebe, sondern leider nur die volle Wahrheit.

Erster Akt.

Die Bühne bietet den Anblick eines Parks, rechts und links zwei Statuen; im Hintergrunde mehrere Bäume und ein Wasserfall. – Beim Aufziehen des Vorhanges sieht man einige Edelleute sich ergehen, von denen einer auf der Vorderseite stehen bleibt und sagt: Sie wissen, meine Herren, daß wir bald das Fest unseres Königs feiern werden? Wie wäre es denn, wenn wir diesen Tag in einem Spielhaus verbrächten, um recht lustig zu sein, wie wir es gewöhnlich thun?

Alle Edelleute antworten: Ja wohl, ja wohl!

Graf St. Ernest. Also Morgen im Spielhause des Grafen von Saimpter.

(Die Edelleute entfernen sich. St. Ernest giebt Einem von ihnen ein Zeichen, daß er bleibe, um mit ihm zu sprechen.)

St. Ernest. Guten Abend, mein lieber Graf Monizelle.

Monizelle. Guten Abend, mein lieber Graf St. Ernest. Zu welchem Behufe rufen Sie mich?

St. Ernest. Ich war es, welcher das Fest angekündigt, das Morgen stattfinden wird.

Monizelle. Nun denn, Du erblassest, was hast Du denn? Ist Dir etwas zugestoßen?

St. Ernest. Ich habe nichts – wenn ich aber etwas hätte, säße ich nicht so niedergeschlagen auf dieser Bank.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 280. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_280.jpg&oldid=- (Version vom 9.5.2017)