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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

ein neues Stück Papier nehmen, was recht gut gespart werden konnte. Du bist sehr unbedachtsam, lieber Peter.“

Die Tante lächelte beifällig; Barbara bekreuzte sich und Peter schaute darein, wie der Hammel durch die Stallthür. Johanna hatte unterdessen die Quittung geschrieben und sie der Tante zur Unterschrift darreichend, sagte sie: „Er hat ziemlich gut gewirthschaftet, aber perfekt ist er doch nicht. Wenn es erlaubt ist, mache ich ihn darauf aufmerksam, wo noch hier und da hätte gespart und ein höherer Ertrag erzielt werden können.“

Und nun fing sie an, das Licht ihrer ökonomischen Weisheit leuchten zu lassen, daß die Gesichter der beiden alten geizigen Weiber vor Freude wiederstrahlten und dem Peter grün und gelb vor Augen wurde. Als darauf die Tante das aufgezählte Pachtgeld einstrich und Johanna ihr einen Plan vorlegte, aus welchem sie bewies, wie der Pachtzins in kurzer Zeit zu verdoppeln sei, brach Jene gerührt in die Worte aus: „Du bist ein braves Kind!“ und schloß sie in ihre Arme.

Da hielt es den Peter nicht länger auf dem Stuhl. Er sprang auf und fragte sich: „Bin ich verrückt oder sind sie es?“

Johanna hatte der Tante die Hand geküßt und sagte: „Erlauben Sie es mir, so verlasse ich Sie jetzt und gehe meinem Berufe nach, so sauer es mir auch ankommt.“

„Ja, mein Kind,“ entgegnete Tante Emerentia. „Thue, was Dein Herz Dir zu thun befiehlt. Geh’ zu dem ergrauten Sünder und sprich ihm in’s Gewissen, damit er nach und nach dem weltlichen Tand entsage. Wenn Du das endlich zu Stande bringst, hast Du Dir einen ganz besonderen Platz im Himmel verdient.“

Sie begleitete sie mit den Augen bis über die Schwelle und sagte dann, zu dem Neffen gewendet:

„Mein Triumph ist, daß ich das Mädchen in das Haus meines Bruders gebracht habe. Sie hat Gnade vor seinen Augen gefunden, und es wird ihr über kurz oder lang gelingen, ihn vollständig zu bekehren. Dann soll große Freude in meinem Hause sein und ich will –“

Barbara schaute bedenklich darein, denn sie glaubte, ihre Herrin werde in der Herzensfreude allerlei leichtfertige Versprechungen machen. Aber, wenn sie es auch gewollt, sie kam nicht dazu, denn Peter unterbrach sie mit der hastigen Frage:

„Wie gefällt Ihnen meine Braut?“

„Ausnehmend, mein Söhnchen. Aber gegen die Heirath habe ich ein Bedenken, denn die Johanna ist für Dich viel zu gut. Mit dem Bescheid kannst Du Dich trollen.“

Peter war zum Hause hinaus, er wußte nicht wie. Aber auch draußen fand er nirgend Ruhe; ebenso wenig in seinem Gasthause, noch bei diesem oder jenem Bekannten. Als es zu dämmern begann, stand er, er wußte selbst nicht, wie er dahin gekommen, in der Stube der Muhme, die seine Herzensergüsse ruhig anhörte und dann sagte:

„Es ist gekommen, wie ich es mir dachte und ich es Euch sagte, als Ihr im vorigen Jahre in Kummer und Leid unterzugehen glaubtet. Der Mensch findet sich in Alles, und die Johanna, das muß ich sagen, hat sich ganz besonders zurecht gefunden. Wenn es mit der Pächterin einmal nicht mehr recht fort will, kannst Du Deine Zukünftige zuversichtlich auf das Theater schicken, sie wird Dir alle Ehre machen. Was aber sonst zu sagen wäre, das magst Du von ihr selbst hören, denn da kommt sie eben, und ich bin eine viel zu wohl erzogene Muhme, als daß ich Euere Vertraulichkeiten stören sollte.“

Peter hatte in den letzten beiden Tagen vieles Ungewöhnliche erlebt. Als er nun aber die Johanna vor sich sah, so blühend wie immer, aber in derselben Tracht, wie er sie daheim im Forsthause stets gesehen; als sie, ihn treuherzig grüßend, die Hand reichte und ihm einen herzigen Kuß gab, wie in früheren schöneren Tagen, da hatte er ganz den Kopf verloren und war in Gefahr, ihn nicht wieder zu finden.

„Setze Dich zu mir, lieber Peter; ich will Dir Alles sagen, und ich hoffe, Du wirst mit mir zufrieden sein.“

Das that Peter, und wie Johanna erzählte, fiel es ihm nach und nach wie Schuppen von den Augen. Die Muhme-Comödiantin als Lehrerin und das aufgeweckte Försterkind als Schülerin, der betrogene Onkel und die betrogene Tante tanzten an ihm vorüber. Er begriff Alles, und als Johanna endete, schloß er sie in seine Arme und rief jubelnd:

„Das danke ich Dir und werde zeitlebens darnach trachten, es Dir zu vergelten, Du liebe, herzige Johanna, Du!“

Sie hatten sich noch vieles zu erzählen, und als Peter endlich spät zu Hause anlangte, erließ er an Onkel Bastian und an Tante Emerentia ein feierliches Schreiben, worin er wiederholt um ihre Einwilligung zu seiner Heirath bat. Am andern Tage aber sprach er zur verabredeten Zeit zunächst bei der Tante ein, um selbst die Antwort zu holen, und fand seine Johanna bereits auf dem Schemel vor der Tante sitzend, und ihr aus einem erbaulichen Buche vorlesend. Mitten in dies fromme Werk aber platzte der Onkel Bastian herein und vor seine Schwester hintretend, sprach er in der polternden Weise, die er ihr gegenüber annahm:

„Schwester Emerentia!“

„Bruder Bastian?“

„Ich bin wieder daher gekommen.“

„Mitten in die Andacht, wie ein Heide.“

„Will aber das Christenthum predigen.“

„Predige! Ich höre.“

„In der Jungfer da habe ich mich geirrt.“

„Ich auch. Sie ist ein Schatz.“

„Eine Perle.“

„So häuslich, so wirthschaftlich.“

„So manierlich, so elegant.“

„So enthaltsam, so fromm.“

„So geistreich und witzig.“

„So demüthig und christlich.“

„So bezaubernd und bestrickend.“

„Ein Edelstein für das Haus.“

„Ein Diamant für die Gesellschaft.“

„Der Neffe wirbt um sie.“

„Wollen wir es zugeben?“

„Unbedenklich!“

„Schwester Emerentia!“

„Bruder Bastian?“

„Wir sind schon wieder einmal einig.“

„Es ist erstaunlich.“

Johanna und Peter ließen die beiden alten Leute nicht weiter reden. Sie zogen sie mit in ihre Umarmung, und es wurde in der stillen Stube der Tante Emerentia ungewöhnlich lebendig.

Als aber drei Monate später der Peter wieder in die Residenz kam; als er in dem Stübchen der Tante getraut war, und der Hochzeitsschmauß bei dem Onkel endete; als er mit seinem jungen Weibe zur Stadt hinaus und in die ländliche Einsamkeit hineinfuhr, sagte er, sie an sein Herz drückend:

„Du hast vortrefflich Comödie spielen gelernt; aber es wird mir doch lieb sein, wenn Du Dein Talent nicht weiter benutzest.“

„Sei ohne Sorgen,“ antwortete sie heiter. „Ich werde fortan nur auf einem einzigen Schauplatz auftreten und auch dort nur in der Rolle Deiner Geliebten.“




Die Umkehr.

Mit verdrießlichem Gesicht ging ein noch junger Bergmann eilig über den kleinen Marktplatz des Gebirgsstädtchens. Er hatte wohl auch, nach seiner Ansicht, alle Ursache, unwirsch darein zu sehen. Denn eben erst war er im Wirthshaus zum Sitzen gekommen und wollte seine Pfeife aus dem Kittel ziehen, um zu dampfen wie die Andern eben auch, da merkte er, daß er sie daheim gelassen. Und ohne Pfeife – das ging ja gar nicht! Darum sein eiliger Schritt über den Markt, um so schnell wie möglich nach dem Wirthshaus zurückzukehren, das ihm seit einiger Zeit doch gar so lieb und unentbehrlich geworden war.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 287. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_287.jpg&oldid=- (Version vom 9.5.2017)