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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

waldigen Höhen und saftigen, rauchenden Thälern. Mancher sucht mit seiner Familie auf längere oder kürzere Zeit in demselben da oder dort ein freundliches Asyl, und findet Erquickung für Körper und Geist in den duftigen Wäldern, und kehrt dann neu gestärkt für die Anstrengungen des Geschäftslebens in die Heimath zurück. Statt daß man früher ein Landhaus in der Nähe der Stadt miethete, zieht man jetzt auf vier bis sechs Wochen mit Kind und Kegel nach dem Thüringerwald, ja viele angesehene Geschäftsleute und Gelehrte aus weiter Ferne haben sich neuerdings dort angekauft, um mit jedem Sommer wiederzukehren. Viele Plätze sind im Laufe der Zeit beliebte Kurorte geworden, ohne vor andern doch eigentlich weiter kein Verdienst zu haben, als den der naturgemäßen Stärkung des Körpers durch eine kräftige Waldluft, frisches, erquickendes Quellwasser und heitern geselligen Verkehr.

Manchem Leser dieser Blätter, der den Thüringerwald bereits besuchte, wird es daher von Interesse sein, ein Bild von demselben zu sehen, auf dem er sich nach seinen gemachten Touren wiederfindet; mancher, dem dies noch nicht vergönnt war, wird gern den malerischen Höhenzug einmal verfolgen und von Sehnsucht nach ihm erfüllt werden, denn kein anderes deutsches Gebirge gewährt ein solch’ weithin sich dehnendes deutliches Bild, als unser Wald, besonders von dem Punkte aus, von dem derselbe in dieser Weise sichtbar ist. Jeder, der auf der thüringer Eisenbahn zwischen Gotha und dem Bahnhofe Fröttstedt (nach Eisenach zu), wenn der Zug den Einschnitt unter dem Leinecanal passirt ist, den Wald in dieser Ausdehnung schaut, ist überrascht und entzückt von seinem Anblick. Die Strecke, die man hier übersieht, dehnt sich von der Gegend von Ilmenau bis hinter Eisenach aus, in einer Entfernung von ungefähr sieben Meilen. Die Schönheit des Gebirgszugs von hier aus gesehen, wird dadurch mit bedingt, daß der König der thüringer Berge, der Inselsberg, beinahe in der Mitte der ganzen Kette liegt, so daß sich der Zug der andern fast symmetrisch von ihm nach beiden Seiten hin in den schönsten Wellenlinien abdacht.

Es kann nicht in unserer Absicht liegen, hier alle die Schönheiten zu schildern, welche das prächtige Gebirge in seinen Höhen und Wäldern verbirgt, wer aber nur einmal auf diesen Waldwegen gewandelt, nur acht Tage lang sich an diesen idyllischen Thälern und grünen Fernsichten gelabt, der wird sich stets und immer wieder zurücksehnen nach diesen Bergen, die eine so unwiderstehliche Macht auf das Gemüth ausüben. Dürfen wir rathen, so möchten wir allen Reisenden vorschlagen, von Eisenach aus bis Ilmenau und Rudolstadt oder auch umgekehrt, das Hauptgebirge, den eigentlichen Thüringerwald, zu durchwandern, es kann ihnen dann keine der reizenden Parthien entgehen. Von dem kahlen „Horseelenberge“ bei Eisenach aus, dem Aufenthalte der Frau Venus und des Ritters Tannhäuser, besteigt man die Wartburg, die Veste der thüringischen Landgrafen, die Burg Luther’s und des Sängerstreites, um durch das schöne Annenthal nach Schloß Wilhelmshöhe, die Ruhla, den hohen Inselsberg, vielleicht seitwärts das Bad Liebenstein, die Luthersbuche, unter der der große Reformator auf seiner gezwungenen Flucht ausruhte, Reinhardtsbrunn, Schnepfenthal, die Schweizerdörfer Taberz, Kaberz und Waltershausen, vielleicht mit einem kleinen Abstecher auch Gotha zu besuchen. Dann weiter nach Elgersburg, nach dem von Goethe so oft besuchten Ilmenau, von dort über die weltberühmte Ruine Paulinzelle nach dem eben so schönen wie hochromantischen Schwarzathale, dem wildesten Theile des thüringer Gebirges bis in’s lachende Saalthal hinein. Wir lassen dabei die vielen hochromantischen Städte, wie Blankenburg, Rudolstadt, Arnstadt etc. eben so unerwähnt, wie die vielen reizenden Gründe, Schlösser, Jagdhäuser und Bergrestaurationen, die sich überall den Blicken darbieten. Eine Reise durch das Hauptgebirge nimmt im Ganzen acht bis zehn Tage in Anspruch.

Wir konnten heute nur eine flüchtige Anregung geben, hoffen aber schon in nächster Zeit einige der schönsten Punkte in Abbildung und ausführlicher Schilderung unsern Lesern vorzuführen.




Vom Büchermarkte.

Ein Blatt, welches neben der angenehmen Unterhaltung auch nützliche Belehrung im Auge hat, wie die Gartenlaube, darf, ohne einen Vorwurf auf sich zu laden, nicht unterlassen, die Aufmerksamkeit seiner Leser auf den Büchermarkt zu lenken. Wir sind bisher leider nur in einzelnen Fällen dieser Obliegenheit nachgekommen, und wenn wir es jetzt zu einer regelmäßigen Pflichterfüllung machen wollen, so fühlen wir uns dazu durch folgende Erwägung veranlaßt, ja geradezu genöthigt.

Weil wir eben unserem Blatte eine wesentlich belehrende Richtung zu geben bestrebt gewesen sind, so glauben wir nicht zu irren, wenn wir den außerordentlich großen Erfolg desselben großentheils eben diesem Bestreben zuschreiben. Ohne auch nur entfernt im Stande zu sein, uns darüber einige sichere Kenntniß zu verschaffen, in welchen Schichten der Gesellschaft die Leser unserer jährlich hinausgesendeten 2,184,000 Blätter vorzugsweise zu suchen sind, so dürfen wir doch sicher annehmen, daß ein großer Theil derselben, gewiß sogar der größere, die Blätter mehr der Belehrung als der Unterhaltung wegen liest. Für Manche mag die Lektüre der Gartenlaube die einzige Quelle der unterhaltenden Belehrung sein, die Meisten jedoch werden sich auch nach andern Quellen umsehen, wobei wir vorauszusetzen wagen, daß dazu die Gartenlaube selbst dann und wann Anregung gegeben hat. Diesen gegenüber ist es namentlich, daß wir uns zu beurtheilenden Nachrichten vom Büchermarkte veranlaßt, ja verpflichtet fühlen. Namentlich auf dem Gebiete der Naturwissenschaft erscheint eine so große Fluth von Büchern, daß Derjenige, der aus dergleichen sogenannten „populären oder Volksschriften“ erst lernen will, der also noch kein sichtendes Urtheil haben kann, rathlos darüber sein muß, wonach er greifen und was er meiden soll. Wenn wir es hier nicht vermeiden wollten, uns selbst vorzugreifen, so würden wir an guten wie an schlechten Büchern leicht nachweisen können, wie außerordentlich groß das Verlangen des Volkes gerade nach naturwissenschaftlicher Belehrung ist. Dies Verlangen ist eine Macht geworden, gegen welche von einer dadurch sich bedroht glaubenden Seite eben so heftig als vergeblich angekämpft wird. Aber dieses Verlangen wird neben den berechtigten und von unlauteren Absichten freien Befriedigern desselben auch von der Unfähigkeit und von schnöder, vor geistigem Diebstahl nicht zurückschreckender Gewinnsucht ausgebeutet.

Wenn man bedenkt, daß das Geld, welches in zwei Jahren für die zehn Auflagen eines unbeschadet der zehn Auflagen dennoch schlechten Buches in den Seckel des Verfertigers und des Verlegers gewandert ist, gewiß zum großen Theil aus mühsam erworbenen Groschen des Arbeitern besteht, so ist es ein Vergehen an diesem, dazu länger zu schweigen. Darum wollen wir nicht länger schweigen. Wir eröffnen unsere Besprechungen mit einem Buche, welchem in kürzester Zeit ein neues von demselben Verfasser zu folgen droht. Herr Professor Dr. Burmeister in Halle hat uns den nachfolgenden Artikel überlassen, obgleich er für eine andere Zeitschrift bereits gesetzt war, indem er unserer Meinung beitrat, daß nur die Gartenlaube mit ihrer großen Verbreitung der rechte Platz dafür sei, solchen Büchern mit Erfolg entgegenzutreten.

Neuestes Werk von Zimmermann.

Unter dieser Ueberschrift findet man gegenwärtig in fast allen vielgelesenen Zeitungen eine Subscriptionsaufforderung der Verlagshandlung von G. Hempel in Berlin zu einem Werke, worin dem Publikum die Resultate der gesammten Naturwissenschaften in ihrer Anwendung auf das Leben verheißen werden. Der Verleger bezieht sich dabei auf die fast unglaublichen Erfolge seines Autors, dessen früheres Werk: „Die Wunder der Urwelt,“ in ein paar Jahren zehn Auflagen erlebt haben soll; er meint, daß eine so beifällig aufgenommene Leistung die beste Empfehlung für das neue Buch desselben Verfassers sein werde.

Die deutsche Nation hat das Recht, zu erwarten, daß man sie nicht zum Besten haben wolle; daß die berechtigten Beurtheiler ihr einen guten Rath geben werden, wenn sie sich in der Lage sieht, von Marktschreiern über’s Ohr gehauen, und von Gauklern hinters Licht geführt zu werden. Deshalb und weil mich die frühere Arbeit des Herrn Zimmermann vielfach angeht, halte ich mich verpflichtet, dem Publikum die Augen zu öffnen, so lange es noch Zeit ist, und ihm zu zeigen, was es etwa von diesem „Neuesten Werke Zimmermann’s“ zu erwarten habe, wenn es ebenso beschaffen ist, wie das frühere.

Wer ist Zimmermann[1], welcher sich auf dem Titel seines Buches: „Die Wunder der Urwelt,“ Dr. W. F. A. Zimmermann nennt? – fragt ein Naturforscher den andern; – kennen Sie etwa den Mann? – hat er sich anderweitig als Gelehrter oder Beobachter bekannt gemacht? – Das ich nicht wüßte, lautet die stete Antwort, mir ist die Person gänzlich unbekannt! – Sonderbar, und ein solcher Mann beschreibt die Wunder der Urwelt! –

Aber ein Gelehrter muß er doch sein, wie könnte er sonst ein so schwieriges Unternehmen beginnen, hört man einen nebenstehenden gutmüthigen Laien äußern; – ich habe sein Buch gelesen, und es hat mir im Ganzen gefallen. –

„Kein Wunder, daß es Ihnen gefallen hat,“ entgegnet der erste Frager; „das Meiste, und namentlich das Beste dessen, was darin steht, ist aus den Werken bekannter Gelehrten abgeschrieben; theils mit Namensnennung

  1. Vollmer, auch Morvell genannt; Verfasser schlechter Romane u. s. w. Anmerk. d. Red.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 310. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_310.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)