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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

wenigstens das schwefelgelbe Pulver, welches wir den Säuglingen in die wunden Hautstellen streuen, und was den Knaben, durch eine Lichtflamme geblasen, Gewalt über den Blitz giebt. Fig. 16 zeigt uns einen etwas verkleinerten Zweig der Lieferantin dieses Pulvers, des gemeinen Bärlapp, Lycopodium clavatum. Sie errathen, daß die Sporen dieses Pulver bilden. An einer Zweigspitze erhebt sich ein oben gabelig getheiltes Stämmchen, auf welchem 2 walzenrunde schuppige Fruchtkolben stehen, deren breite in eine lange Spitze ausgezogene Schuppen eine fast nierenähnlich aussehende in einem Querspalt aufspringende Kapsel decken (k''), in welcher die gerundet dreieckigen Sporen, mit einer netzgrubigen Schale bekleidet, (sp''') enthalten sind. Fast alle Bärlapp-Gewächse haben im ganzen Bau viel Aehnlichkeit mit recht großen Moosen, in deren Gesellschaft sie auch am Boden unserer Gebirgswälder wachsen.

Einst waren auch sie, eben so wie auch die Schachtelhalme, in der Zeit vor der Steinkohlenbildung ansehnliche Bäume, welche wahrscheinlich mehr als die echten Farrenkräuter zur Bildung der Steinkohlen beitrugen. Man findet in den Schieferthonschichten der Steinkohlenformation bis auf die zierliche Oberfläche der Rinde wohlerhaltene Abdrücke von mächtigen Stämmen, die artenreiche Gattung Lepidodendron bildend, welche man nach den noch daran haftenden Blättern und Fruchtständen mit Sicherheit für Bärlapp-Gewächse halten darf.

Diese drei Gruppen, die echten Farrenkräuter, die Schachtelhalme und die Bärlappgewächse, mit einer dritten, die wir übergehen, die sogenannten Rhizokarpeen oder Wasserfarren, bilden zusammen eine höhere Abtheilung der Sporen-Pflanzen, die man Gefäß-Sporenpflanzen nennt, weil ihr Inneres nicht wie bei den Flechten, Algen, Pilzen und Moosen, blos aus Zellen, sondern aus Zellen und Gefäßen zusammengesetzt ist.

Indem wir uns nun zu den Samen- oder Blüthenpflanzen wenden, treten wir aus einer schlichteren Formenwelt, in der allein die Moose und Farrenkräuter (in deren älterer umfassender Auffassung) eine höhere Entwicklung zeigten, in das bunteste Allerlei einer höher organisirten Welt. Wir erinnern uns noch an den schlichten Bau der meist blos einzelligen Sporen und ein Vergleich mit einer Bohne, Erbse oder Mandel macht es uns sofort klar, wie viel vollkommener und zusammengesetzter der Bau dieser Samen ist.

Fassen wir aber vorher den Bau einer Blüthe in deren vollkommenster Ausprägung in’s Auge, wie sie den meisten Blüthenpflanzen zukommt (F. 17). Die Figur stellt eine auseinandergelegte Blüthe dar. Wir unterscheiden daran (mit ein, zwei, drei, vier Sternchen bezeichnet) 4 Kreise von verschieden gebildeten Theilen: den äußersten Kreis der Kelchblätter (*) den Kelch bildend; den nächstfolgenden der Blumen- oder Kronenblätter (**) zusammen die Blumenkrone oder kurz Krone bildend; den Kreis der Staubgefäße (***), an denen wir den Staubfaden und den Staubbeutel, Anthere, mit dem Blüthenstaub, Pollen, unterscheiden, und den innersten Kreis, den der Pistille (****), an denen wir, wie bei den meisten Blüthenpflanzen, z. B. an einer Lilie (F. 22), den Fruchtknoten, den Griffel oder den Staubweg und die Narbe (an der Spitze) unterscheiden können. Alle diese vier verschiedenen Organe, welche der Zahl und Gestaltung nach in dem großen Reiche der Blüthenpflanzen bekanntlich die größte Manchfaltigkeit zeigen, sind als Blattgebilde zu betrachten, denn nicht nur, daß auch die Staubgefäße und Pistille sehr oft in ihrem Bau ihre Abstammung von Blättern verrathen, beweist auch der Umstand diese Verwandtschaft, daß bei sogenannten gefüllten Blumen diese Füllung auf Kosten der sich in Blumenblätter verwandelnden Staubgefäße und Pistille stattfindet. Eine gefüllte Levkoyblüthe zeigt dies sofort. Man nennt daher beide in einer streng wissenschaftlichen Ausdrucksweise Staubblätter und Fruchtblätter. Daß dann aus letzteren die Frucht und in dieser der Same entsteht, ist bekannt, und zwar ist die Frucht nur dann eine echte Frucht, wenn sie sich blos aus den Pistillen gebildet hat (z. B. die Kirsche); im andern Falle nennt man die Früchte Scheinfrüchte, wie z. B. bei dem Apfel, wo mit den 5 Pistillen der sogenannte Blüthenboden mitsammt dem Kelche sich zur Frucht umgestaltet hat.

Bei der bekannten großen Verschiedenartigkeit in der Ausbildung der Blüthen, – man denke an die schlichten Grasblüthen und an die Mohnblume oder Nelke – ist der Same ein viel zuverlässigeres Unterscheidungsmerkmal für die höhere Halbschied des Gewächsreichs, die wir auch deshalb fortan nur Samenpflanzen nennen wollen.

Legen wir eine Bohne (Fig. 18. a.) einige Zeit in Wasser, bis ihre weiße, braungelbe, blauschwarze oder gefleckte Samenschale aufgequollen und runzelig geworden ist, so können wir diese dann leicht entfernen und das Innere zerfällt leicht in zwei nur an einem Punkte (bei den Sternchen an Fig. 18. b) zusammenhängende gleiche Hälften. An der Verbindungsstelle erkennen wir, zwischen den beiden großen Hälften des Samens eingepreßt, den Keimling oder Embryo (Fig. 18. b.), aus welchem nach der Keimung sich die junge Pflanze entwickelt (Fig. 18. c.). Der Keimling zeigt sich zusammengesetzt aus dem sogenannten Federchen, aus welchem der oberirdische Stamm, der Stengel, hervorgeht, und dem Würzelchen, welches zu dem abwärtssteigenden Stamm, der Wurzel, wird (Fig. 18. b, und an c siehe f. u. w.). An der Bohne drückt sich auch äußerlich das Würzelchen, im gemeinen Leben vorzugsweise der Keim genannt, deutlich ab (Fig. 18. a.). Die beiden großen innern Hälften der Bohne, an der Erbse zwei vollkommene Halbkugeln, nennt man die Samenlappen oder Kotyledonen, und die große Mehrzahl der Samenpflanzen, deren Same stets zwei solche Samenlappen hat, nennt man deshalb zweisamenlappige Pflanzen, Dikotyledoneen. Anders ist es bei den Gräsern, den Zwiebelgewächsen und vielen andern Pflanzen. Wir betrachten daher neben der Bohne ein Weizenkorn (Fig. 19. a.), an welchem wir zunächst unten eine fast rautenförmige runzelige Stelle finden. Unter ihr finden wir auf einem Längsschnitt (Fig. 19. b.) den Keimling, der beim Keimen ebenfalls nach oben das Federchen und nach unten das Würzelchen sich entwickeln läßt (Fig. 19. c., f. w.). Der große, weiße Körper, der übrigens das Weizenkorn ausfüllt (b), ist jedoch nicht ein Samenlappen, sondern der mehlreiche Eiweißkörper. Der Samenlappen, deren wir hier allerdings blos einen haben, ist das äußerste blattartige Organ, welches an Fig. 19. c. das junge Pflänzchen umschließt. Pflanzen mit solchen Samen heißen Einsamenlappige, Monokotyledoneen.

Dies ist der Bau des echten Samens, an dem wir also den stets vorgebildeten Keimling leicht als das Wesentliche und zugleich auch erkennen, wie maßgebend der Unterschied ist, worauf die beiden großen Abtheilungen des Gewächsreichs, die Sporen- und die Samenpflanzen, gegründet sind. Wie die übrigen Theile dem sich entwickelnden Pflänzchen dienen, und wie vorher mit Hülfe des Blüthenstandes und der Pistille der Same entstanden ist, das werden wir später erfahren, wenn wir das Leben der Pflanze betrachten. Aufgabe unserer nächsten Unterhaltung ist es, die weitere Eintheilung der Samenpflanzen kennen zu lernen.




Land und Leute.

Nr. 5. Die Ruhl und die Rühler.
(Fortsetzung.)
Wie die Rühler Finken und die herrschaftlichen Jäger fingen. – Geschickte Steinwerfer. – Auf der Tränk- und Feldlock. – Was die Rühler Alles glauben. – Der Bieresel. – Vergrabene Schätze.

Wenn im Frühjahr die Schneelager in den Bergen zum größern Theil weggethaut, und die Finken wieder in’s Land gekommen waren, zur magern Fastenzeit, da kochten die Rühler zum Feierabend Vogelleim und schnitten die kleinen Ruthen, die mit dem klebrigen Leim beschmiert, in der Leimscheide Platz fanden, flochten Gärnchen und übten den Dußpfeifer, und so ausgerüstet gingen sie auf die lustige „Fastenlock“, eins ihrer liebsten Vergnügen, wobei die tollsten Possen getrieben wurden. Im Spätsommer dagegen begaben sie sich auf die „Tränk-“ oder „Feldlock.“ In der Fastenlock wurde zumeist das Gärnchen zum Fang der Vögel angewandt;

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 374. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_374.jpg&oldid=- (Version vom 13.12.2020)