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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

Hals und Aermel wie die Muster einer etruskischen Vase. Ein kurzer Rock mit langen, schmalen Streifen deckte Hüften, Oberkörper und Busen, ohne letztern einzuzwängen. Eine schwarze Schärpe schlang sich um die Taille. Schürze und ein längeres Unterkleid waren lustig und heiter gestickt. Haar, Hände und Hals glänzten im Schimmer kleiner Geldmünzen, Ringe und Perlen. Unter dem Busen trug sie zwei kleine, silberne Platten, wie Schilder mit eingetriebenen Figuren, alte Erbstücke. Ihr Mann, etwa 5 Jahre älter. d. h. 23, erschien schlank ohne dünn zu sein, groß ohne übermäßige Länge, mit dem feinsten Profil, beinahe knabenartig, obwohl mit einigem Flaum auf den Oberlippen. Auch er würde schön gewesen sein, wäre nicht das lange, schwarze Haar gar zu banditenmäßig auf den Schultern herumgeschlagen. Er trug eine Jacke und Fustanella, Sandalen, wollene Gamaschen, statt der prosaischen Strümpfe, eine Schärpe, von seiner Frau hübsch gestickt, einen Taillengürtel und einen Dolch mit Horngriff darin, eine unschuldige Volksbewaffnung, wie sie trotz aller Unfreiheit noch unangetastet geblieben, die nur gefährlich wird, wenn Räuber, die in Griechenland sehr Mode sind, sich gar zu unanständig aufdrängen. – Die Schönheit Griechenlands ist noch nicht gestorben, aber ihr Leben zwischen den Intriguen der europäischen Diplomatie und ihrem eigenen Schofer bedarf anderer Pflege, um zu gedeihen.




Ein Erquickungsapparat. Unter den mancherlei Annehmlichkeiten, mit denen Wissenschaft und Technik in neuerer Zeit unser häusliches Leben beschenkt haben, sind die künstlich bereiteten kohlensäurehaltigen Wässer gewiß eine der schätzenswerthesten. Sie bilden nicht nur ein angenehm erfrischendes, ganz unschädliches Getränk, sondern äußern in manchen Fällen selbst heilsame Wirkungen, und es fehlt nicht an Beispielen, daß lediglich durch fortgesetzten Gebrauch des kohlensauren Wassers eine zerrüttete Verdauung völlig wiederhergestellt wurde. Füllt man seinen Apparat statt des Wassers mit leichtem Wein, oder setzt dem Wasser eine der jetzt überall käuflichen Fruchtessenzen zu, so erhält man obendrein sehr wohlschmeckende Luxusgetränke, die bei manchen Gelegenheiten den echten und unechten Champagner ganz wohl vertreten können.

Der Gebrauch und die Selbstbereitung des kohlensauren Wassers, obwohl schon ziemlich verbreitet, könnte doch noch viel allgemeiner werden, wenn nicht die Herstellungskosten immer noch etwas zu hoch wären; denn nicht nur der Apparat will angeschafft sein, sondern auch die jetzt gebräuchliche Füllung erheischt noch so manchen Groschen. In dieser letztern Beziehung ist nun aber eine bedeutende Ersparniß nicht nur möglich, sondern auch ganz wohl ausführbar, wie gleich gezeigt werden soll.

Die jetzige Füllung besteht aus doppeltkohlensaurem Natron, einem ganz wohlfeilen, und Weinsäure, einem beträchtlich theuren Stoffe, denn das Pfund kostet mindestens einen Thaler. Das Natron ist der Inhaber der gewünschten Kohlensäure, die Weinsäure, indem sie sich mit dem Natron verbindet, treibt dieselbe aus. Nun wird aber die Kohlensäure durch jede andre Säure aus ihren Verbindungen ausgetrieben, warum hat man gerade die Weinsäure für diesen Zweck gewählt? Ohne Zweifel weil man glaubte, zur Entwickelung der Kohlensäure eine trockene (krystallinische) Säure in Anwendung bringen zu müssen, wie es denn in der That gefährlich sein würde, das Natron ohne weiteres mit einer der von Natur flüssigen Säuren in Berührung zu setzen. Die Entwickelung der Kohlensäure würde in solchem Falle in so stürmischer Weise vor sich gehen, daß kein Apparat stark genug wäre dem zu widerstehen, während bei Anwendung einer krystallinischen Säure die allmälige Entwickelung dadurch gesichert ist, daß die Theilchen desselben nur in dem Maße auf das Natron wirken können, wie sie selbst nach und nach im Wasser flüssig werden. Von diesem Gesichtspunkte aus ist die Wahl der Weinsäure gerechtfertigt, denn die wenigen andern Säuren, welche in Krystallform vorkommen, wie Citronen-, Phosphor-, Kleesäure sind noch theurer.

Nach dieser Darlegung nun soll gezeigt werden, wie dennoch eine der wohlfeilsten Säuren, die Schwefelsäure, auf ganz gefahrlose Weise zur Entwickelung der Kohlensäure benutzt und der Kostenpunkt dadurch so günstig gestellt werden kann, daß die einmalige Füllung eines Apparates kaum auf ein paar Pfennige zu stehen kommt. Die zu verwendende Schwefelsäure (englische) muß zunächst entsprechend verdünnt werden, und zwar im Verhältniß von 5 Maß Wasser auf 1 Maß Säure. Das Wasser bringt man in ein irdenes Gefäß und setzt die Säure nach und nach in kleinen Portionen zu, wobei man mit einem Glas- oder Holzstäbchen fleißig umrührt. Ist die Flüssigkeit erkaltet, so hebt man sie in Flaschen zum Gebrauch auf.

Um den Apparat in Thätigkeit zu setzen, füllt man zunächst die untere Abtheilung desselben zur Hälfte mit der verdünnten Säure, und bringt dann unter folgenden nothwendigen Vorsichtsmaßregeln die dem Apparat angemessene Portion Natron hinein. Dieses Salz darf nämlich aus dem schon erwähnten Grunde nicht in freie Berührung mit der Säure kommen, sondern muß vorher in eine oder nach Erforderniß zwei etwa fingerlange papierne Hülsen eingeschlossen werden. Man wickelt zu dem Ende ein entsprechend geschnittenes Stück Schreib- oder festes Briefpapier um das Ende eines fingerdicken Stockes derart, daß es zweimal herumgeht und unten ein wenig hervorsteht. Das vorstehende Ende bricht man, wie der Kaufmann die Düte, sauber ein, so daß ein guter Verschluß hergestellt wird, schüttet dann das Natron in die Hülse, legt sie in die Säure und schließt den Apparat. Den oberen Theil der Hülse, welcher über die Säure herausragt, könnte man ganz offen lassen; man knickt ihn jedoch lieber auch ein wenig ein, des besseren Zusammenhaltes halber. Da die Sättigung des Wassers mit der Kohlensäure bei dieser Einrichtung merklich langsamer geht als in der gewöhnlichen Weise, so hat man zwar hinsichtlich der Zeit hierauf Rücksicht zu nehmen, doch liegt hierin auch zugleich die Gewähr völliger Gefahrlosigkeit.




Alfred Meißner, in seinen soeben erschienenen Erinnerungen an Heinrich Heine, erzählt: „Der Homöopath Dr. R… trat zuweilen bei Heine vor. Mit diesem Manne war der Dichter auf eine eigenthümliche Art bekannt geworden. Auf einer Reise aus dem Süden waren Heine und seine Frau vor Jahren in Lyon mit dem Violinisten Ernst zusammengekommen, den Beide schon von Paris her genau kannten. Da Heine morgen nach Paris abgehen soll, bittet der Virtuose den Dichter, ihm ein Geschenk an seinen dortigen Arzt mitzunehmen, eine der colossalen lyoner Würste, die zierlich in Staniol eingewickelt, für eine feine Delikatesse gelten. Heine übernimmt den Auftrag. Dazumal flog man noch nicht auf der Eisenbahn in wenig Stunden von Lyon nach Paris; die Reise im Postwagen dauerte lang und Frau Mathilde ward hungrig. Was war natürlicher, als daß man ein kleines Stück von der Wurst schneidet, die so schwer unterzubringen war und nun das ganze Coupé durchduftet? Madame Heine kostet eine Schnitte und findet sie vortrefflich, Heine thut desgleichen und ist ebenso sehr davon entzückt. Die Reise dauert noch einen Tag, die Wurst verringert sich mehr und mehr und als die Gatten Paris erreichen, trifft es sich, daß nur ein ganz kleiner Rest von dem gewaltigen Ungethüm übriggeblieben. Jetzt erst fühlt es Heine, wie schnöde er sich seines Auftrages entledigt. Was thut er? Er schneidet mit einem Rasirmesser eine völlig durchsichtige Scheibe herunter und sendet sie unter Brief-Couvert an den Doctor. „Herr!“ schreibt er in einem beiliegenden Billet, „durch Ihre Forschungen ist nunmehr ganz festgestellt, daß Milliontheile die größten Wirkungen äußern. Empfangen Sie hier den millionsten Theil eines lyoner Salami, den mir Herr Ernst für Sie übergab. Er wird bei Ihnen, falls die Homöopathie irgendwie eine Wahrheit ist, die Wirkung thun, wie ein ganzer.“

Das letzte Zusammensein mit Heine beschreibt Meißner sehr ergreifend:

Mein letzter Gang war, die Rue de Milan hinan, zu Heinrich Heine. Ich fand ihn aufrecht im Bette sitzend, beschäftigt, die lyrischen Gedichte des Romancero zu ordnen.

„Ich weiß, weshalb Sie kommen,“ sagte er. „Sie kommen, Abschied zu nehmen, lassen Sie ihn kurz sein; jeder Abschied erschüttert jetzt meine Nerven. Wie werde ich allein sein, wenn Sie fort sind!“

„Wir werden uns wiedersehen,“ sagte ich.

„Ich glaube kaum,“ erwiederte er. „Diese Vorrede des Todes hat nun schon zu lange gedauert. Sie kann nicht ewig währen, und mehrere Bände stark werden. Plötzlich, mitten in der spannendsten Periode wird mein Leben abbrechen, wie manches schöne Capitel in meinen Büchern. Leben Sie wohl! ich könnte Ihnen beinahe zürnen, daß Sie mich aus der gespensterhaften Ruhe gestört haben, in der ich liege, und in der ich meistens von der kommenden Stunde nur das weiß, daß ihrer vierundzwanzig einen Tag geben. Doch nein, seien Sie gedankt für die Stunden, welche Sie an meinem Bette zugebracht haben, seien Sie innig gedankt! Ich werde nun wieder recht einsam sein.“

Ich sah ihn an. Thränen standen in seinen Augen. Thränen in Heine’s Augen – in den Augen des Mannes, den die Welt so oft als herzlos gescholten! Ich konnte nicht widerstehen, unbezwingbare Rührung ergriff mich – – – – – – – Ewig unvergeßlich steht dieser Augenblick vor meiner Seele. Ich faßte seine Hand und drückte sie fest.

„Möge das endlose Sterbelied des Schwans der Rue d’Amsterdam Sie nicht zuletzt gelangweilt haben!“ flüsterte der Kranke und wandte sich ab.

Ich ging und wie die Bilder einer Phantasmagorie flogen die Menschen und Häuser an meinen aufgeregten Sinnen vorüber. –

Eine Stunde später saß ich in der Ecke des Eisenbahnwagens.




Meyer, der Gründer und Besitzer des weltbekannten bibliographischen Instituts in Hildburghausen, ist gestorben, in kaum vollendetem 60sten Lebensjahre. Mit ihm ist einer der genialsten Köpfe unserer Zeit schlafen gegangen. Wir mögen nicht Alles billigen, was er im Laufe seines vielbewegten Lebens gethan, aber wer sein Schaffen und Wirken mit einiger Aufmerksamkeit verfolgt, wer seine unermüdliche Thätigkeit gekannt, seine Anstrengungen in der Nähe gesehen, überhaupt seine schöpferische, gewaltige Natur in der langen Reihe von Jahren seines Wirkens beobachtet hat, der muß mit Achtung von den Talenten und der Energie eines Mannes erfüllt werden, der nichts dem Glücke oder dem Zufalle, sondern Alles sich selbst und seiner eisernen Arbeitskraft zu danken hat. Er ist der Schöpfer der billigen Literatur in Deutschland, war einer der frischesten, immer schlagfertigsten Schriftsteller, ein tüchtiger Kunstkenner, in allen Sätteln der Wissenschaften gerecht, schuf Bergwerke, Maschinenanstalten und große, industrielle Etablissements so leicht, wie er die glänzenden Artikel seines Universums auf das Papier warf, und war bei alledem ein Charakter, der sich und seiner Ueberzeugung durch sein ganzes Leben treu blieb. Die vielen Leser seiner Schriften, noch mehr aber sein engeres Vaterland, dem er unendlich durch seine Thätigkeit genützt, werden ihn nie vergessen.


Nicht zu übersehen!

Alle Einsendungen von Manuskripten, Büchern etc. etc. für die Redaktion der Gartenlaube sind stets an die unterzeichnete Verlagshandlung zu adressiren.

Leipzig.

Ernst Keil.

Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 380. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_380.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)