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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

Zwei bedeutungsvolle Köpfe Amerika’s.
Buchanan und Dallas.

Die „demokratische Convention in Cincinnati“ ernannte in einer Vorwahl den ehemaligen amerikanischen Gesandten in England James Buchanan zu ihrem Präsidents-Candidaten, d. h. sie beschloß, daß alle Demokraten für dessen Wahl zum Präsidenten der vereinigten Staaten stimmen sollten.

Damit man das amerikanische Wort „Demokrat“ nicht mißverstehe, sei hier nur kurz darauf aufmerksam gemacht, daß man in Amerika nicht mehr nach Preß- und Versammlungsfreiheit, Habeas-Corpus-Akte, Wahlrecht und dergleichen continentalen demokratischen Gütern zu streben braucht. Das sind dort längst abgemachte Sachen und verstehen sich von selbst, wie Morgens Sonnenauf- und Abends Sonnenuntergang. Demokraten nennt man in Amerika die politische Partei, welche die möglichste Selbstständigkeit der Einzelstaaten, die möglichste Unabhängigkeit vom Congresse erstrebt, ohne deshalb die „Union“ aufgeben zu wollen. Sie sind deshalb auch für Beibehaltung der Sklaverei und die Sklavengesetze.

James Buchanan George Mifflin Dallas.

Wer ist James Buchanan, der „nominirte“ amerikanische Präsident im Sinne der Demokraten? Sein Vater war ein Irländer, der vor achtzig Jahren nach Pennsylvanien auswanderte. Hier ward er am 23. April 1791 geboren. Er studirte Rechte und kam 1812 in die Praxis als Advokat. Doch ward er bald darauf als Vertreter Pennsylvaniens für den Congreß, das amerikanische Gesammt-Parlament, gewählt, und begann so früh seine politische Laufbahn, die er bisher, mit geringen Unterbrechungen, nie wieder verließ. Erst 1831 trat er von seiner populären Congreßthätigkeit in’s Privatleben zurück, ward aber bald darauf vom General Jackson überredet, eine Mission an den Hof von Petersburg zu übernehmen, wofür er zum Mitglied des Senats und zweimal wieder für den Congreß gewählt ward. Im März 1845 zum Minister oder Staatssecretair erhoben, diente er Amerika vier Jahre in dieser Eigenschaft, worauf er wieder in’s Privatleben zurückkehrte, aber auch nur, um 1853 die Gesandtschaft für den Hof von St. James zu übernehmen. Unter dieser seiner letzten Thätigkeit entwickelten sich die Streitigkeiten Amerika’s mit England um Crampton’s geheime Werbeoffizierpfuscherei und Centralamerika. Er soll England gegenüber nicht energisch genug (Andere sagen: zu energisch) gehandelt haben, weshalb er vor einigen Monaten die Vertretung Amerika’s am Hofe Lord Palmerston’s aufgab, um sie einem wenn nicht klügeren, so doch einem feineren und würdigeren Herrn, George Mifflin Dallas zu übertragen.

Als dieser unlängst in einem mächtigen Dampfer zu Liverpool ankam, machten die Passagiere darauf große Augen. Der freundliche, vornehme alte Herr mit weißen Haaren war auf der Reise wie ein gewöhnlicher Kaufmann angesehen worden. Jetzt hieß es plötzlich: das ist Dallas, der neue amerikanische Gesandte. Hat er Frieden oder Krieg bei sich in der Tasche? – Beides, denn er brachte Instruktionen, welche die englische Diplomatie consequenter Weise zum Kriege genöthigt haben würde, die aber, da sie bestimmt und energisch waren, den Lord Palmerston und die Seinen sofort überzeugten, daß die amerikanische Regierung,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 401. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_401.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)