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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

warf einen Abschiedsblick auf jene Wandbilder, die sein wackerer Meister malte, und die er von den ersten Umrissen an hatte entstehen sehen. In dem Anblick versunken, war es ihm, als ob sich alle die Seinen um ihn versammelten, als ob alle diese Gestalten Fleisch und Blut empfingen. Und wie er um sich schaute, bald bei Diesem, bald bei Jenem weilend, fielen seine Blicke auf die finstere Gestalt, die der Meister mit einem Anstrich dämonischer Kraft malte und die, gleich einem bösen Geiste, in diesen friedlichen Kreis trat. Alexis sah wie gebannt auf ihn und als falle plötzlich ein Strahl der Erkenntniß in seine Seele, rief er aus:

„Theodor Steinau! Sei Gott dir und mir gnädig, wenn jemals unsere Wege sich kreuzen!“

Und in großer Erregung verließ er die Halle, hinauswandernd in den grünen Wald.




V.

Der Schauplatz wechselt. Vom festen Lande geht es hinaus in die offene See. Ein stattlicher Dreimaster durchschneidet die Fluth des atlantischen Oceans. Seine Ausrüstung, halb Handelsschiff, halb Orlog, deutet auf einen Indienfahrer. Eine Flagge weht nicht auf offner See von der Gaffel, aber der breite Wimpel am großen Togg zeigt die niederländischen Farben.

In der zweiten Kajüte sitzen ein paar Deckoffiziere neben einander. Sie dampfen aus langen Pfeifen und sprechen der bauchigen Geneverkruke so fleißig zu, daß die Wirkung des Genusses sich bereits zu zeigen beginnt, denn die Schweigenden werden gesprächig. Der Eine legt die Hand auf den Arm des Andern und sagt:

„Nehmt Euch nur in Acht, daß er es nicht hört.“

„Und dann? Wem will er es ausplaudern? Sind Hunderte von Meilen bis zum nächsten Lande. Und auf Java kann er sprechen, so viel er will. Vom Bord kommt er nicht, ehe seine sieben Jahre um sind. Darauf schwöre ich.“

„Kannst Du wissen, was der Kommandeur im Sinne hat.“

„Denke, es seit gestern zu wissen. Der deutsche Muff hatte sich, trotz unserer Vorsicht, aus dem Quartier zu stehlen gewußt und steht mit einem Male auf dem Halbdeck vor dem Kommandeur. Hollah, Bursche, sagt dieser. Woher? Und warum betretet Ihr diesen Platz? Weil ich mit Euch zu reden habe? antwortet er und blitzt den Kommandeur mit seinen brennenden Augen an, daß diesem die Worte nicht von der Lippe wollen und er sich umdreht. Der Deutsche weicht nicht von der Stelle und als der Kommandeur befiehlt, er solle sich von dem Halbdeck scheeren, antwortet er mit lauter Stimme, er wolle nicht; denn er sei auch Offizier und höher im Range, als irgend einer am Bord. Hättest sehen sollen, wie das dem Kommandeur vor den Kopf fuhr. Mir juckte es in den Beinen, als ich das hörte, und die Arme streckten sich aus. Aber daß ich es sage, mir fehlte die Courage, ihn in das Quartier zurückzubringen. Er sagte weiter: wenn Ihr ein Mann von Ehre seid, so hört einen Edelmann aufmerksam an. Der Kommandeur trat nach diesen Worten zurück, winkte den Deutschen zu sich und sprach mit ihm lange Zeit. Als nichts mehr zu sagen war, ging der Kommandeur einige Male auf und ab und sagte: „Morgen!“ worauf Jener von selbst ruhig in sein Quartier ging. Nun mußte ich heran und ward in des Kommandeurs kleiner Kajüte scharf von ihm in das Gebet genommen, weil ich einen Edelmann preßte und ihn nicht laufen ließ, als ich meinen Irrthum merkte. Hielt die ganze Predigt tapfer aus; legte mir während derselben alles gehörig zurecht und sagte dann: das ist nichts, Mynheer[WS 1]. Da könnte Jeder Offizier sein wollen und Edelmann dazu. Wenn er sich im Wirthshause seine Papiere stehlen ließ, so ist das des Diebes Sache und geht uns nichts an. Ich bin Offizier bei dem Preßgang und wenn es am Bord an Mannschaft fehlt, nehme ich die Kerle, wo ich sie finde. Das ist eines Ostindienfahrers Recht. Wer sich zehn Gulden in die Tasche stecken läßt, wissentlich oder unwissentlich, der ist, so wie er den Fuß auf das Deck setzt, der Kompagnie auf sieben Jahre zum Dienst verpflichtet. Darauf habe ich meinen Eid geleistet. Das Alles sagte ich dem Kommandeuer in’s Gesicht, Maat, wie ich es jetzt Dir sage. Aber er war damit nicht zufrieden, und brummte zum Teufel holen. Ich hätte die Suppe eingerührt und solle mich nur in Acht nehmen, wenn wir in Batavia ankämen. Jetzt hatte er mich in der Klemme und ich mußte schon mit der Sprache heraus, darum sagte ich: Herr Kommandeur, ich habe Euch noch ein Wort zu sagen von dem Baron van Steen, der, wie Ihr wißt, ein rechter Mann im Lande ist und die ganzen Generalstaaten in der Tasche hat. Und der Baron hat gesagt, jener Mann wäre irgendwo im Wege und müsse fort, und er mache mich bei Verlust des Kopfes verantwortlich, daß er lange Zeit, am liebsten für immer, von Europa fern bleibe. Und diesen Brief sollte ich nur dem Schiffskommandanten geben, sobald die Sache zur Sprache käme, hat der Baron gesagt. Damit legte ich den Brief auf den Tisch und ging hinaus. Durch die Thürritze sah ich, wie der Kommandeur den Brief las, und ihn dann in’s Licht hielt und verbrannte. Es war dem Herrn vor den Kopf gefahren, denn er hatte dem Deutschen versprochen, wenn sich Alles so verhielte, wie er es geschildert, wolle er sich verbürgen, daß ihm volle Genugthuung werde und was noch sonst. Nun weiß ich zwar nicht, was in dem Briefe des Barons stand; aber der Kommandeur ließ den Deutschen nicht wieder vor sich und gab nur unter der Hand zu verstehen, daß man ihn ruhig gehen lassen, anständig beköstigen und nicht zum gemeinen Schiffsdienst verwenden solle.

Während der Unterhaltung der beiden Deckoffiziere war ein Dritter am Eingange der Kajüte erschienen. Er trug zwar nur die weite Jacke und die Orangemütze eines gewöhnlichen Matrosen, aber die ganze Haltung verrieth den vornehmen Aristokraten. Dieser lauschte dem Gespräche der beiden Männer und war offenbar unschlüssig, ob er sie ruhig bis zu Ende hören, oder dazwischen fahren, und ihnen das Bekenntniß des schändlichen Verrathes gewaltsam entreißen sollte. Aber die Vernunft bezwang die aufwallende Leidenschaft und er entfernte sich, als er sah, daß die beiden Kerle Miene machten, aufzubrechen. Es ward ihnen bei dem gegenseitigen Bericht ihrer Seelenverkauferei unheimlich und sie suchten mit einer Anwandelung von Furcht ihre Hängematten auf.

(Schluß folgt.)




O’Donnell.

Spanien hat wieder einmal eine königliche Revolution erlebt, die für den Augenblick zwar geglückt, deren Ende aber noch nicht abzusehen ist. Volk und Militär haben mit einer Erbitterung gegen einander gekämpft, wie niemals zuvor; in beiden Lagern, wenn auch augenblicklich weniger sichtbar, ist deshalb tödtlicher Haß geblieben und wartet der Zeit, wo er mit neuen Erfolgen oder rächend hervortreten kann. Die eine Hälfte, nicht zufrieden mit den schwer errungenen Erfolgen, schreitet im blinden Eifer auf dem Wege der Reaction fort, die wenigen Rechte des vielfach geknechteten Volkes mehr und mehr beschneidend und vernichtend, während die besiegte Hälfte zähneknirschend der Stunde entgegenarbeitet, in der die jetzigen Sieger in nothwendiger Folge ihrer eigenen traurigen Schöpfungen zum Rücktritt gezwungen werden. Daß dieser nicht ausbleiben wird, beweist die Stellung O’Donnell’s, des Siegers und augenblicklichen Diktators von Spanien, der in maßloser Verblendung sich zum Umsturz der Verfassung gebrauchen ließ und schon nächstens als ein nicht mehr brauchbares Werkzeug von der äußersten Reaktion bei Seite geworfen werden wird.

Da der eben genannte königliche Revolutionär zu erhöhter Bedeutung gelangt ist, so theilen wir nachfolgend die Hauptereignisse seines früheren Lebens mit. Leopold O’Donnell, zweiter Sohn des Grafen von Abispal, ist etwa fünfundvierzig Jahre alt. Einer seit Ende des vorigen Jahrhunderts in Spanien ansässigen irländischen Familie angehörig, war er zuerst Officier in der königlichen Garde. Als solcher begründete er sich durch Tapferkeit einen Ruf und stieg in dem Bürgerkriege, welcher der Ausschließung des Infanten Don Carlos vom spanischen Throne folgte, rasch zum Divisions-General empor. Während er auf Seiten der Königin Isabella stand, fochten die sämmtlichen übrigen Mitglieder seiner Familie für den Prätendenten, unter dessen Fahne zwei seiner Brüder getödtet wurden, einer vor den Thoren

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Myhnar
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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 446. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_446.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)