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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

des Kampfes waren so heftig, daß sie nicht, wie andere, ihn zu sich zu ziehen trachtete, sondern mit Gewalt und sichtbarer Kraftanstrengung ihn wegzureißen versuchte.

Nach langem und vergeblichem Abmühen ließ sie endlich, der Ruhe und Erholung wohl sehr bedürfend, in ihren Gewaltmaßregeln nach, ihr Opfer trotzdem nicht weniger festhaltend. Dieses, die eingetretene Pause bemerkend, wollte sich dieselbe dadurch zu Nutze machen, daß es ein Bein nach dem andern weiter unten aufsetzte, um in dem engern Zwischenraume bei erneuertem Widerstande mehr Unterstützung zu haben. Hätte ihm die Schlange dazu Zeit gelassen, so würde es ihm wohl gelungen sein, wenn auch nicht sich zu befreien, denn das war ein Ding der Unmöglichkeit, so doch den Kampf mit weniger Anstrengung und Verlust seiner Kräfte fortzusetzen. Allein nur einige Augenblicke waren für die Natter hinreichend gewesen, um die alte Arbeit mit neuer Heftigkeit in Angriff nehmen zu können. So dauerte die gräßliche Scene mit wenigen, ganz kurzen Unterbrechungen über eine halbe Stunde. Da gingen dem Frosch sichtlich die Kräfte aus und die Schlange hatte ziemlich gewonnenes Spiel. Trotzdem behandelte sie ihn nicht als einen widerstandsunfähigen Gegner, und mit Recht, denn so lange er die beiden Hinterbeine noch frei fühlte, stemmte er sich; sie wußte aber den Rest seiner Kräfte in so fern richtig zu würdigen, als sie den eingetretenen Zeitpunkt für den richtigen hielt, an den Beginn der schwer errungenen Mahlzeit zu denken. Ohne die beiderseitige Stellung zu verändern würgte sie, den Hintern des Frosches festhaltend, erst das eine Hinterbein in den Rachen, und das ging sehr langsam von statten, und dann das andere. Nachdem dies geschehen war, trat eine Pause ein; wahrscheinlich mußte sie, um ihr Schlingen fortsetzen zu können, sich selbst erst von dem fest gepackten Hintertheil losmachen. Als dies nach geraumer Zeit in’s Werk gesetzt war und sie wieder zu schlingen anfing, überließen wir den Frosch seinem Schicksale.

Zum Schluß wollen wir noch einer komischen Anekdote Erwähnung thun. – Man hatte an zwei Fütterungstagen den Schlangen unter einer Anzahl anderer Frösche einen besonders großen vorgeworfen. Durch wohl angebrachte Sprünge, langsames, eine gewisse Ueberlegung verrathendes Davonkriechen, vielleicht auch weil er nur für wenige seiner tückischen Verfolgerinnen wegen seiner Korpulenz ein genießbarer Bissen sein mochte, war er glücklich entwischt. In Folge dessen hatte er das Interesse der Besucher und Zuschauer in hohem Grade auf sich gezogen, ja der Humor des Publikums belegte ihn mit einem besondern Namen und nannte ihn „Pietsch.“ Bei der nächsten Fütterung ward wiederum als Hauptleckerbissen der gewichtige Herr Pietsch aufgetischt. Lange machte der alte Bursche eine Menge sehr großer und gut berechneter Kreuz- und Quersprünge, vergebens schnappten lauernde Reptilien nach seinen Keulen, sie konnten seiner nicht habhaft werden. Da plötzlich ertönt’s: Pietsch ist gefangen. Und so war’s. Sein letztes Stündlein hat geschlagen, wenn er sich nicht wieder befreien kann. Aber trotz seines gewaltigen Strampelns mit Armen und Beinen wollte ihm das nicht gelingen, der tapfere Held mußte sich nach langer, verzweifelter Gegenwehr gefangen geben und endlich an sein Ende glauben.

Ob er zuvor sein Testament gemacht, ich weiß es nicht. So viel aber weiß ich, daß an diesem Tage in der Stadt vielfach, wenn Bekannte sich trafen, die Frage gehört wurde: Weißt Du’s schon? – Was denn? – Sie haben Pietschen.




Der entdeckte Schlüssel zum Herzen Afrika's.

Der Schlüssel und der Barth. – Eine Flußfahrt. – Die Nazarener sind da. – Der Staat Kororroha und seine Hauptstadt. – Die Felletah’s. – Unangenehmes Nachtquartier auf einem Baume. – Ein Dorf unterm Wasser. – Handel und Wandel. – Menschen als Tauschartikel.

Während immer noch viele Staaten und Städte Weisheit und Geld, „einnehmendes“ Wesen und Regierungskunst in Verschließungen und Verboten, Grenzjägern, Schlagbäumen, Eingangs-, Ausgangs-, Durchgangs- und unzähligen andern Steuern, Stadtthoren, Salz-, Malz-, Schmalz-, Mahl- und Schlachtsteuern suchen, bewährt und verwirklicht sich doch die wahre Weisheit und das wirkliche Wohl der Menschheit in Aufschließungen und in Beseitigung der Thore und Thoren. Und dies in einem Grade, daß die Thorschreiber und Thürschließer nicht so viel mehr verbieten und verschließen können, als anderswo durch Eröffnungen wieder gutgemacht wird. Die Menschheit wäre sonst auch schon längst an Verstopfung ausgestorben oder so vernagelt und eingeschlossen worden, daß nur noch Einige aus Mangel an Thürschließern unverriegelt und unvernagelt blieben. Die Gegenden, wo aufgeschlossen wird, sind zwar in der Regel weit, weil nur in solche weite Fernen unsere Thorschreiberdirektoren und Grenzverstopfer nicht hinreichen; aber sie kommen uns doch überall zu Gute, selbst in dem verstecktesten Winkel Deutschlands. Daß China und Japan Aus- und Eingangsthore bekommen haben, wirkt schon vortheilhaft auf die meisten Industrien aller Völker, auch Deutschlands, theils durch direkten Absatz, theils indirekt durch die zunehmende Thätigkeit und den größern Wohlstand Derer, welche dahin verkaufen. Die schwarzen Kinder Afrika’s bringen Tausenden von Arbeitern in Europa direkt Brot. Deutsche Spielwaarenfabrikanten, Gürtler, Glaser u. s. w. haben Millionen Kunden vom zehnten bis fünfzehnten Breitengrade in Afrika, nur daß diese Kunden bisher gar nicht oder sehr schwer zugänglich waren. Sie wußten keinen Weg zu uns, wir nicht zu ihnen. Das ist aber jetzt anders geworden. Wir haben jetzt einen Schlüssel bis mitten in das Herz Afrika’s, und der Schlüssel bekömmt auch einen herrlichen deutschen Barth[WS 1]. Durch ihn, einen Helden, wie ihn die ganzen Herren vor Sebastopol nicht aufweisen konnten, ist Afrika aufgeschlossen und ein großer, ebener Weg bis mitten in die Geheimnisse des Innern entdeckt worden. Damit schließt eine lange Reihe von heroischen Entdeckungs- und Forschungsreisen ab und eröffnet sich eine beinahe schrankenlose neue Welt für materiellen und geistigen Verkehr und sprudeln neue Wissenschafts- und Wohlstandsquellen auch für das lechzende Deutschland.

Der erste Abschluß der Entdeckungen und Forschungsreisen in Afrika[WS 2] erwartet uns wissenschaftlich in dem bald erscheinenden Werke Dr. Barth’s, den wir einst schon als Todten betrauern zu müssen glaubten und der deshalb, wie das Sprüchwort sagt, recht lange leben wird. Als Vorläufer und Ergänzung der Forschungen und des wissenschaftlichen Buches von Barth finden wir die jetzt erschienenen Mittheilungen des Dr. Baikie sehr interessant und wichtig, insofern sie praktische Bestätigung dessen bringen, was Dr. Barth als wissenschaftliche Folgerung seiner Forschungen aussprach, nämlich die Einheit der Flüsse Chadda und Benué. Sie sind ein ungemessen weit in’s Innere laufender einziger Nebenfluß des alten, geheimnißvollen Niger, auch Kowora oder Guora genannt, der aus dem südatlantischen Oceane durch den Golf von Guinea in unzähligen Mündungen nach verschiedenen Richtungen auf viele Hunderte geographischer Meilen in’s Innere hinein schiffbar ist und zum Theil die regsamste, thätigste, intelligenzfähigste Bevölkerung an seinen Ufern thatsächlich bespült, da Ansiedelungen und Dörfer gefunden wurden, in denen die Leute wie Biber und Amphibien wörtlich halb im Wasser leben.

Um uns eine Vorstellung von der Ausdehnung und Wichtigkeit der Forschungen in Afrika zu machen, muß daran erinnert werden, daß als bisheriges Ergebniß der Expeditionen von Hornemann (1795), Ritschi und Lyon (1818–20), Oudney Denham und Clapperton (1822–25), Clapperton und Lander (1825, 26), Lander (1830), Allen und Oldfield (1833), Dickson (1851) und von Richardson, Barth, Overweg und Vogel seit 1850 außer dem Wasserwege vom südatlantischen Oceane her auch Landwege vom mittelländischen Meere aus durch die Wüste nach dem großen Tsadseespiegel im Innern Afrika’s und die umliegenden Staaten mit dem größten Heroismus entdeckt und gebahnt wurden.

Die Dampfschiff-Expedition, welche zuletzt die englische Regierung unternehmen ließ und die Dr. Baikie schildert, hatte lediglich den Zweck, die von Barth behauptete Identität der Flüsse

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Der Afrikaforscher Heinrich Barth
  2. Vorlage: n Afrika
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 556. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_556.jpg&oldid=- (Version vom 11.10.2021)