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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

bestechliche Beamte, die durch Betrug die Zügel der Autorität an sich reißen, absichtlich die Ausführung der Gesetze verhindern und die Strafe von den notorischen Schuldigen abwenden, fällt die Gewalt, welche sie usurpirt, an das Volk zurück, dem sie entwunden. Diese Wahrheiten begreifend, und überzeugt, daß derselbe den Willen der großen Majorität der Bürger dieses Landes ausführt, hat der Sicherheits-Ausschuß unter dem feierlichen Ausdruck der Verantwortlichkeit, welche auf ihm ruht, gewissenhaft und ohne Vorurtheile die Beweise abgewogen, und darnach den Tod Einiger und die Verbannung Anderer dekretirt, welche durch ihre Verbrechen und ihre Schandthaten unser Land mit Schande bedeckt haben. Für die, welche verbannt worden sind, wurde diese milde Strafe gewählt, nicht weil dieselben den Tod nicht verdient hätten, sondern damit jeder Irrthum, wenn je welcher vorhanden, mit Sicherheit auf Seiten der Gnade für die Verbrecher sein möchte. Es sind andere, kaum weniger Schuldige vorhanden, gegen welche dieselbe Strafe dekretirt worden ist, aber es ist denselben weitere Zeit gestellt worden, um ihre endliche Abreise zu ordnen, wobei die Hoffnung nicht täusche, daß die Erlaubniß, freiwillig sich zu entfernen, bei ihnen Reue veranlasse, und des reuigen Bekenntnisses halber ist ihnen gestattet worden, in einer gegebenen Zeit die Art und Weise und die Zeit ihrer Abreise selbst zu bestimmen.

„Wir haben keine Freunde zu belohnen, keine Feinde zu bestrafen, keine Privatabsichten zu vollführen, unser einziges Ziel ist das öffentliche Wohl, die Reinigung unserer Gemeinde von diesen Charakterlosen, deren Handlungen fortwährend Böses gestiftet haben, und die uns endlich zu den Anstrengungen, die wir jetzt machen, gezwungen haben.

„Der Ausschuß glaubt, daß das Volk ihn betraut hat, nach einem gerechten Verfahren die Räuber und Meuchelmörder aus der Gemeinde auszutreiben, welche so lange dem Frieden und der guten Ordnung der Gesellschaft Hohn gesprochen, welche die Stimmkasten verletzt, das Gesetz niedergetreten, und Gerechtigkeit unmöglich gemacht haben.

„Ueber diese Pflichten hinaus wünschen wir nicht mit den Einzelnheiten der Verwaltung der Regierung in Berührung zu kommen. Wir haben keine Anstrengung gescheut, und werden keine Anstrengung unversucht lassen, Blutvergießen oder den Bürgerkrieg zu vermeiden; aber unerschreckt durch feindliche Drohungen, werden wir fortfahren, friedlich – wenn wir können, mit Gewalt – wenn wir müssen, dieses Werk der Reform, für welches wir unser Leben, unser Gut und Blut mit unserer heiligen Ehre verpfändet haben, fortzusetzen.

„Unsere Arbeit ist hart gewesen, unsere Ueberlegung war bedächtig, unsere Beschlüsse fest und unsere Motive rein, und während wir die Nothwendigkeit, welche uns zum Handeln rief, bedauern, wünschen wir, daß diese Nothwendigkeit nicht länger fortexistiren möge; wenn unsere Arbeit gethan sein wird, wenn die Gemeinde von den Uebeln befreit sein wird, die sie so lange ertragen, wenn wir für unsere Bürger hinreichenden Schutz für ihre Rechte erlangt haben werden, – dann wird der Ausschuß, mit einem Gefühle großer Genugthuung, seine Gewalt in die Hände des Volkes, von dem er sie erhalten, wieder niederlegen.“ –

Das hat er nach den neuesten Nachrichten auch gethan und so den Bürgerkrieg abgewendet, der drohte, da der Präsident der Vr. Staaten die Macht derselben aufbieten wollte, den Ausschuß zu unterdrücken. Er würde aber auch den Kampf und somit den Bürgerkrieg nicht gescheut haben, wenn nicht seine Aufgabe eben gelöset und das Land von den Verbrechern gesäubert wäre.

Freiwillig, durch keine Gewalt gezwungen, ist er abgetreten und zwar mit den höchsten Ehren. Seine Anhänger, in letzter Zeit beinahe 10,000 Mann an der Zahl, mit vielen Geschützen, ein großer Theil beritten und zum Kavalleriedienst equipirt, zogen in Reih und Glied, mit wehenden Fahnen und klingendem Spiel durch die Straßen, und gaben so dem Ausschuß ein bezeichnendes Geleit bei der Rückkehr in’s Privatleben. Nach den neuesten Nachrichten aber wurde gleich darauf der Präsident des Ausschusses, William Coleman, wegen Hochverraths verhaftet. Mutmaßlich wird diese Verhaftung neue Verwickelungen herbeiführen und dürfen wir also in nächster Zeit interessanten Nachrichten von dort entgegensehen.






Wie man Maler wird.

Könnte man in das Leben mancher ausgezeichneten Menschen blicken, die Umstände kennen, welche sie in die ihnen zusagende Bahn leiteten, ja, man könnte sagen, warfen, ihr angebornes Talent zur Geltung brachten, wir würden bewundernswürdigen Führungen begegnen. Der berühmte Landschaftsmaler, nachmalige Gallerieinspektor Weitsch zu Braunschweig ist dafür ein Beleg. Er war armer Eltern Kind. Das auffallende Talent des Knaben zu bildlicher Darstellung blieb unbemerkt, unerkannt und er gerieth in eine verfehlte Lebensbahn; er wurde Soldat unter den braunschweigischen Truppen und brachte es bis zum Unteroffizier. Da sah’s weiter hinauf trübe aus, weil Junker in der Regel die Stellen einnahmen. – Niemand kannte und erkannte auch jetzt noch das in ihm schlummernde Talent, bis ein besonderes Ereigniß ihm eine nicht geahnete Bahn brach. Und was war das nächste Motiv? Das privilegirte Faulenzerthum des Soldatenstandes! – Die braunschweigischen Truppen hatten in einer der aller langweiligsten Gegenden Hollands ein Observationslager bezogen. Die Bezeichnung des Charakters der Gegend will etwas sagen in einem Lande, dessen Landschaften auch den allerphlegmatischsten Reisenden durch ihr ewiges Einerlei von Wiesen, Kanälen, Windmühlen und eintönigen Landhäusern in Verzweiflung bringen können, nur keinen Holländer. – Die Truppen mußten eine lange Zeit täglich mit Sack und Pack zum Aufbruche sich bereit halten, aber der Tag kam nicht. Die Leute wußten nicht, womit sie die Zeit todtschlagen sollten und der Unmuth riß überall ein. Kindische Possen, Kartespielen und selbst Schlimmeres unterhielt sie.

Weitsch war ein durchaus braver Mensch. Er mochte das liederliche Treiben nicht und sann auf einen bessern Zeitvertreib. Da kam er auf den Gedanken, schmale Streifen Rasen in einem nahen, feuchten Wiesengrunde auszustechen und damit an der dem Lager zugewendeten Seite eines kleinen, niedrigen Hügels das braunschweigische Wappen darzustellen und zwar in kolossaler Größe. Gedacht, gethan! Freilich war das kein Werk, das in einem Tage fertig werden konnte, vielmehr gehörten Wochen dazu. Weitsch ließ sich nicht irre machen; er fertigte sich eine Zeichnung und verwandte unausgesetzt Zeit und Mühe darauf, bis es zum Erstaunen seiner Kameraden vollendet war. So stellte sich denn in ungeheuern Umrissen das Wappenschild endlich dar, vollkommen unverkennbar und richtig. Die Ausfüllung der einzelnen Felder brachte er mit verschiedenartigem Sande zu Wege. Von Ferne gesehen, hatte es etwas Auffallendes und Frappantes. Die Soldaten bewunderten das Kunstwerk; die Offiziere hatten ihre Freude daran und ließen ihm durch öfteres Begießen Dauer und Frische erhalten.

Gerade um diese Zeit erschien der Prinz der Niederlande, um Heerschau über die Observationstruppen zu halten. Als er in die Nähe des Lagers kam, fiel natürlich sein Blick auf das ungeheure Wappen. Es fesselte seine Aufmerksamkeit in hohem Grade und sein Kennerblick erkannte selbst in diesen Umrissen ein ungewöhnliches Talent. Sogleich fragte er, wer es gemacht habe?

Man nannte ihm den Korporal Weitsch. Der Prinz ließ Weitsch rufen, redete freundlich mit ihm, belobte das schöne Werk nach Verdienst und schenkte Weitsch zwei Louisd’or.

Niemand war glücklicher, als Weitsch. Er war arm; die zwei Louisd’or freueten ihn sehr, denn er hatte so viel Geld niemals sein genannt; aber mehr als das freuete ihn das Lob des Prinzen, seine Freude an seiner Arbeit. Das schlummernde Talent war geweckt. Es ließ sich nicht mehr einschläfern. Es ließ ihm Tag und Nacht keine Ruhe, wie er sich eine künstlerisch schaffende Thätigkeit gewinnen könne. Er zeichnete für sich alle Tage und wo er irgend ein Bild sehen konnte, da stand er Stunden lang davor und betrachtete es, ohne Sinn für irgend etwas Anderes zu haben. In dieser Zeit nagender, gährender Unruhe kehrten die Truppen in ihre liebe Heimath zurück und die unendliche Langeweile Hollands lag hinter ihnen.

Freilich – auch in der Heimath wollten sich für’s Erste keine

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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 562. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_562.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)