Seite:Die Gartenlaube (1856) 570.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

Anschauen der großartigen Ruinen der Vergangenheit wuchs W. O. von Horn heran; dort lebte er eine schöne, frohe Jugend. Kann es Wunder nehmen, daß diese Umgebungen auf seine Seele einen großen Eindruck machten? Kann es Wunder nehmen, daß er dort mit seinem Geiste gerne weilt? Daß er durch und durch eine rheinische Natur ist? Das beurkundet sich in seinen Erzählungen: die Eroberung von Bacharach, der Apostelhof, das Gotteshäuschen und vielen Andern.

Das häusliche Leben war, wenn auch von mancher Sorgenwolke beschattet, dennoch ein stilles, friedliches, gemüthliches Pfarrhausleben. Der Vater, ein gehaltener, ernster, dennoch sehr gemüthlicher Mann, voll Glaubensfrische; die Mutter eine tiefsinnige, fromme, liebreiche, wohlthätige, milde Würtembergerin aus Weinsberg, deren segensreicher Einfluß auf des Knaben offne, freie Seele dem sanften Thaue vom Hermon glich. Er hat im Jahrgange der „Spinnstube“ 1846 eine Scene geschildert, welche ganz dies Bild der trefflichen Frau darstellt und beweist, wie sie es verstand, auf den lebensfrischen Knaben von der sichersten Seite einzuwirken. Die öffentlichen Schulen waren unter der Franzosenwirthschaft am Rheine im ärgsten Zustande. Alles nach der Staatsschablone, ohne daß der geistige Gewinn irgend angeschlagen gewesen wäre. Als darum der Knabe das Alter erreichte, wo der höheren Ausbildung Rechnung getragen werden mußte, nahm der Vater, ein Zögling des Gymnasiums von Meurs und der Universitäten Duisburg und Heidelberg, und ein tüchtiger Philologe; ein älterer Bruder, ein sogenannter Privatgelehrter und ein sehr tüchtiger französischer Geistlicher, der aber zum Receveur des Douanes und später Steuereinnehmer avancirt war, ein eben so wackerer als gelehrter Mann, des Knaben Bildung in ihre Hand, und der Erfolg war ein besserer, als der der école secondaire. Freilich fand sich im Jahre 1814, als er die Universität Heidelberg bezog, noch manche Lücke, die er aber dort mit dem Feuereifer einer nach Erkennen durstigen Seele durch einen selbst die Gesundheit gefahrdrohenden Eifer auszufüllen strebte. Sein ganzes inneres Wesen zog ihn zur Theologie. Daub, Schwarz, Hegel, Fries, Wilken und Andere waren seine Lehrer. Im Hause des edeln Schwarz wurde er mit besonderer Liebe gehegt und dies Haus, diese Familie ist ihm theuer geblieben, wie denn die Verbindung mit Schwarz erst mit seinem Tode endete. Ueberhaupt war sein Leben in Heidelberg ein schönes, der Kreis ausgezeichneter Jünglinge, mit denen er innig verbunden war, anregend und erfrischend, die Theilnahme an mancher folgereichen Erscheinung des akademischen Lebens jener Tage nicht ohne wohlthätige Folgen.

Ostern 1818 war die Grenze des akademischen Lebens. Wohl wäre es sein heißer Wunsch gewesen, noch einmal nach Bonn gehen zu können, aber die Sorgenwolken waren am elterlichen Himmel noch nicht verzogen. Es ging nicht. Und es war gut so, denn der Vater erkrankte und bedurfte seiner im doppelten Amte, als Pfarrer und Superintendent, und ehe das Jahr 1818 hinabsank, schloß sich sein Auge für diese Welt. Seit 1812 hatte er Bacharach verlassen und sich auf die kleine, ruhige Pfarrstelle des lieblich gelegenen Gebirgsdorfes Manubach zurückgezogen. Die Liebe der Gemeinde ging vom Vater auf den Sohn über, und er folgte ihm im Pfarramte in dieser nur fünfhundert Seelen zählenden Dorfgemeinde.

War schon im Knaben die schaffende Thätigkeit erwacht, wie hätte sie später, namentlich im Kreise gleichdenkender Alters- und Geistesgenossen und im stillen, idyllischen Leben in diesem schönen Rheinthale entschlummern können? Damals und auf Jahre hinaus, auch im Nahethale, beschäftigten lokalhistorische Studien den Mann. Zu Tage ist davon nur getreten eine Geschichte der Burg Rheinstein und später ein Bändchen: Bilder aus dem Nahethale. Insbesondere war die Sammlung der Sagen des Nahethales, die so reich und eigenthümlich sind, eine liebe Beschäftigung, und der Umgang mit dem Volke bot dazu die reichste Gelegenheit. Leider ruhen sie noch in der Mappe, ein reicher verborgener Schatz.

Mit dem Jahre 1821 begann W. O. von Horn, damals unter dem Namen: F. W. Lips (Lips war sein Studentenname) mit seinen, größtentheils historischromantischen Erzählungen hervorzutreten, und als man endlich erfuhr, wer dahinter stecke, schwieg er lange, und trat dann mit seinem „Friedel“ (eine Volksgeschichte) als W. O. von Horn hervor, welchen Namen er beibehielt.

Wie trefflich er in diesem Friedel den Volkston anzuschlagen verstand, beweisen wohl am besten die verschiedenen großen Auflagen, die sich in wenigen Jahren nöthig machten. Im Jahre 1846 begann er die „Spinnstube,“ einen Volkskalender, den er ganz allein schreibt. Keiner von all’ den vielen illustrirten und nicht illustrirten Kalendern Deutschlands hat eine so allgemeine und große Verbreitung, namentlich im Süden unseres Vaterlandes gefunden, wie dieses von L. Richter hübsch illustrirte Büchlein. Gleich großen Beifall, wenn auch nicht die enorme Verbreitung der Spinnstube, fand der Separatabdruck der Erzählungen aus der Spinnstube, den er unter dem Titel: „Rheinische Dorfgeschichten“ und „des alten Schmidjacobs Geschichten“ in Frankfurt erscheinen ließ. Eine Auswahl kleinerer Erzählungen und Biographien erscheint seit zwei Jahren in Wiesbaden; auch unsere Gartenlaube hat sich vieler Beiträge zu erfreuen. Die meisten seiner Erzählungen sind in’s Französische, Holländische und Englische übersetzt und außerdem vielfach nachgedruckt.

Man hat Horn öfter vorgeworfen, er schreibe so viel. Vielleicht ist doch dieser Vorwurf falsch. Die Erzählungen (11 Bände) sind nicht neu. Es sind die Wiederabdrücke seit 1820 geschriebener verschiedener Arbeiten. Die Schmiedjakobsgeschichten sind ebenfalls nur Wiederabdrücke aus der Spinnstube, ohne neue Zuthaten. Die Spinnstube ist immer auf zwei bis drei Jahre vorausgeschrieben, weil der kunstreiche Illustrator sie vor sich liegen und Zeit dazu haben will. So können also Jahre kommen, wo O. W. von Horn nicht einmal eine Spinnstube schreibt. Ueberdies hat er, und das wissen seine zahlreichen Freunde, die Gabe leichten und raschen Schaffens. Und dies Schaffen findet nur in den Stunden von acht Uhr Abends bis Mitternacht statt, weil der Tag ganz seinem heiligen Berufe gehört. Sechzehn Jahre lebte er in Manubach, in diesem stillen, verborgenen Rheinthale, in glücklicher Ehe, im Kreise heranblühender Kinder. Im Jahre 1835 wurde er nach Sobernheim als Pfarrer und Superintendent berufen, wo er zur Stunde noch lebt und wirkt.

Die große Kunst Horn’s, die ihm beim Volke so sehr beliebt macht, besteht hauptsächlich darin, – und außer Höfer wüßten wir keinen deutschen Autor, der ihm darin gleich käme –, daß er mit den einfachsten, schmucklosesten Mitteln das Gemüth des Lesers zu packen und zu rühren versteht. Horn ist weder in seinen Erfindungen und Situationen neu und originell, noch weiß er die Nerven à la Sue und Dumas auf die Folterbank der Erwartung zu spannen, aber seine Kenntniß des menschlichen Herzens, die echte Gemüthlichkeit und Treuherzigkeit, die alle seine Erzählungen durchweht, sein tiefes Gefühl für alles Gute und Schöne und die einfache, fast naive Weise seiner Form, die er in seltnem Grade beherrscht, machen ihn zu einem Lieblingsschriftsteller des Volkes, der überall gelesen wird, wo Gemüth und Treuherzigkeit noch Anklang finden. Wollte Horn dann und wann etwas kräftiger und entschiedener auftreten und sich der heiligsten Interessen des Volkes mehr annehmen, er würde bald auch bei denen ein sehr willkommener Gast sein, die ihm jetzt allzugroße Weichheit und Indifferentismus vorwerfen. Das Talent zum echten Volksschriftsteller hat er wie wenige neben ihm.






Schiffstagebuch einer Fahrt von Bremen nach New-York.

Tausende schiffen jährlich aus Deutschland über den großen Ocean nach Amerika hinüber und Abertausende möchten ihnen folgen. Einige stellen sich eine solche Reise als etwas Entsetzliches vor, Andere halten sie für eine Spazierfahrt sobald das Schiff nicht untergeht.

Wir sind im Stande, ein vollständiges treues Tagebuch von einer Fahrt mit einem Auswandererschiffe vorzulegen, das eine richtige Vorstellung von einer solchen Reise geben wird, da es weder in’s Schwarze, noch in’s Schöne malt, sondern einfach die Tagesereignisse und den Küchenzettel angibt:

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 570. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_570.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)