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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

Sofort nach seiner Vermählung mit Caroline von Braunschweig vernachlässigte und beleidigte sie der Prinz. Er kehrte zu der Fitzherbert zurück und nahm bei ihr seine Rechte als Gatte in Anspruch. „Sie selbst,“ sagt ihr Biograph, „befand sich nun ihrem Gewissen gegenüber in einer schwierigen Lage,“ und um sich zu beruhigen, sandte sie ihren Beichtvater nach Rom, um den Rath des Papstes in diesem außerordentlichen Falle sich zu erbitten. Er ließ ihr erklären, sie sei dem Prinzen, als ihrem rechtmäßigen Gatten, Gehorsam schuldig. Sie gab demnach eines Tages dem ganzen Adel ein Frühstück und nahm da öffentlich ihre Stellung als Gemahlin des Prinzen ein. Die Tochter des Prinzen von Carolinen – die Prinzessin Charlotte, die, wenn sie nicht schon 1817 gestorben gewesen wäre, 1830 statt Wilhelm’s IV. den Thron von England bestiegen haben würde – wurde wenig Wochen darauf geboren.

Nach jener Wiederaussöhnung lebte sie acht Jahre mit dem Prinzen, acht glückliche Jahre, wie sie selbst dieselben nennt, obgleich das Paar bisweilen so arm war, daß sie zusammen nicht fünf Sovereigns besaßen. Der Prinz blieb höchst hingebend und die Fitzherbert hoffte das Beste von der Zukunft. Plötzlich aber trat wieder eine Veränderung ein. Lady Seymour hatte im Sterben ihre kleine Tochter der Mrs. Fitzherbert übergeben. Die Verwandten des Kindes, strenggläubige Protestanten, wollten dasselbe nicht in dem Hause einer Katholikin lasten und es blieb dieser nur wegen der Erklärung, „das Kind würde da den Vortheil haben, in Gesellschaft der höchsten Person im Lande zu sein.“ Bei diesen Verhandlungen hatte der Prinz Lady Hertford, eine nahe Verwandte des Kindes, kennen gelernt, welche Mrs. Fitzherbert noch einmal aus seinem Herzen verdrängte. Und diese letztere mußte schweigend zusehen, denn sobald sie sich gegen das Verhältniß erklärte, drohete man ihr das Kind wegzunehmen.

Dieses traurige Leben scheint die Frau mehrere Jahre ertragen zu haben, neben Kränkungen aller Art durch den Prinzen, bis die Sache bei einem Diner, das Ludwig XVIII. von Frankreich gegeben wurde, zum Bruche kam. Da sie keinen Titel führte, so war es herkömmlich, daß, wenn sie bei ihrem Gemahl oder er bei ihr speiste, die Gäste ohne Rücksicht auf Rang Platz nahmen. Bei dieser Gelegenheit zeigte man ihr an, die Gäste würden ihrem Range gemäß sitzen. „Und wo werde ich dann sitzen?“ fragte sie den Prinzen. – „Sie wissen sehr wohl, Madame, daß Sie gar keinen Platz haben.“ – „Keinen,“ antwortete sie, „als den, welchen Sie mir geben.“ Er gab ihr keine Antwort und von diesem Tage an sahen sie einander nicht mehr. Erst nach vielen Jahren als er erkrankte und die Aerzte erklärten, er sei in Lebensgefahr, erweichte sich ihr lang erkaltetes Herz und sie schrieb ihm. Er faßte hastig nach dem Briefe, las ihn und schob ihn unter das Kopfkissen. Er gab aber keine Antwort darauf und sie versicherte später oftmals, daß sie nie etwas mehr geschmerzt habe, als sein Schweigen in diesem Falle. Ehe er starb, nahm er indeß eines ihrer Portraits, die er besaß, ein kleines Miniaturbild an einem Bande, hing sich dasselbe um und verordnete, daß man ihn damit begrabe.

Sein Tod scheint keine Aenderung in ihrer Stellung hervorgebracht zu haben. Als sie Wilhelm IV. zu sprechen wünschte, begab er sich selbst zu ihr. Sie zeigte ihm das Trauzeugniß und Briefe von Georg, die es über allen Zweifel erhoben, daß sie wirklich seine Gattin gewesen und bei deren Lesen dem neuen treuherzigen Könige die Thränen über die Wangen liefen, während er seine Verwunderung laut aussprach, daß sie mit solchen Dokumenten in den Händen so schwere Prüfungen habe über sich ergehen lassen. Er erbot sich sie zur Herzogin zu erheben, sie aber erklärte, sie wünsche keine Aenderung. Der König selbst stellte sie seiner Familie vor und sie speiste oft mit derselben. Mit gleicher Herzlichkeit wurde sie von der königlichen Familie von Frankreich behandelt als sie Paris besuchte; kurz, bis zu ihrem Tode wurde sie in den Kreisen, in welchen sie sich bewegte, so angesehen, als habe sie in der That den Titel einer Prinzessin von Wales und einer Königin von England geführt. Daß sie ein Recht auf diese Titel hatte, ist nicht zweifelhaft, denn da jenes Gesetz, das den Thronerben Englands von der Nachfolge ausschließt, wenn er sich mit einer Katholikin vermählt, nicht in Anwendung gebracht worden ist, war Maria (Mrs. Fitzherbert) unstreitig, gesetzlich und moralisch, von 1820–1830 Königin von England. Caroline von Braunschweig selbst soll bei dem Prozesse gesagt haben, sie sei eigentlich gar nicht die rechtmäßige Gemahlin Georg’s.

König Georg IV. starb 1830, Maria 1837. Nach seinem Tode forderten seine Testamentsvollstrecker, der Herzog von Wellington und Sir William Knighton, Mrs. Fitzherbert auf, die Papiere über ihre Ehe mit dem Verstorbenen ihnen auszuliefern. Sie blieb edelmüthig bis zuletzt und gab dem Ansinnen Folge: sie gab alle Briefe ihres Gemahls, so wie viele andere Papiere zurück, die sämmtlich in Beisein des Herzogs von Wellington und dessen Collegen verbrannt wurden. Dann fragte man sie, welche Forderungen sie an das Vermögen des Verstorbenen habe. Keine, antwortete sie. Der Herzog von York (bekanntlich auch ein Bruder Georg’s IV.) hatte für sie einen Jahrgehalt von 6000 Pf. St. erwirkt; von ihrem Gemahle hatte sie durchaus gar nichts bekommen, im Gegentheil, sie hatte ihr Vermögen hingegeben, um ihn in den Tagen der Armuth zu erhalten. Nur vier Papiere ließ sie nicht mit vernichten, nämlich die Zusicherung des Jahrgehaltes; ein Testament des Königs (wahrscheinlich eins aus früherer Zeit); einen Brief Georg’s über ihre Verheirathung und einen Brief des Geistlichen, der sie trauete. Diese Papiere wurden, von dem Herzoge von Wellington und Knighton, als Testamentsvollstrecker des Königs, so wie von den Lords Albemarle und Stourton, den Beauftragten der Mr. Fitzherbert, versiegelt, bei den Banquiers Coutts u. C. niedergelegt und sie selbst unterzeichnete ein Versprechen, jene Papiere „ohne Vorwissen der Testamentsexecutoren des Königs,“ nicht zu veröffentlichen.

Nach ihrem Tode wurde ihre Trauung mit dem Prinzen von Wales von Neuen, bezweifelt und Lord Stourton wollte als Antwort darauf jene oben genannten Papiere veröffentlichen, der Herzog von Wellington protestirte aber heftig dagegen. Wiederum vergingen Jahre und sämmtliche vier Beauftragte starben; dagegen hatte Lord Stourton seinen Bruder, Charles Langdale, als seinen Nachfolger in dieser Sache im Testamente ernannt.

Als vor Kurzem Lord Holland in seinen Memoiren das Andenken an Mr. Fitzherbert schmähete, suchte Langdale sofort um die Erlaubniß nach, jene Papiere zu veröffentlichen, die man ihm indeß wieder verweigerte. Er schrieb darauf nach Briefen der unglücklichen Frau, die sie seinem Bruder selbst gegeben, die Schrift, aus welcher die vorstehenden Mittheilungen geschöpft sind und die unwiderleglich darthut, daß Maria Fitzherbert die rechtmäßige Gattin Georg’s IV. und folglich eigentlich Königin von England gewesen ist. Hoffentlich bringt die Zeit auch bald die Papiere hervor, welche noch unter Siegel liegen.




Das doppeleisengehäusige Doppel-Dampfschiff

der Ost-Dampfschifffahrtsgesellschaft in London.[1]

Als Babylon seinen berühmten Thurm anfing, welcher in Philologie und Sprachen- und Völkerverwirrung breit auseinander bröckelte, hatte es den Höhepunkt seiner Weltgeschichte schon erreicht, und wie sich der Thurm erhob, sank der babylonische Staat. Man hat behauptet, daß die beiden babylonischen Thürme Großbritanniens einer zu Lande, der Krystall-Palast, und einer für’s Weltmeer, dieses doppeleiserne Riesen-Doppel-Dampfschiff, dieselbe Bedeutung trügen.

Wir wissen nicht, wie’s damit steht, da sich die Sache erst in der Zukunft entscheidet; aber Thatsache ist, daß in beiden babylonischen Thürmen Englands viel Sprachverwirrung herrscht, und es in beiden sowohl an Geist, als am Besten, an Geld, fehlt. Letztere


  1. Wir verweisen hier, um Wiederholungen zu vermeiden, auf eine bereits in Nr. 4. Jahrgang 1855. der Gartenlaube gegebene Schilderung des ungeheuern Werkes, und beschränken uns hier hauptsächlich auf Erläuterung der gegebenen Abbildungen des Grundplanes, eines Längendurchschnitts und einer Totalansicht.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 655. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_655.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)