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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

Rede gegen den Vorschlag und den Luxus überhaupt? Die Frauen schmähten ihn und klatschten dem Tribun Valerius, der für die Abschaffung des strengen Gesetzes sprach, rauschenden Beifall zu. Und als am anderen Tage nach dieser Rede noch immer einige Volkstribunen zögerten dem neuen Gesetzesvorschlage ihre Stimme zu geben, so belagerten die Frauen die Häuser jener Tribunen, bestürmten sie mit Bitten, Drohungen, Schmeicheleien und ruhten, nicht, als bis sie, wie immer in der Welt, auch dieses Mal ihren Willen durchgesetzt hatten und das Gesetz aufgehoben wurde. Seit dieser Zeit war jede Schranke niedergerissen und die üppigste Kleiderpracht trat an die Stelle der früheren Einfachheit. Besonders in Schmucksachen war der Aufwand außerordentlich. So trug z. B. die Mutter des Brutus, eine sehr schöne Frau, eine Perle, welche sie von Julius Cäsar zum Geschenk erhalten und für welche dieser, nach unserem Gelde berechnet, 272835 Thaler bezahlt hatte …

Wenden wir uns nach dieser kurzen Abschweifung zu der Dame zurück, die eben im Begriff war, zu frühstücken. Die Römerinnen kannten weder Thee, noch Kaffee oder Chokolade. Auch die nahrhaften Biersuppen unserer deutschen Altvordern, jene schwarzen Biersuppen, über welche sich auch der große Friedrich von Preußen in seiner Jugend so bitter beklagte, waren bei ihnen nicht gebräuchlich. Wein und Früchte waren die ersten Hauptbestandtheile ihres ersten Frühstücks. So ließ sich denn auch die Dame von ihren Pagen in einer silbernen Kochmaschine siedend heißes Wasser und einen zierlichen Steinkrug voll alten Chioswein bringen, den sie mit dem Wasser mischte und so trank, nachdem sie vorher einige Feigen gegessen hatte. Dieses erste Frühstück war unstreitig ein sehr frugales, zumal, wenn man es mit dem englischen Morgenimbiß vergleicht, bei dem neben dem Thee die gerösteten Butterschnitte, die weichgesottenen Eier, der Schinken, der kalte Hammelbraten und der Chesterkäse nicht fehlen dürfen; indessen waren dafür die übrigen römischen Mahlzeiten desto üppiger.

Man müßte ein gastronomisches Genie sein, wie es der verstorbene Baron Eugen von Baerst aus Breslau war oder der französische Kochkünstler Soyer ist, um alle die Schüsseln, Saucen, Ragouts, Delikatessen einer römischen Tafel zu beschreiben, zu der drei Erdtheile ihre feinsten Leckerbissen liefern mußten. Ein Speisezettel für römische Gourmands, den wir bei Gellius finden, wird das Bild einer wohlbesetzten römischen Tafel veranschaulichen. „Will man gut speisen,“ heißt es da, „so muß der Pfau aus Samos kommen, Hühner aus Phrygien, Kraniche aus Melos, Böckchen aus Aetolien, Thunfisch aus Chalcedon, Muränen aus Tartessus, Hechte aus Pessinus, Austern von Tarrent, Muscheln aus Chios, andere Seefische aus Rhodus und Cilicien, Nüsse aus Tassus, Datteln aus Egypten und Eicheln aus Spanien.“ Und das war noch keine Völlerei, kein Gastmahl wie es der schlemmende Prätorianerkaiser Vitellius gab, wo ganze Schüsseln voll Nachtigallzungen und Pasteten von Krammetsvögelgehirnen aufgetragen wurden und ein Mittagessen die jährlichen Einkünfte einer ganzen Provinz verzehrte!

Morgentoilette und Frühstück waren nun beendigt und die Dame befahl einer ihrer des Lesens kundigen Sklavin ihr den neuesten Roman vorzulesen. Wir sehen bei diesen Worten ein Lächeln um den Mund unserer schönen Leserinnen, denen das Bild einer romanlesenden, auf ihren Ruhekissen liegenden Römerin des klassischen Alterthums zu fremd und ungewohnt ist und die dabei unwillkürlich einen Vergleich mit einer unserer Damen anstellen, die nachlässig auf ihrem Sopha oder in ihrer Longchaise sitzend einen Roman von Gutzkow, H. König, Prutz, Eugen Sue, Dumas oder Boz liest. Und gab es denn, hören wir fragen, damals Romane? Allerdings gab es deren, wenn sie auch nicht so umfangreich, wie unsere neueren, wie etwa die Pickwickier von Boz, die Mystères de Paris von Sue oder die Ritter von Geist von Gutzkow waren. Es waren meistens kurze Erzählungen, unter dem Namen: Milesische Märchen bekannt, von der griechischen Stadt Milet in Ionien, deren schöne Frauen im Alterthume durch eine besondere Erzählungsgabe und eine erfinderische, wenn auch oft üppige und sinnliche Phantasie berühmt waren. Diese milesischen Märchen waren denn auch durchschnittlich, wie es z. B. bei dem Dekamerone des Giovanni Boccaccio und den älteren französischen Fabliaux[1] und Cortes der Fall ist, ziemlich schlüpfrigen Inhalts; vielleicht aber war es gerade diese mehr als pikante Würze, welche diese milesischen Märchen zu einer Lieblingslektüre der in Sinnenrausch und Ueppigkeit lebenden Römerinnen der Kaiserzeit machte. Mit dieser Lektüre vertrieb sich die Dame die Langeweile, bis es Zeit war, in’s Bad zu gehen oder bis eine ihrer zahlreichen Sklavinnen sie durch ein unbedeutendes Versehen reizte. Dann befahl sie wohl in einer zornigen Aufwallung ihrer Laune die arme Sklavin blutig zu geißeln, wenn sie es nicht vorzog, selbst die Exekution zu vollziehen und dem armen Mädchen irgend eine goldene Nadel, die sie zu ihrem Schmuck brauchte in den bloßen Busen oder in die nackten Arme zu stoßen – denn diese üppigen, ausschweifenden Patrizierinnen, von denen die Meisten gegen 200 Sklavinnen und Freigelassene zu ihrer Bedienung hatten, waren gegen ihre Untergebenen hart bis zur Grausamkeit. Sie mißhandelten diese unglücklichen Geschöpfe auf’s Empörendste und wir wissen kaum, wen man mehr bedauern soll: die „Onkel Toms“ der alten oder der neuen Welt. Gab es doch Römer, welche ihre Sklaven schlachten ließen, um mit ihnen ihre Muränen zu füttern, die durch diese Fütterung mit Menschenfleisch einen feineren Geschmack bekommen sollten!

Das Auge wendet sich von solchen Scenen mit Widerwillen und Entsetzen ab. Die Sklaverei ist der düstere, finstere Schatten, der das Bild des klassischen Kulturlebens in Hellas und Rom trübt. Der humane Geist der neuen Religion, die beim Beginn jenes römischen Kaiserthums von Judäa aus der Welt verkündet wurde, brach zwar die Fesseln, mit denen die griechischen und römischen Sklaven gekettet wurden und zertrat die heidnische Knechtschaft, aber noch ist er nicht so mächtig gewesen, die Bekenner seiner eigenen Religion von dem fluchwürdigen Beginnen: der Menschenknechtung abwendig zu machen! Möge das neunzehnte Jahrhundert das letzte sein, welches die größte Schmach sah, die der Mensch sich selbst aufdrücken kann: Menschen als Sklaven ihrer Nebenmenschen. Möge das Sternenbanner Amerika’s sich erinnern, daß es die Sklaverei war, die am mächtigsten den Untergang Roms vorbereitete. Möge es sich erinnern, daß Athen und Sparta am größten waren als sie der Sklaven wenige besaßen, daß aber dem Staat des Lykurgus der Untergang drohte, als die Heloten ihre Menschenrechte verlangten. … Und es gibt Wiederholungen in der Geschichte! …





Der Präsident der Vereinigten Staaten von Nordamerika.

Die große Republik über dem atlantischen Meere hat so eben einen neuen Präsidenten gewählt, und die ganze civilisirte Welt schaute Monate lang von fern der Aufregung und Anstrengung zu, mit welcher die verschiedenen Parteien dort die Wahl ihres Candidaten durchzusetzen suchten. Millionen Zeitungsartikel sind zu diesem Zwecke geschrieben, hunderttausende von Reden gehalten worden; zahllose Fahnen flatterten, zahllose Fackeln leuchteten bei Parteiaufzügen und Versammlungen am Tage und in der Nacht. Die Summen Geldes, welche man in dieser und anderer Weise aufwendete, werden auf mindestens dreißig Millionen Thaler geschätzt, und unberechenbar sind die Intriguen, die Umtriebe, die Verleumdungen, die Verräthereien, durch welche die eine Partei der andern zu schaden, sich selbst aber zu nützen suchte. „Die Gassenjungen sogar,“ schreibt man uns aus einer kleinen Stadt in Illinois, „zerfielen während der Wahlagitation in politische Parteien, und prügelten einander weidlich bei jeder Gelegenheit.“ Dies Alles beweiset für die außerordentliche Bedeutung der Präsidentenwahl für das Land selbst, wie die Spannung, mit welcher namentlich Europa dem Ausgange derselben entgegensah, für die Wichtigkeit spricht, die sie auch für das Ausland hat.

Die Wahl des Präsidenten der Vereinigten Staaten ist keineswegs, wie man irrthümlicher Weise in Europa ziemlich allgemein glaubt, eine directe, d. h. die stimmberechtigten Bürger wählen nicht den Präsidenten selbst, sondern nur Wahlmänner und zwar in

  1. Erzählungen in Versen.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 684. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_684.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)