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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

nur eine und dieselbe Seite zu, Die ganze uns zugekehrte Scheibe ist so groß, wie Nordamerika, oder wie das russische Reich mit allen seinen ausländischen Theilen, als Sibirien etc. Die andere Seite des Mondes hat zwar noch nie ein Mensch erblickt, sie kann uns also wenig bekannt sein, allein die Wissenschaft hat doch auch von ihr Manches zu erkunden gewußt; was und wie, soll der Leser in die spätern Abschnitten erfahren. Da die uns abgewandte Mondseite so groß wie Südamerika ist, so hat also die ganze Oberfläche des Mondes ungefähr die Größe von Amerika. Obgleich also die Erde eine mehr als 13 Mal größere Oberfläche hat, so würde doch ein Wanderer, der um den Aequator des Mondes herumgehen wollte und täglich 10 Stunden Weges zurücklegte, beinahe fünf Monate gebrauchen. Wollten wir also alle Landschaften des Mondes durchstreifen, so würden wir sobald nicht fertig werden, und deshalb wohl ermüden. Doch ist es auch keineswegs nöthig, jede speciell zu betrachten, da sie oft sich sehr gleichen. Ich wählte deshalb eine Mondpartie aus, an die sich zugleich der Charakter aller übrigen, wenn auch mehr oder weniger, anschließt. Ich hoffe aber, daß es hinreicht, nur das eine Land des Mondes zu durchreisen, um meinen Zweck zu erreichen, nämlich dem Leser eine der Natur gemäße Ansicht vom Monde zu geben. Es mögen darum jetzt die „Streifzüge im Apenninengebirge des Mondes“ folgen. Ehe ich aber diese Wanderungen auf dem Monde mit dem Leser beginne, will ich mich noch verwahren, daß ja keine Schuld auf mich geschoben werden mag, wenn man eine Satire darin fände, daß ich als Ueberschrift wählte: „Apenninengebirge“ – das doch in dem allerchristlichsten Lande, Italien, liegt, – „des Mondes“ – dem Symbole des Unglaubens und der Türkenwirthschaft; vielmehr geschah dies nur, weil dies Mondgebirge die meiste Aehnlichkeit mit irdischen Gebirgen hat, wie man auch, wenn man z. B. nach London oder Paris reist, ein dortiges deutsches Gasthaus wählen wird, von dem aus man dann sich umsieht.




Sclavenleben in Nordamerika.
Erster Artikel.

Ueber das Institut der Sclaverei in den nordamerikanischen Freistaaten herrscht in Deutschland und vielleicht in ganz Europa unter den Gebildeten nur eine Stimme: die Stimme der Verdammniß. Man rechnet es der Union geradezu als Verbrechen an, daß sie die Sclaverei fortbestehen lasse, im Widerspruch gegen die unveräußerlichen Rechte der Menschen, der schwarzen, wie der weißen, der rothgelben, wie der rothbraunen. Andererseits aber werden auch vielfache Gründe geltend gemacht, warum es unmöglich sei, die Sclaverei in Nordamerika überhaupt oder wenigstens sofort aufzuheben, und wenn man die Gründe dieser Vertheidiger – nichte der Sclaverei an sich, sondern der Sclaverei, wie sie einmal besteht, mit unparteiischem Ohre anhört, so wird man wenigstens zweifelhaft, ob man das Recht hat, den Stein der Verdammniß auf die Unionisten in Amerika zu werfen oder ob nicht Entschuldigungsgründe da sind, denen man beizupflichten selbst genöthigt ist. Doch lasse ich diese Frage hier dahingestellt, denn es ist dies mehr eine politische Frange, wobei man auf den Gegensatz zwischen „Norden und Süden“ in den amerikanischen Freistaaten tief eingehen muß.[1]

Warum also die Sclaverei in dem „Lande der Freiheit“ existirt, ob sie mit „scheinbaren Recht“ oder mit „unwiderleglichem Unrecht“ existirt, dies will ich hier nicht untersuchen, sondern mein Endzweck geht dahin, die Leser darüber aufzuklären, wie die Sclaverei in Amerika existirt.

Jenes „Warum“ ist vielleicht schon oft erörtert worden, und von Bessern, als ich bin; dieses „Wie“ aber noch wenig, und – von deutschem oder unparteiischem Standpunkte aus – noch selten oder gar nicht. Darum circuliren auch unter uns (nicht selten sogar in Büchern und Zeitschriften) die haarsträubendsten Geschichten von dem Leben, zu dem die Sclaven in Amerika verdammt seien, und man bekreuzt sich ordentlich, wenn man nur das Wort „Plantage“ oder „Nigger“ hört, weil man gewöhnlich der Ansicht, daß, wo die Sclaverei beginne, die Civilisation, ja das Menschenthum selbst ein Ende nehme. Ich erlaube mir daher, den Leser mitten in das Sclavenleben hineinzuführen, damit er sich sebst sein Urtheil bilde und nicht mehr gezwungen sei, dem oberflächlichen Beobachter mit seinem nachgeplapperten, absprechenden Urtheile durch Dick und Dünn zu folgen.

In den nördlichen Staaten, in Newyork, Massachusets, New-Hampshire, New-Jersey, Pennsylvanien, Connecticut, Vermont, Rhode-Island, Ohio, Indiana, Illinois, Maine, Iowa, Michigan, Wisconsin und Californien (jetzt auch noch Minnesota und Oregon) existirt die Sclaverei längst nicht mehr, sondern sie herrscht nur in den südlichen Staaten: in Delaware, Maryland, Virginien, Missouri, Tennessee, Kentucky, Nord- und Süd-Carolina, Georgia, Arkansas, Alabama, Louisiana, Mississippi, Florida und Texas (jetzt auch in Utah und Kansas). Sie ist nur zu Hause, wo das Klima der Anbau von Tabak, Reis, Baumwolle und Zucker gestattet oder vielmehr gebietet, weil die gewöhnlichen Feldgewächse der Ackerbau treibenden Staaten der Hitze wegen nicht mehr gedeihen. Mit dem Bau obiger vier Erzeugnisse ist aber schon ein großer Unterschied in der Art der Sclaverei oder vielmehr in der Art, wie die Sclaverei gehandhabt wird, gegeben. Wo nämlich Tabak gepflanzt wird, da ist es auch möglich, Mais, Weizen und süße Kartoffeln zu pflanzen, denn der Tabak kommt in allzu warmem Klima nicht fort. Wo aber der Reis, die Baumwolle und der Zucker zu Hause sind, da kommt der Weizen und die Kartoffel nicht mehr leicht fort; die Glühhitze ist zu stark. Ueberdies wäre es eine Sünde an der Natur, einen Acker mit Mais zu bepflanzen, auf dem Zucker oder Baumwolle gezogen werden kann; Mais kommt fast überall fort, Zucker und Baumwolle aber blos in besonders auserlesenen Ländern. Zu den Letzteren sind zu rechnen: Florida, Mississippi, Nord- und Süd-Carolina, Georgia, Louisiana, Alabama, Arkansas und ein Theil von Texas (der tiefgelegene); die Tabaksstaaten aber sind: Delaware, Maryland, Virginien, Tennessee, Kentucky, Missouri und das gebirgige Texas. Hier, in diesen Staaten, haben sich auch viele weiße Farmer angesiedelt, und es gibt daher nicht wenige Gutsbesitzer (Kaufleute und Handwerker ohnehin), die keine Sclaven halten. Weiße Bauern siedeln sich überall an, wo sie Mais, Weizen und Kartoffeln planzen können und dem Tabaksbau sind sie wegen seiner Einträglichkeit ohnedies nicht abhold. Natürlich ist also hier, in diesen Staaten, der Grund und Boden mehr in kleinere Parcellen vertheilt, denn der amerikanische Farmer liebt es nicht, mehr Feld zu haben, als er mit ein paar Knechten übersehen kann. Somit gibt’s weniger große Plantagen, als im Süden, wo sich der Bauer nicht ansiedeln kann, – des Klima’s und der Bodenerzeugnisse wegen. Daraus folgt, daß auch diejenigen, welche in Missouri, Delaware, etc. Sclaven halten, nur wenige haben. Der „Herr“ braucht also keinen Sclavenaufseher, sondern macht diesen selbst. Natürlich sind Sclaven, die unter der Aufsicht des Herrn selbst arbeiten, ganz anders daran, als solche. die der Aufseher unter sich hat, und ohnehin würden es die vielen weißen Farmer, die keine Sclaven halten, nicht zugeben, daß die Sclaven ihres Nachbars schlecht und grausam behandelt würden. Ueberdies: in Maryland, Delaware, Virginien, Tenessee, Kentucky, Missouri und dem größten Theil von Texas planzt jeder Gutsbesitzer seinen Bedarf an Feldfrüchten selbst; folglich darf er weder Kartoffeln, noch Mais, noch Weizen kaufen und – aus diesem Grunde haben seine Sclaven im Vollauf und gut zu essen. Um es also mit einem Worte zu sagen, der Sclave ist hier weniger Sclave, als Knecht; den er hat gerade dasselbe zu thun, was der Knecht des weißen Farmers thun muß und wird auch gerade so behandelt, nur daß er keinen Lohn bekommt, aber dafür in seiner Jugend und seinem Alter von seinem Herrn erhalten wird. Gäbe es demnach keine andere Sclaverei in Amerika, als die Sclaverei in den Tabaksstaaten

  1. Die Sclavenfrage zwischen dem „Norden und Süden“ wird am Ende noch zu einer Trennung der Union führen müssen, wenn nicht die Staatsmänner Amerika’s den Süden – im Interesse der Union – dahin bringen, wenigstens eine allmähliche Emancipation der Sclaven anzubahnen, womit sich der Norden zufrieden geben müßte.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 265. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_265.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)