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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

und doch ist selbst diese Größe etwas Verschwindendes gegen das Unendliche.

Das Kartenspiel verdankt seine Abwechselung und deshalb sein Interesse ebenfalls der Mannichfaltigkeit der möglichen Verbindungen und Versetzungen, die sich mit den Karten eben so gut vornehmen lassen, wie mit den Buchstaben oder Tönen. Wir erfahren bei der Berechnung der Summe der Variationen, denen ein bestimmtes Spiel unterliegt, nicht nur, wie viel verschiedene Spiele überhaupt in der Karte enthalten sind, sondern auch, wie oft ein und dasselbe Spiel der Wahrscheinlichkeit nach wiederkehren wird. Der Scat wird mit der deutschen Karte, also mit 32 Blättern, unter 3 Betheiligten gespielt, so daß jeder Mitspielende 10 Karten erhält, die übrig bleibenden 2 für den Spieler in Reserve in den Scat gelegt werden. Die Verbindungen je zweier Elemente von 32 gegebenen ist eine 496 fache, es kann also 496 Mal ein anderer Scat liegen, und nach 496 Spielen werden der Wahrscheinlichkeit nach wieder einmal dieselben zwei Blätter liegen. Von den übrigen 30 Blättern kann nun der erste der Mitspielenden bei einem und demselben Scate 30´045 015 Mal verschiedene Karte bekommen, während sich die letzten zwanzig Karten auf den zweiten und dritten Mitspielenden dergestalt vertheilen, daß sie unter sich wieder die Karte 184 756 Mal umwechseln können. Auf jede zwei Blätter des Scates kommen also 30´045 015 mögliche Spiele der Vorhand und auf jedes dieser Spiele wieder 184 756 verschiedene Spiele in der zweiten und dritten Hand. Hieraus ergibt sich, daß die Zahl der möglichen Fälle überhaupt 1 376´´645 204 252 320 beträgt. Soviel Spiele werden gemacht werden müssen, wenn alle überhaupt denkbaren Spiele durchgespielt werden sollen. Es ist daher auch die Wahrscheinlichkeit, daß erst nach jener Anzahl von Spielen jeder Mitspielende bei denselben zwei Blättern des Scates dieselbe Karte erhält. Was wäre das aber für ein Stückchen Arbeit, alle diese Spiele durchzuspielen! Gesetzt, drei echte Scatbrüder machten sich daran mit dem Vorsätze, nicht eher wieder aufzuhören, bevor das große Werk geschehen, wie lange müßten sie wohl sitzen? Als tüchtige Spieler sind sie wohl im Stande, in der Stunde zwanzig Spiele zu absolviren, sie spielen Tag und Nacht und müssen sitzen – über 7850 Millionen Jahre. Wenn seit Christi Geburt vier Millionen Spieltische unaufhörlich Tag und Nacht fortgespielt hätten, sie würden noch nicht mit allen diesen Spielen fertig sein.

Eine noch größere Abwechselung in Folge der größeren Kartenzahl bietet das Whistspiel dar. Bei diesem wird der einzelne Spieler erst nach 635 013´559 600 Spielen wieder einmal dieselbe Karte bekommen und es sind im Ganzen circa 178 815 Quadrillion Spiele möglich, eine Anzahl, welche so groß ist, daß keck behauptet werden kann, daß die ganze Whist spielende Gesellschaft von Erfindung dieses Spieles ab bis jetzt noch nicht den Billiontentheil aller im Whist überhaupt möglichen Touren durchgespielt hat. Denn wollten auch alle tausend Millionen Erdbewohner Tag und Nacht fortspielen und jede Stunde zwanzig Partien machen, sie würden demungeachtet vierzig Billionen Jahre brauchen, einen Zeitraum, während dessen eine Schnecke, die stündlich zwei Fuß zurücklegt, 1½ Millionen Mal den Weg von der Erde nach der Sonne durchkriechen könnte, obwohl sie zu dem einmaligen Wege schon achtundzwanzig Millionen Jahre brauchen würde.




Das Insecten-Vivarium.

„Der Ocean auf dem Tische“ oder das Marine-Aquarium, das in der Gartenlaube mehrmals zur Sprache kam, hat viele Freunde in Deutschland gefunden. Es liefen ganze Dutzende von Briefen theils an die Redaction, theils an den Verfasser ein, in welchen der Wunsch ausgesprochen ward, sich solche englische Marine-Aquarien anzuschaffen. Aber alle diese frommen Vorsätze scheiterten an der Schwierigkeit und Kostspieligkeit der Anschaffung und Uebersendung. Aus dieser Verlegenheit rettete der in der Gartenlaube gemachte Vorschlag, Süßwasser-Aquarien aus heimischen Wässern und Mitteln anzulegen. Jedem ist leicht ein Fluß, Teich oder Graben zugänglich, und wer Glück und einen Glaser hat, wird wenig Schwierigkeiten finden, sich einen kleinen Krystallpalast mit einem Stückchen Fluß oder Teich unten anzuschaffen. Das nöthige entomologische Gekrieche und Gewimmel hinein kann an einem einzigen schönen Junimorgen zusammengekrebst werden. Zwar ersetzt ein solches Süßwasser-Aquarium die zoophytischen, thierpflanzlichen Wunder der Meerestiefe nicht, aber wo man die Natur auch packe, überall ist sie interessant und gibt dem Menschen etwas zu rathen, sich zu wundern und alle Margen über irgend eine neue Offenbarung, List oder Laune zu freuen.

Das Insecten-Vivarium.

Und wer mit diesem süßen Surrogate des salzig-englischen nicht zufrieden ist, dem können wir jetzt ein anderes, ganz funkelnagelneues von England her bieten, das vielleicht noch interessanter und leichter anzuschaffen und zu halten sein wird, das „Butter-fliegen-Vivarium“, wie’s die Engländer nennen. Unter Butterfliege – Butterfly – verstehen sie nämlich den Schmetterling. Es handelt sich also um einen Schmetterlings-Krystall- Palast in der Stube mit allerhand fliegendem und kriechendem, buntem und goldenem Leben. So ein Krystall-Palast voller Raupen, Chrysaliden und daraus hervorplatzender, entomologischer persischer Prinzen oder geflügelter Psychen – Sinnbildern der Unsterblichkeit – ist ein ganz anderer Genuß und eine viel reichere Zimmerdecoration, als die an Stecknadeln gespießten, unter Glas und Rahmen aufgehangenen Schmetterlingsleichen. Wie wir aus der Abbildung eines Humphreys’schen Schmetterlings-Vivariums ersehen, zerfällt es in zwei Theile, eine wässerige Unter- und Wurzel-, und eine luftige Ober- und Blumenwelt voll bunten Lebens. Es ist also eine höhere Auflage des Süßwasser-Aquariums. Unten mögen die kleinen Wesen wohnen, denen das Wasser die Luft ersetzt, auch eine Menge kleine amphibische Curiositäten. Den oberen Theil richtet man für Raupen, Chrysaliden und Schmetterlinge ein, die bekanntlich oft als Chrysaliden im Wasser wohnen und sich erst in die Oberwelt begeben, wenn sie sich reif fühlen, in den Himmel zu fahren und einen neuen Adam anzuziehen. Wer denkt nicht gern an die graziöse Wasser-Libelle, diesen lustigen, beschwingten entomologischen Leichtsinn? Sie war kurz vorher eine ekelhafte, unersättlich gefräßige Made des Wassersumpfes. Solche Wandelungen und Auferstehungen tatsächlich in allen ihren Stadien zu beobachten, ist

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 325. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_325.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)