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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

daß ich Coburg-Gotha meine, denn er hat nicht so viele Länder durchzurathen, um das rechte zu treffen. Ebenso weiß er, wem es die Coburger zu verdanken haben, daß sie das Alles von sich sagen können.

Ernst II., Herzog von Sachsen-Coburg-Gotha, wurde am 21. Juni 1818 auf der Rosenau bei Coburg geboren. Er ist der älteste von zwei Brüdern, und Albert, der jüngere, Gemahl der Königin von England. Seit 1842 mit Alexandrine, einer Prinzeß von Baden, vermählt, trat er 1844, nach dem Tod seines Vaters, die Regierung an, und begann sie gleich mit einem charakteristischen Zeichen seiner ganzen späteren Laufbahn. Er machte nämlich einer erbitterten Opposition der Stände dadurch ein plötzliches Ende, daß er diesen einfach sagte: „Ihr habt in den und den Fällen Recht und – sollt es behalten.“

Das Jahr 1848 aber prüfte schon bald seine Kraft, und wacker und edel hat er sich darin gehalten: nachgebend, wo er das Volk berechtigt wußte, muthig und streng, wo er Uebergriffen entgegentrat, mild und verzeihend, als der Sturm vorübergerauscht war und einzelne Opfer aus der Masse, wie das gewöhnlich geschieht, übrig geblieben. Er auch ist der einzige Fürst, der aus jenen bewegten Tagen dauernden Ruhm davongetragen, denn er war glücklich genug, gerade damals ein selbstständiges Commando in Schleswig-Holstein zu haben, als die dänischen Kriegsschiffe (5. April 1849) keck und übermüthig den Hafen von Eckernförde forciren wollten. Doch jene Begebenheit ist zu bekannt, noch ein Wort darüber nöthig zu machen. Unter der gestrichenen Flagge Christian’s VIII. steht jetzt dessen Gallionbild – den dänischen König in riesiger Größe vorstellend – in der Coburger Veste und schaut wehmüthig durch das Glasfenster in den Hof hinaus.

Und treu ist der Herzog von da an der schleswig-holsteinschen Sache geblieben, die dem wahren Deutschen noch einen Tropfen Wermuth in jeden Becher schüttet, den er trinkt; treu und edel hat er die vertriebenen und unglücklichen Opfer jener Zeit, so viele er deren unterbringen konnte, in sein Ländchen aufgenommen. Auch aus Hessen fanden Viele bei ihm Hülfe und Schutz. Leider konnte er nicht Alle aufnehmen, die von fremden und einheimischen Regierungen gemaßregelt wurden – er hätte sich sonst ein neues Königreich erobern müssen.

So warm aber, wie er als erster deutscher Fürst in Frankfurt a. M. gegen jedes den deutschen Brüdern in Schleswig-Holstein gethane Unrecht protestirte, so warm trat er später für jede echt deutsche Sache auf; so im orientalischen Krieg, wo eine neutrale Bewaffnung, so im italienischen, wo eine bewaffnete Neutralität beliebt wurde, und ich brauche wohl kaum noch hinzuzufügen, daß er in neuester Zeit wieder der einzige deutsche Fürst war, der sich den nationalen Bestrebungen unseres Volkes offen und freundlich zeigte, der ihre Berechtigung anerkannte, und in seinem Land dem von der Frankfurter Republik gemaßregelten Ausschuß Obdach verlieh.

Geistig sehr befähigt, mit einem lebendigen Interesse für alles Gute und Schöne, wo er es findet, vereinigt er eine Menge von Eigenschaften in sich, die ihm überall seine Existenz sichern würden, selbst wenn er kein Fürst wäre und mittellos in der Welt stände. Er ist als Regent, General und Politiker gleich tüchtig, und als Regent, General und Politiker arbeitet und strebt er für ein einiges, starkes Deutschland – eine der Hercules-Arbeiten.

Aber auch die Künste hat er deshalb nicht vernachlässigt, sondern sie gehegt und gepflegt. Seine musikalischen Arbeiten und Erfolge sind bekannt, der Literatur bewahrt er ein reges Interesse und selbst in der Oelmalerei hat er sich mit Glück versucht, diese Kunst aber, die ihre Jünger an die Leinwand fesselt, aufgeben müssen, weil er ihr nicht die dazu nöthige Zeit widmen konnte.

Die wirkliche Volkswirthschaft findet dabei an ihm ihren wackeren Vertreter und selbst in der Landwirthschaft besitzt er schätzenswerthe Kenntnisse, wie er denn auch bei dem letzten landwirthschaftlichen Verein in Coburg selber einen Originalvortrag über die Zucht der Pferde hielt.

Was die Persönlichkeit des Herzogs betrifft, so ist er von hoher, stattlicher Gestalt, mit edlen Zügen und offenen, geistreichen großen braunen Augen. Lebendig dabei in seinen Bewegungen wie in seinem Geist, unermüdlich thätig, nie unbeschäftigt, außerordentlich mäßig und einfach in seinem Leben ist er ein kecker Reiter, ein Waidmann durch und durch und mit einem Wort ein Fürst vom Wirbel bis zur Zehe. Das Volk liebt – der Adel haßt ihn – ich wüßte Nichts, was ich noch zu seinem Lobe hinzufügen könnte.




Die neueste Nordpolfahrt des Capitain M’Clintock.
(Schluß.)

Capitain M’Clintock segelte am 1. Juli 1857 von Aberdeen ab und erreichte ohne Unfall Uppernavick, die nördlichste der dänischen Niederlassungen auf Grönland. Er verschaffte sich dort fünfunddreißig Hunde, die er zum Ziehen der Schlitten bei Landreisen benutzen wollte, mit einem Eskimo-Führer. Am 6. August verließ er Uppernavick, um von der Melville-Bai nach dem Lancaster-Sunde hinüber zu steuern. Er kam bis zur Mitte der Davis-Straße, aber hier war das Treibeis, durch das er sich einen Weg bahnen mußte, in solchen Massen aufgehäuft, daß er sich nicht loszumachen vermochte. Sein Schiff fror mitten im Meere ein und wurde mit den Eisschollen während des ganzen Winters vom Winde hin- und hergetrieben.

Vor M’Clintock haben zwei andere Nordpolreisende, Sir James Roß und Kane, eine ähnliche ungemüthliche Reise mit dem Eise gemacht. Roß kam in einem Eisfelde, das einen Umfang von mindestens zwölf deutschen Meilen hatte, zum Festsitzen und wurde mit dieser Masse, als in der Mitte des Augustmonats (1849) Thauwetter eintrat, an der südlichen Küste des Lancaster-Sundes vorbei, in die Baffinsstraße und bis zur Pondsbai geführt. Das Eis zerschellte in demselben Augenblicke, als Roß vor einer Reihe hoher Eisberge den Tod erwartete, in unzählige Bruchstücke, und er war frei. Kane, der mit Capitain de Haven fuhr, wurde vor der Mündung des Wellington-Canals vom Eis eingeschlossen, und trieb in der Baffinsbai bis zum Vorgebirge Walsingham. Der Raum, den er unfreiwillig zurücklegte, betrug über zweihundert deutsche Meilen, und seine Gefangenschaft dauerte vom September 1850 bis zum Juni 1851. Die Gefahr erreichte oft eine solche Höhe, daß die Matrosen ihre Bündel und Schlitten bereit hielten, um sich auf’s Eis retten zu können, falls das Schiff von den Eisbergen erdrückt werde. Man halte ihre Furcht nicht etwa für eine übertriebene. Im August 1853 gerieth Inglefield mit seine» beiden Schiffen Phönix und Breadalban bei der Riley-Spitze zwischen Eisberge. Der Phönix verlor bei dem Zusammenstoß mit den weißen Riesen Schraube und Steuerruder, dem Breadalban wurden beide Seiten eingestoßen, und er sank mit einer solchen Schnelligkeit, daß die Mannschaft sich nur eben noch retten konnte. Dann schlossen sich die Eisschollen wieder, und die Stelle, wo das schöne Schiff wenige Minuten früher versunken war, ließ sich nicht mehr erkennen.

M’Clintock machte die weiteste dieser Eisreisen. Er trieb von 75° 30' bis 63° 30' nördlicher Breite. Seine astronomischen Beobachtungen erlaubten ihm, den Weg genau zu bestimmen, den er machte, während er mit dem Eise hin- und hergeschoben wurde. Die Länge desselben betrug 1194 englisch-geographische oder 2981/2 deutsche Meilen. In Gefahr kam er weniger als seine beiden Vorgänger Roß und Kane. Bildeten sich auch mehrmals offene Stellen, die sich plötzlich mit einer Gewalt schlossen, welche ihre Ränder in Eistrümmer-Wälle von mehreren Fuß Höhe verwandelte, so fanden diese bedrohlichen Vorgänge doch immer in einer gewissen Entfernung vom Schiffe statt. Schlimm wurde seine Lage am 25. April 1858, dem Tage seiner Befreiung. Ein heftiger Südostwind rollte mächtige Wogen heran, unter deren Druck die Eismassen borsten und in gewaltigster Bewegung gegen einander schlugen. Zum Glück hielt der kleine Fox die furchtbaren Stöße wacker aus und gelangte glücklich in freies Wasser.

Während seiner langen Gefangenschaft – sie dauerte 251 Tage – hat M’Clintock Beobachtungen gemacht, die zur Entscheidung

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_022.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)