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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

bleiben. Er schlief prächtig, und als er am andern Morgen mit den russischen Ducaten seine Zeche berichtigt, ging er stolz wie ein Spanier davon.

In dieser Periode kam er einst zu mir, setzte sich mit Prätension, schaute sich im Zimmer um und sagte zu mir: „Es ist eine Schande für Ihre Verehrer, daß Sie so schlecht wohnen. Diese alten schmutzigen Tapeten ekeln mich an. Ich werde Ihnen das Zimmer neu tapeziren lassen und zwar mit den kostbarsten Tapeten, die aufzutreiben sind. Diesen Bettel reiß’ ich nächstens selbst von den Wänden herab.“

„Diese Erlaubniß geb’ ich Ihnen gern,“ versetzte ich lachend; „nur sorgen Sie erst für die neue Wandbekleidung.“

„Gut. Ich halte Sie beim Wort. Und daß ein Schriftsteller, wie Sie, keine Equipage halten kann, hat mich längst bekümmert. Ich denke, Sie werden ferner mit mir fahren.“

„Haben Sie denn Equipage?“

„Noch nicht, aber ich werde sie mir nächstens anschaffen.“ –

Die Ducaten hielten sich keinen Tag in seiner Tasche; sie flogen wie Spatzen fort. Böhner hatte sich allerlei unnützen Kram angeschafft. Ich sah einen Siegelring mit einem geschnittenen Steine an seinem Finger, Busennadel etc. Aber ein sehr nothwendiges Requisit der Lebensordnung hatte er zu kaufen vergessen – Taschentücher. In Ermangelung dieses Artikels hatte er hinter dem Rücken der am Flügel spielenden jungen Gräfin eine banausische Naivetät begangen, die, von der feinen Dame im Spiegel vor ihr bemerkt, seine augenblickliche etwas stürmische Entlassung von Seiten des Grafen zur Folge hatte.

Nach einiger Zeit kam er wieder mit dem alten timiden Gesichtsausdruck zu mir.

„Wie steht’s mit den neuen Tapeten, lieber Böhner?“ rief ich ihm entgegen.

„Hol’s der Henker! die alten müssen noch hängen bleiben.“

„Und die Equipage?“

„Wir müssen Beide noch zu Fuße laufen.“ –

So kurz auch seine Glücks- und Glanzperiode war, so sehr sie von seiner Krankheit getrübt wurde, so ist dagegen sein späteres kümmerliches Leben nicht ohne Licht- und Freudentage gewesen. Er hat überall Freunde im schönen thüringischen Vaterlande, und alle musikalischen Künstler und Dilettanten verehren und behandeln ihn mit Pietät. Hie und da wird noch ein Concert oder eine musikalische Unterhaltung für ihn arrangirt. Und so wandert er von Stadt zu Stadt, von Dorf zu Dorf, ein milder freundlicher Greis, überall gekannt und gern gesehen, und der Lebensabend ist ihm wenigstens kein ganz unfreundlicher.




Aus dem Leben eines Orang-Outang.

Bei meiner letzten Anwesenheit in Samarang auf Java, im Jahre 1848, kaufte ich von einem holländischen Gutsbesitzer einen weiblichen Orang-Outang in der Absicht, ihn womöglich lebendig nach Deutschland zu bringen. Zwar wurde durch einen unglücklichen Zufall meine Absicht vereitelt, jedoch hatte ich Gelegenheit den Orang-Outang drei ein halb Monate lang beständig zu beobachten und glaube, daß die folgenden Data über die Lebensweise, Gewohnheiten und Eigenthümlichkeiten dieses sogenannten Waldmenschen nicht ohne Interesse sind.

Als ich das Thier kaufte, war es drei bis vier Jahr alt, vollständig ausgewachsen und maß vom Scheitel bis zur Sohle 3 Fuß 5 Zoll. Es war auf Sumatra jung eingefangen, gänzlich gezähmt und lief frei auf der Besitzung seines Herrn umher. Der Körper war mit langen rothbraunen Haaren bedeckt, die jedoch nur spärlich standen; der Kopf war ganz kahl, und seine schmutzig schwarze Haut, sowie überhaupt die ganze Erscheinung des Thieres machte einen höchst widerlichen Eindruck. Namentlich fiel der Mangel an Proportion in den einzelnen Theilen des Körpers auf, die langen fleischlosen Arme und Beine, der kurze, dicke, fast verschwindende Hals, die außerordentlich dicken wulstigen Lippen, während die Nase nur durch zwei runde Oeffnungen angedeutet wurde. Das einzige Schöne waren die großen braunen Augen, deren Ausdruck etwas so Menschliches hatte, daß man mit der übrigen Mißgestalt fast ausgesöhnt wurde.

So lange sich unser Schiff noch in den javanischen Gewässern befand, wählte der Orang-Outang das Verdeck zu seinem beständigen Aufenthalte und suchte sich Nachts eine geschützte Stelle, wo er der Länge nach ausgestreckt schlief. Während des Tages war er außerordentlich aufgeräumt, spielte mit anderen kleineren Affen, die sich an Bord befanden, und spazierte in dem Takelwerk umher. Ein besonderes Vergnügen schien er an Turnübungen und akrobatischen Kunststücken zu finden, die er mehrmals des Tages an den Tauen ausführte. So war es eine Lieblingsbewegung von ihm, zwei straff stehende und parallellaufende Taue mit den Füßen zu ergreifen, die Beine zu einer geraden Linie auszustrecken, mit über die Brust gekreuzten Armen längere Zeit in dieser Stellung zu verharren, dann plötzlich ein Salto Mortale zu machen, dabei die Taue mit den Händen zu ergreifen und den Körper herunterhängen zu lassen. Die Gewandtheit des Thieres und die bei diesen Bewegungen entwickelte Muskelkraft war staunenswürdig, und ich habe nie dergleichen gesehen. Um dem Leser einen Begriff von der letzteren zu geben, will ich nur Folgendes anführen. Ich hatte einige hundert Kokosnüsse mitgenommen, von denen der Orang-Outang täglich zwei erhielt, da sie in seiner Heimath seine Hauptnahrung ausmachen. Jeder, der eine reife und in ihrer Faserhülle befindliche Kokosnuß gesehen, wird Gelegenheit zu der Wahrnehmung gehabt haben, wie äußerst zähe jene zwei Zoll dicke Hülle ist und welche große Mühe es kostet, selbst mit einem Beile sie zu durchdringen. Der Orang-Outang setzte jedoch an dem spitzen Ende der Nuß, wo die Frucht, wie bei einigen Aepfeln, kleine Erhöhungen oder Buckel zeigt, die Zähne seines gewaltigen Gebisses in einen der letzteren, den rechten Hinterfuß gegen den anderen Buckel und riß auf diese Weise regelmäßig die so zähe Schale auseinander. Sodann bohrte er mit seinen spitzen Fingern eine der natürlichen Oeffnungen in der eigentlichen Nuß auf, trank die Milch aus, zerschlug darauf die Nuß an einem harten Gegenstande und fraß den Kern. – Sobald wir jedoch die Sundastraße verlassen hatten und etwas südwärts gingen, verlor das Thier mit der abnehmenden Wärme sein lebhaftes Temperament. Er turnte weder, noch spielte er mit den übrigen Affen, so oft dieselben ihn auch dazu animirten. Er kam nur noch selten auf das Verdeck und dann nie, ohne die wollene Decke seines Bettes hinter sich herzuschleppen und sich, sobald er still saß, vollständig in dieselbe einzuhüllen. Außerhalb der Wendekreise hielt er sich größtentheils in der Kajüte auf und auch dort konnte er stundenlang mit der Decke über den Kopf gezogen auf einem Flecke sitzen, ohne auch nur einmal den Kopf umzuwenden. Sein Bett bestand aus einer Seegrasmatratze, einem eben solchen Kopfkissen und einer wollenen Decke. Obwohl er auf dem Gute seines früheren Herrn stets nur in dem Winkel eines Schuppens übernachtet hatte, nahm er vom ersten Tage an das ihm offerirte Bett gern an und schien es sehr behaglich zu finden. Sein Zubettgehen war jedoch stets mit großen Umständlichkeiten verknüpft und nie schlief er ein, ohne zwei bis drei Mal wieder aufgestanden zu sein und Kopfkissen oder Matratze wiederholt geglättet zu haben. Dies that er stets mit dem Rücken der Hand und nicht selten klopfte er fünf Minuten lang auf die vermeintlich unebenen Stellen. Schien es ihm endlich recht, so streckte er sich auf den Rücken aus, zog die Decke um sich, sodaß nur die Nase mit den dicken Lippen frei blieb, und lag in dieser Stellung die ganze Nacht, oder vielmehr zwölf Stunden, ohne sich zu rühren. Ich sagte hier zwölf Stunden, weil er nur in seiner Heimath während der Nacht schlief. Sein Aufstehen und Niederlegen war dort so regelmäßig, wie eine Uhr. Punkt sechs Uhr, mit Sonnenaufgang erhob er sich und legte sich zu Bett, sobald der letzte Strahl der Sonne unter dem Horizonte verschwand, was bekanntlich in der Nähe des Aequators (Sumatra und Java liegen nur einige Grade von letzterm entfernt) um 6 Uhr Abends stattfindet. Als wir jedoch westwärts segelten und demgemäß immer mehr in Zeit abwichen, bemerkten wir, daß der Orang-Outang täglich früher zu Bett ging und, weil er zwölf Stunden schlief, auch ebensoviel früher aufstand. Anfänglich achteten wir nicht darauf, zuletzt wurde es jedoch zu auffällig, um länger unserer Aufmerksamkeit zu entgehen. Wenn diese Veränderung des Schlafengehens auch nicht genau mit der Zeitveränderung des Schiffes im Verhältniß

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_026.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)