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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

Mensch, sodaß ich ihn nicht zu bändigen vermochte. Dieser Zustand hielt ungefähr eine Viertelstunde lang an; dann fiel er plötzlich zu Boden, es trat ihm Schaum vor den Mund und er lag steif und regungslos. Da ich glaubte, daß er im Sterben sei, legte ich ihn in sein Bett; jedoch kam er nach einigen Stunden wieder zu sich, aber nur um in ein heftiges Nervenfieber zu verfallen, an dem er nach 14 Tagen starb. Während dieser Zeit nahm er nichts mehr zu sich, als etwas Wein mit Wasser. Ich gab ihm nach den an Bord gebräuchlichen Vorschriften die betreffenden Arzneien für seine Krankheit, und er nahm sie auch willig ein. Ich hatte ihm einmal an den Puls gefühlt, und seitdem streckte er mir jedesmal, wenn ich an sein Lager trat, die Hand entgegen. Dabei hatte sein Blick etwas so Rührendes und Menschliches, daß mir öfters die Thränen in die Augen traten. Seine Kräfte nahmen allmählich ab, bis er am vierzehnten Tage nach einem heftigen Fieberanfalle, während dessen er stark phantasirte, verschied.

Ich steckte die Leiche in Spiritus und schenkte sie bei meiner Ankunft in Hamburg dem dortigen Museum, wo Bobi jetzt von der kunstreichen Hand des Custos Siegl ausgestopft neben seinem eigenen Skelette steht.

W–r.




Bilder vom Thüringer Walde.
Von B. Sigismund.
2. Die Köhler.

Ein angenehmer brenzlicher Duft zeigt den Weg zu der Schlagfläche, wo die blaugrauen Rauchsäulen der Meiler emporwirbeln. Ein wilder Pfad zwischen Fichtenstöcken, an denen Fingerhut blüht, und schön grünen Moospolstern führt an einem Quellchen vorbei, das über eine Fichtenrinde in ein Gefäß rinnt, zu einer Stelle, wo inmitten hochaufgebauter Haufen von Scheiten und Stöcken die Meiler ragen.

Thüringer Köhlerhütte.

Die Hütte der Köhler hat eine reizende Lage, mit der Aussicht in einen stillen Waldgrund und auf dunkelgrüne Höhen. Die Herberge der ständigen Köhler des Gebirges steht an Wetterfestigkeit und Bequemlichkeit hoch über den kleinen, zeltähnlichen Reisighütten („Kriechlöchern“) der „Kohlenbrenner“ des niedern Landes, die nur dann und wann an verschiedenen Orten einen kleinen Meiler bauen. Ihre fensterlosen Schrotwände sind aus gespaltenen Stämmen aufgeführt, das Dach ist mit Fichtenrinde dicht bedeckt, die thürlose Pforte, die zugleich das Fenster vertritt, ist schön gewölbt. Der auf drei Bewohner eingerichtete Innenraum ist etwa zwölf Fuß lang, zehn breit und sieben Fuß hoch. Längs der drei vollen Wände strecken sich breite Bänke, die jeden Sonnabend mit frischem Tannenreisig bedeckt werden. Zu Häupten jedes Lagers steht eine kleine verschlossene Lade, welche die Kartoffeln und die mit Mehl und Salz gefüllten Schachteln birgt und zugleich als Kopfkissen dient. Ueber diesen Bänken läuft das „Tresurchen“, ein Bretersims, auf dem die Koch- und Eßgeschirre zierlich aufgepflanzt sind. In der Mitte der Hütte brennt das nie ausgehende Heerdfeuerchen, das Nachts den Ofen und die Betten ersetzt.[1]

In einer solchen Hütte hauset der Meister, der die Verantwortlichkeit des Geschäftes auf sich hat, mit dem Gesellen und dem Jungen. Im Aeußeren unterscheiden sie sich nur durch das Alter. Ein schwarzer, breitrandiger Filzhut, schwarzbestaubte Kleider von

  1. Daß auch in den schlichtesten Bauten jedes Gebirg seinen eigenen Styl hat, zeigen die Abbildungen der Harzer und Voigtländer Köhlerhütten.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_028.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2017)