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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

Karl von Holtei.

Holtei wurde 1797 in Breslau geboren; er ist ein Sohn des liederreichen, gemüthlichen Schlesiens, das dem deutschen Vaterlande schon manchen bedeutenden Dichter von Opitz bis auf ihn selbst geschenkt hat.

Frühzeitig regte sich in dem begabten Knaben, der nach dem Tode seiner Eltern bei wohlhabenden Verwandten erzogen oder vielmehr verwahrlost wurde, die Lust an der Poesie, vor Allem aber eine unbezwingbare Leidenschaft für das Theater. Alle seine Ersparnisse wanderten in die Casse des Billeteurs; er war überglücklich, wenn er einem Schauspieler oder gar einer Künstlerin sich nähern durfte. Bald erwachte auch in ihm der Wunsch, ein darstellender Künstler zu werden, und wie sehr auch seine adligen Verwandten sich dagegen sträubten, setzte er endlich doch seinen Vorsatz mit seltener Beharrlichkeit durch, nachdem er zuvor einige Zeit Oekonom gewesen und sogar als freiwilliger Jäger für die Befreiung des Vaterlandes in’s Feld gezogen war, ohne jedoch Blut zu vergießen. Auf dem Privattheater des kunstliebenden Grafen Herberstein in Grafenort debutirte der jugendliche Anfänger mit vielem Beifalle, worauf er als „Mortimer“ die Breslauer Bühne betrat und vor einem größeren Publicum öffentlich erschien. Auch hier fehlte es ihm anfänglich nicht an Applaus, obgleich er ebensosehr mit den Vorurtheilen seiner Landsleute, als mit den Intriguen seiner Collegen zu kämpfen hatte. Sein Talent fand jedoch nicht die richtige Verwendung, indem er, ursprünglich für komische Charakterrollen begabt, in dem Fache eines zweiten Liebhabers auf die Dauer nicht ansprechen konnte. Ein zweiter Versuch in Dresden, wo er ein Gastspiel erlangte, fiel so unglücklich aus, daß er für einige Zeit seinen Illusionen entsagte und von der Bühne Abschied nahm. Er kehrte nach seiner Vaterstadt zurück, wo er eine Anstellung als Theatersecretair erhielt, Prologe und einige kleine Stücke schrieb, welche mit großem Beifall aufgenommen wurden, und ein entschiedenes dramatisches Talent verriethen. Hier verheirathete er sich mit der reizenden Louise Rogée, welche er in Grafenort kennen gelernt hatte; sie war der Liebling des Breslauer Publicums, eine vorzügliche Künstlerin voll Anmuth, Grazie und hinreißender Natürlichkeit. Ihr Talent und der Umgang mit dem originellen Theaterfreund und Schriftsteller Karl Schall, dem schlesischen Fallstaff, der in seinem dicken Körper eine Fülle von Geist, Witz und Kenntnissen beherbergte, waren von dem größten Einflüsse auf Holtei’s Entwickelung und ermunterten ihn zu neuen Arbeiten. Besonders verdankte er dem kritischen Schall eine tiefere Einsicht in das Wesen der dramatischen Dichtung und des Vortrags, indem der unförmliche Freund mit bezaubernder Wirkung die Meisterwerke Shakespeare’s las und somit Holtei’s Vorbild als Vorleser wurde.

Ein Streit über das Auftreten einer Seiltänzergesellschaft in Breslau, den der Dichter mit allzugroßer Leidenschaftlichkeit führte, verleidete ihm und seiner Gattin den bisherigen Aufenthalt. Beide siedelten nach Berlin über, wo Louise bald ein beliebtes Mitglied des Hoftheaters wurde, während Holtei durch seine „Wiener in Berlin“ die Residenz entzückte. Der gemüthliche Ton des kleinen Liederspiels, die heiteren Melodien, welche er zuerst nach dem Norden geschickt verpflanzte, hatten einen ungemeinen Erfolg und machten seinen Namen populär; er schien und war auch in der That berufen vor Allen, dieses heitere Genre in Deutschland anzubauen.

Das Glück lächelte ihm, wie so oft im Leben, um ihn durch

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_037.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)