Seite:Die Gartenlaube (1860) 073.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

und Säugethiere verschieden. Unter letzteren fliegen die Fledermäuse wiederum mit anderen Flügeln als die Vögel. Sie verlängern nämlich ihre Arm- und Fingerknochen ungemein und spannen zwischen den Fingern eine große Flughaut aus, welche am Arme entlang, an den Seiten des Leibes fort bis an die Hinterbeine reicht und oft auch zwischen den Hinterbeinen und dem Schwanze noch ausgespannt ist. Hier wird also die Flatterhaut von allen Fingern, mit Ausnahme des Daumens, gespannt, bei den vorweltlichen Pterodaktylen nur vom vergrößerten fünften Finger. Der Unterschied zwischen diesen beiden Flugorganen ist also nur ein relativer, kein absoluter, und das hat seinen Grund darin, daß bei den Fledermäusen der Flug die hauptsächliche und vorherrschende Bewegungsweise ist, bei den Pterodaktylen, wie wir bald sehen werden, die flatternde Bewegung der kletternden ganz untergeordnet war. Unter den Säugethieren finden wir noch andere Flug- oder vielmehr bloße Flatterorgane bei dem fliegenden Maki, dem Flugbeutler und den fliegenden Eichhörnchen. Bei all diesen ist eigentlich nur ein Fallschirm vorhanden, der sie befähigt, von höheren Aesten auf entfernte niedere sich herabzulassen. Er besteht aus einer behaarten Hautfalte zu jeder Seite des Leibes, von den Armen bis zu den Beinen reichend.

Der Flugfinger der vorweltlichen Pterodaktylen erscheint nach solchen vergleichenden Betrachtungen weder als etwas Wunderbares, noch beispiellos Absonderliches, da die lebenden Thiere noch größere Absonderlichkeiten aufzuweisen haben. In ihrer ganzen übrigen Organisation nun sind die Pterodaktylen echte Eidechsen, abweichend von den lebenden nur insoweit, als der Bau der eigenthümlich flatternden und kletternden Lebensweise sich anbequemen mußte. Wir dürfen von vornherein vermuthen, daß diese Abweichung in einer Annäherung an die Vögel bestehen wird. Die Vögel bedürfen zum Flügelschlage sehr großer Brustmuskeln, deren Anheftung ein sehr breites Brustbein voraussetzt; dem annähernd ähnlich ist denn auch bei den Pterodaktylen das Brustbein beträchtlich breiter und kürzer, als bei allen andern Echsen, lebenden und vorweltlichen, breiter als bei allen Säugethieren. Luftthiere haben im Verhältniß zu Land- und Wasserbewohnern immer eine lebhaftere, mehr energische Respiration, bei den Vögeln ist daher der ganze Rumpf fast nur Brustkasten, der Bauch tritt ganz zurück, ebenso bei den vorweltlichen Flugechsen, welche dreizehn bis sechzehn Rippenpaare und dahinter nur zwei bis drei rippenlose Lendenwirbel besitzen. Der Schädel der Pterodaktylen erscheint in seinen allgemeinen Umrissen so vogelähnlich, daß man anfangs die Thiere deshalb Ornithocephalus, Vogelkopf, nannte, allein die Vergleichung der einzelnen Schädelknochen, die Anwesenheit dreier Stirnbeine, die Umgrenzung der Nasen- und Augenhöhlen, die Knochen der Gaumen- und Schläfengegend machen die Echsenverwandtschaft ganz unzweifelhaft und entfernen die Flugsaurier weit von den Vögeln. Sind doch auch die Kiefer mit starken scharfspitzigen Zähnen bewaffnet, die kein einziger Vogel aufzuweisen hat. Allerdings hat man bei einem Flugsaurier an der Kieferspitze noch Andeutungen dahin gefunden, daß vielleicht das bezahnte Maul vorn in einen hornigen Schnabel ausging, also Vogelschnabel und Krokodilrachen hier vereint gewesen könnten. Ich sage absichtlich Krokodilrachen und nicht Eidechsenrachen, denn die Pterodaktylen haben in Alveolen (Zahnfächer) eingekeilte Zähne, wie die Krokodile, und nicht auf- oder angewachsene, wie die Eidechsen. Der große Schädel und die starken Zähne setzen eine sehr kräftige Muskulatur am Kopfe voraus und daß solche vorhanden war, beweisen die starken Leisten und Kämme an der hintern Schädelgegend und nicht minder die ungeheuer kräftigen Halswirbel. Durch letztere weichen die Pterodaktylen wieder von allen lebenden Eidechsen und Vögeln ebenso auffallend ab, wie durch ihren Flugfinger.

Der Kopf der Flugsaurier hat so ziemlich die Größe des Rumpfes, der Hals die Länge des Rumpfes und zugleich sind seine Wirbel auffallend viel größer und dicker, als die in der Brustwirbelsäule, welche schnell kleiner werden bis in die Beckengegend, wo, wiederum abweichend von allen lebenden Eidechsen und Amphibien überhaupt, dagegen vogel- und säugethierähnlich, ein aus sechs Wirbeln bestehendes Kreuzbein sich findet. Hinter diesem läuft die Wirbelsäule meist in einen kurzen feinen Schwanz aus. Welche Bewegungsweise nun kann ein Thier gehabt haben, dessen Kopf und Hals kolossaler und schwerer als der ganze übrige Leib war? Die ersten Beobachter der Pterodaktylen dachten bei der Betrachtung des übermäßig langen Fingers an schwimmende Bewegung, allein hätte dieser Finger zum Rudern gedient: so wären seine Knochen nicht drehrund walzig, sondern, wie bei rudernden Säugethieren, Vögeln und Amphibien, flachgedrückt, und es müßten starke Leisten an den Armknochen vorhanden sein, an welche sich die zu seiner Bewegung erforderlichen großen Muskeln ansetzten. Der Finger spannte vielmehr, ähnlich wie die vier Finger bei den Fledermäusen, eine große Flughaut, aber weder so anhaltend, noch so gewandt, geschickt und leicht, wie jene, konnten die Flugsaurier fliegen. Beim Fluge hält das Thier den Körper in vorgeneigter bis wagerechter Stellung; das war den Pterodaktylen unmöglich, da der Schwerpunkt ihres Körpers vor die Mitte auf Hals und Kopf fällt. Sie hätten stets mit dem Kopfe unten, den Schwanz oben fliegen müssen, und dann war die Muskulatur des Flugfingers immer noch zu schwach, um durch Flügelschlag den Körper zu heben. Die eigenthümliche Form der Krallen an den ganz normal gebildeten vier vordern Fingern und an den Hinterzehen, die ganz flach gedrückt, stark gekrümmt und spitzig sind, stimmt genau überein mit der Krallenform des kletternden Maki und anderer ausgezeichneter Kletterer. Die Hauptbewegung der Pterodaktylen konnte wegen dieser Krallenform nur Klettern sein, und auf dem Gipfel eines Baumes angekommen, ließen sie sich durch Ausspannen ihrer Flatterhaut wie mittelst eines Fallschirmes auf die untern Aeste oder auf den Boden nieder. Der ganze Knochenbau der Pterodaktylen spricht entschieden dagegen, daß diese Thiere wie die Fledermäuse anhaltend in der Luft umherschwirrten, er spricht ebenso entschieden auch dagegen, daß sie, wie man ganz neuerdings noch zu beweisen suchte, aufrecht am Boden umherspazierten. Sie fingen kletternd und von höhern Aesten sich herabstürzend Insecten, nicht anders als die noch gegenwärtig lebenden Drachen, waren aber, nach ihrem starken Gebiß und kräftigen Knochenbau in der vordern Leibeshälfte zu schließen, viel gefräßiger, als diese, und bedurften daher auch eines größeren Fallschirmes.

Man hat bereits eine ziemliche Anzahl von Arten der Flugsaurier unterscheiden können, aber keine einzige derselben war häufig, ihre Ueberreste gehören in den Sammlungen noch immer zu den seltensten und kostbarsten Versteinerungen, so sehr aufmerksam man auch in den Steinbrüchen, wo sie vorkommen, auf sie achtet. Die Unterschiede, welche sie im Bau unter einander bieten, sind sehr erheblich. So trennt man eine Art von den übrigen ab, weil ihr Flugfinger nur zweigliedrig statt viergliedrig ist; einige andere Arten haben einen über körperlangen, sehr steifen, unbeweglichen Schwanz und kurzen Hals, und nur diese scheinen eine hornige Schnabelspitze, womit sie vielleicht Insectenbaue aufwühlten, besessen zu haben; die übrigen endlich sondern sich in solche mit vier- und in solche mit fünfzehigen Füßen und unterscheiden sich weiter noch nach der Anzahl und Form der Zähne und andern Eigenthümlichkeiten.

Die Schöpfungsperiode, während welcher die Flugsaurier lebten, war die jurassische. Ihre Ueberreste lagern spärlich im Lias Englands, Würtembergs und bei Banz in Baiern, dann im braunen Jura bei Stonesfield und am zahlreichsten bei Solenhofen in den weltberühmten Steinbrüchen des lithographischen Kalkes, die jüngsten endlich noch in der Kreideformation Englands. So sind die Pterodaktylen also Zeitgenossen der kolossalen, plumpen Riesensaurier oder Landsaurier und der ungleich seltsameren Meeresdrachen oder der Ichthyosauren und Plesiosauren. Diese drei gänzlich untergegangenen Saurierfamilien vertraten während der Jura- und Kreideperiode die erst in der folgenden tertiären Schöpfungsperiode erscheinenden Säugethiere und Vögel, denen sie sich in Lebensweise und Knochenbau mehr näherten, als irgend ein gegenwärtig lebendes Amphibium, ohne daß sie deshalb aber in ihren wesentlichsten und allgemeinsten Merkmalen von dem Amphibien-Typus abwichen.




Duell im Dunkeln.
Amerikanisches Charakterbild.

Der echte Amerikaner – ich meine nicht den Yankee, das friedlich „blaubauchige“ Kind des Nordens, sondern den echteren, den Republikaner des Südens der Union, und zwar den gemeinen oder Americanus vulgaris – ist oft geschildert worden, am feurigsten

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_073.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)