Seite:Die Gartenlaube (1860) 112.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

Apollo dargebrachten Loblied betrachtete. – Aeschylos, welcher um’s Jahr 480 vor Christo lebte, erwähnt zuerst, daß der Schwan auch im Sterben singt, und nennt diesen letzten Gesang sein Leichenlied. – Plato, um’s Jahr 360 vor Christo, glaubt, daß der sterbende Schwan in dem Bewußtsein singe, daß er zu einem besseren Leben, daß er zu dem Gotte gehe, dessen Diener er sei; sein Leichenlied sei freudiger, als alle die er je zuvor gesungen. – Aristophanes drückt die zwei Töne, aus welchen der Gesang besteht, durch „tio, tio, tio, tio, tier“ aus. – Der größte Naturforscher des Alterthums, Aristoteles, 330 vor Christo, erwähnt das Sterbelied des Schwanes ohne einen Ausdruck des Zweifels. – Erst Plinius, 75 nach Christo, welcher nie die Gelegenheit gehabt, Singschwäne zu beobachten, wahrscheinlich aber stumme gesehen hatte, hegt einige Zweifel gegen das Sterbelied.

Die höchst merkwürdige, zur Erzeugung der starken Stimme jedenfalls viel beitragende Länge und Gestalt der Luftröhre des Singschwans beschreibt zuerst der Bologneser Arzt Aldrovandi im Jahr 1634. Sie senkt sich, vom Halse kommend, tief in eine eigens für sie bestimmte Höhlung des Brustbeins, biegt sich an deren Ende um, geht nach dem Eingang der Höhlung zurück, von da erst in’s Innere der Brust, bildet dort den inneren Kehlkopf und theilt sich unter diesem in zwei Aeste, welche in die Lunge übergeben. Aldrovandi ahnte das Dasein zweier Schwanenarten noch nicht. Erst Ray zeigte um’s Jahr 1667, daß es eine Schwanenart gebe, welcher die beschriebene Gestalt der Luftröhre fehlt.

Die ersten Nachrichten von Singschwänen, welche gefangen, dann gezähmt und zur Vermehrung gebracht wurden, gibt Mauduit. Sie kamen in den Jahren 1740 bis 1769 nach Chantilly, woselbst man sich ihrer bemächtigte; bald wurden sie ganz zutraulich, holten ihr Futter aus der Hand der Wärter, brüteten sorgfältig, kämpften an ihrem Brutplatze heftig gegen eindringende Gänse und stumme Schwäne, schlugen die Feinde in die Flucht, schwangen dann die Flügel und ließen mit hochgehobenem Haupte ihr Triumphlied erklingen. Bei jedem Ton beugten sie den Kopf. Ihr Lied bestand aus zwei oft hintereinander wiederholten Tönen; das Männchen konnte man aus die Entfernung einer Wegstunde hören; die Stimme des Weibchens war schwächer, seine zwei Töne stellten die Noten d und e, die des Männchens e und f vor. Sie sangen überhaupt bei Aufregung und außerdem in der Regel früh und Abends.

In Island nisten die Singschwäne zahlreich an Sümpfen und Seeen, werden zur Zeit der Mauser in Menge gefangen, bleiben im Winter, und der Isländer Eggert Olafsen, dem wir genauere Nachrichten über sie verdanken, nennt ihren Gesang die schönste Wintermusik und vergleicht ihn mit Violintönen.

Im Norden Rußlands und mehr noch Sibiriens brüten sie in großer Menge; im Herbst wandern die Schaaren an die Ufer des schwarzen und kaspischen Meeres, Kleinasiens und Griechenlands. Pallas vergleicht den lieblichen Klang ihrer Stimme mit Silberglocken und fügt hinzu, daß auch die letzten Athemzüge tödtlich verwundeter die singenden Töne hervorbringen. – Auch Ad. Ermar fand (in den Jahren 1828–30) in Sibirien die Stimme der Schwäne von hellerem Silberklang als die irgend eines anderen Thieres, und daß ihr letztes Athmen nach Berwundung noch jene Töne hervorbringt. – F. J. v. Kittlitz fand viele Singschwäne in Kamtschatka, und vergleicht ihre Töne mit denen der Violine. DrLindermayer’s Untersuchungen weisen nach, daß auch Singschwäne aus dem Lykari- und Kopais-See Griechenlands als Standvögel Sommer und Winter bleiben.

An den Gestaden der Ostsee gibt es mehrere Stellen, wo sich die Singschwäne jeden Herbst in Menge einfinden. Sie bleiben, so lange noch das Eis nicht weit vom Ufer in’s Meer hinein reicht, und so lange noch an den Mündungen der Flüsse und Bäche offenes Wasser ist. Im Frühjahr kommen sie wieder, sobald sich vor den Flüssen und Bächen offene Stellen von der Größe eines Landsees bilden. Landeinwärts gehen sie dort auf dem fließenden Wasser nie. An die Küste der Insel Oesel kommen sie besonders häufig, singen dort, wie mir ein auf jener Insel wohnender Freund mittheilt, im Herbst und Frühjahr, verkünden im Herbst, wenn sie in Schaaren singen, bevorstehenden Frost, sind übrigens jederzeit sehr schwer und nur mit der Büchsenkugel zu erlegen, da sie vorsichtig und scheu sind; auch stellt man ihnen wenig nach, weil man sie nicht verspeist. Stumme Schwäne zeigen sich bei Oesel selten.

An der Küste Pommerns hat der Naturforscher Dr. W. Schilling die Singschwäne oftmals beobachtet. „Sie lassen,“ sagte er im Jahre 1859, „die lauten, reinen Töne als Lockton, Warnungsruf und, wenn in Schaaren vereinigt, im Wettstreit zur eigenen Unterhaltung hören. Man hört sie dann in stundenweiter Ferne, und möchte diese Töne bald mit denen der Glocken, bald mit denen blasender Instrumente vergleichen Dieser eigenthümliche Gesang ist oftmals auch der Grabgesang dieser schönen Thiere, denn wenn sie im tiefen Wasser ihre Nahrung nicht mehr zu ergründen vermögen, so werden sie vom Hunger dermaßen ermattet, daß sie zur Weiterreise die Kräfte nicht mehr besitzen und dann häufig auf dem Eise angefroren sterben, wobei sie bis an ihr Ende ihre melancholischen hellen Laute hören lassen.

Auf den deutschen Binnenseeen erscheinen die Singschwäne nur selten. „Im Jahr 1858,“ so erzählt der Naturforscher Dr. v. Kobell, „hielt sich eine Schaar von 43 acht Tage lang auf dem Starnberger See bei München auf. Man hörte ihr Geschrei weit und fast immerwährend. Vor 25 Jahren waren daselbst drei, von denen zwei lebendig gefangen und nach Nymphenburg gebracht wurden, wo sie sich bald eingewöhnten.“ – Im Jahr 1855 befand sich ein Singschwan auf dem Stadtgraben zu Bremen unter den stummen Schwänen und musicirte da fleißig.

O. Lenz in Schnepfenthal.




Karl August von Weimar und seine Pikesche. Es ist bekannt, daß Karl August ein prunkloses Auftreten liebte, und namentlich auch in seiner äußeren Erscheinung immer, wo es nur irgend anging, sich sehr schlicht und einfach zeigte. In seinen späteren Jahren kam hierzu noch eine große Neigung zur Bequemlichkeit. Es war ihm zuwider, ein neues Kleidungsstück anzuziehen; seine bekannten grünen (sogenannten polnischen) Pikeschen mußten, wenn sie schadhaft wurden, ausgebessert werden, solange es nur irgend anging. Es bedurfte oft förmlicher Ueberredung, um ihn zur Anlegung eines neuen Kleidungsstückes zu bewegen. Die abgelegten Kleider schenkte er seinem Kammerdiener, der sie dann in den Trödel verkaufte.

Einen Morgens beim Ankleiden hielt ihm sein alter treuer Kammerdiener Hecker den Rock hin, der Großherzog fuhr mit dem einen Arm in den Aermel hinein, hielt aber sogleich inne und sagte ärgerlich:

„Was Teufel, das ist ja eine neue Pikesche! Gleich bring mir die alte!“

„Ach, Königliche Hoheit,“ antwortete Hecker, „die habe ich fortgethan. Sie war ja so vielemal geflickt, und nun sind auch die Aermel beinahe durchgescheuert. Es schickt sich weiß Gott nicht mehr, daß Königliche Hoheit sie noch anziehen.“

„Wo hast Du sie hin?“

„Ich habe sie mit nach Hause genommen.“

„Du hast sie wohl gar schon verkauft?“

„Nein, noch nicht, Königliche Hoheit!“

„Was kriegst Du denn für so ein Ding?“

„Sehr wenig! Hoheit wissen ja, wie abgetragen Ihre Röcke immer sind. Wenn’s hoch kömmt, einen Thaler“

„Na, daß Du nicht zu Schaden kommst, hier hast Du einen Thaler! Aber jetzt gehst Du sogleich und holst mir meine alte Pikesche!“




Zwei neue interessante Werke der musikalischen Literatur wollen wir der Beachtung unserer Leser empfehlen. Das erste sind „Zwei Clavierstücke“ von Mendelssohn-Bartholdy, die erst jetzt in Deutschland (Leipzig, Bartholf Senff) veröffentlicht wurden, obwohl sie in England längst populär waren: ein „Andante cantabile“ in B dur und „Presto agitato in G moll. Zwei werthvolle Reliquien des unvergeßlichen Meistern, in der Weise seiner Lieder ohne Worte, werden sie allen Clavierspielern um so willkommener sein, als es heute wenige Tondichtungen geben möchte, welche so natürlich dem Geiste wie der Technik sich anschmiegen.

Das zweite Werk, von welchem wir reden, ist speciell den jugendlichen Spielern gewidmet: „Der erste Fortschritt, 24 kleine Vorspielstücke für jeden Clavierschüler zur Uebung und Unterhaltung von Louis Köhler, Op. 79“. Es sind dies allerliebste Stücke von leichtem Claviersatz, doch dabei von übender Structur. Die Melodien sind so kindlich gegeben, daß sie schnell im Gehör und im Gefühl Wurzel fassen, dabei charakteristisch genug, damit selbst der jüngste Spieler, mit Befolgung der sehr genau bezeichneten Spielart von innen heraus zu eigenem und Anderer Vergnügen sie wird vortragen können. Alle Gattungen sind vertreten, Tanz und Marsch, Lied, Charakterstück, Variation, Etüde, Rondo etc., und der Verfasser hat es sehr glücklich getroffen, all den kleinen Compositionen ein kindlich verständliches Gefühl einzuhauchen, wodurch dem Kinde die Melodie so klar wie ein gemaltes Bild wird. Wenn wir vor länger als Jahresfrist Louis Köhler’s „erste Etüden für jeden Clavierschüler, Op. 50“, als eines der besten Studienwerke der neueren Zeit anführten, so haben wir die Genugthuung, daß dieselben sich seitdem allenthalben demgemäß bewährten und erst vor Kurzem noch die ehrenvolle Anerkennung fanden, vom Conservatorium der Musik zu Leipzig angenommen zu werden. Die oben genannten „Vorspielstücke“ schließen sich diesen „ersten Etüden“ in überaus gelungener Weise an und werden nicht minder nutzenbringend beim Unterricht eingeführt werden als jene Etüden, die damit eine schöne Vervollständigung erhalten.




Für Beamte. Der im vorigen Jahre in Berlin verstorbene Geh. Ober-Regierungsrath Schröner hatte den merkwürdigen Einfall, den in Kleinasien im Exil lebenden Abd-el-Kader um ein Paar Zeilen für sein Gedenk- oder Stammbuch zu bitten. Der arabische Fürst fand in dieser Bitte nichts Auffälliges und ließ ihm baldigst eine Antwort zukommen, die mitten in ihrem orientalischen Wortwust folgende, namentlich für Beamte bemerkenswerthe Stelle enthält:

„Der Seelenadel liegt in vier Dingen, in der Vollkommenheit des Verstandes, in der Aneignung göttlicher und menschlicher Wissenschaft, in der Beobachtung der guten Sitte und in der Milde gegen die Menschen. Ich höre, daß Ihr ein Staatsamt verwaltet. Eines Staatsbeamten schönste Eigenschaft ist Mitgefühl und Milde. Die Weisen haben gesagt, man erreiche durch Milde, was man nicht durch Strenge erreicht.

Das Wasser, wie weich es auch ist, durchschneidet den Stein, wie hart er auch ist. Darum soll der Beamte nicht mit Strenge, sondern mit Milde verfahren; auch steht diese der Gerechtigkeit näher.

Mit dieser schönen Mahnung empfiehlt sich dem preußischen Regierungsrath – Abd-el-Kader, Sohn des Muzi Eddin“.




Zwei Todte. Die letzten Tage den Januar haben zwei deutsche Größen gebrochen, die, so lange es noch ein Deutschland und deutsche Kunst geben wird, ewig fortleben werden in dem Gedächtniß Aller: E. M. Arndt und Frau Schröder-Devrient. Beide stehen, jede in ihrer Richtung, so einzig da, daß sie kaum zu ersetzen sind. Wir hoffen, unsern Lesern schon in nächster Zeit beide großartige Erscheinungen in wohlgelungenen und authentischen Bildern und Charakteristiken vorführen zu können.




Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 112. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_112.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2021)