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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

No. 11. 1860.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redacteure F. Stolle u. A. Diezmann.

Wöchentlich 11/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.


Nur einen Mann aus Millionen!
Von J. G. Fischer..[1]
„Ein Mann ist viel werth in so schwerer Zeit.“ 
Schiller.

Erheb’ Dich wie aus Einem Munde,
Du Schrei der Noth nach einem Mann;
Das deutsche Fahrzeug geht zu Grunde,
Es fängt schon tief zu sinken an.
Schon bog es hoffend um die Klippe,
Schon nach dem Hafen ging der Zug,
Da fiel auf der Bemannung Sippe
Der Wahn, wie er noch Keinen schlug:

Sie riß herab der Einheit Fahne,
O unerhörte Meuterei!
Und Jeder schrie in seinem Wahne:
So bin ich stark, so bin ich frei! –
Du herrlich Schiff, so wohl gezimmert,
Ist’s möglich? läßt es Gott gescheh’n,
Daß Du verrathen und zertrümmert
Und rettungslos sollst untergeh’n?

Tritt aus der Führer wildem Zanken
Kein so antiker, ganzer Mann,
Der den unsterblichen Gedanken
Der deutschen Größe fassen kann?
Der uns ohn’ Aufseh’n und Erbarmen
Zusammentreibt im Schlachtenschweiß.
Und dann mit unbeugsamen Armen
Die deutsche Mark zu runden weiß?

Nur Einer aus den Millionen,
So weit die deutsche Langmuth haust!
Zum Heil der Völker und der Thronen
Nur eine eisern harte Faust,
Die wie ein Blitz durch alle Grade
Empor sich zum Dictator schwingt
Und die Rebellen ohne Gnade
In’s starre Joch der Einheit zwingt!

Die, nicht erwägend und nicht wählend,
Aufstelle das Columbusei,
Daß nicht der Deutschen Schmach und Elend
Ein Spottlied aller Völker sei!
Komm, Einziger, Dir sei geschworen,
Tritt auf, wir folgen Deiner Spur,
Du letzter aller Dictatoren,
Komm mit der letzten Dictatur!


  1. Wenn die begeisterten, am 10. November gesprochenen Reden irgendwo wirkliche Jubelreden geworden sind, so ist es in Schwaben gewesen, wo Dr. J. G. Fischer (der Verfasser des obigen Gedichtes) bei der Hauptfeier in Stuttgart und vor Schiller’s Geburtshaus in Marbach als stets willkommener Volksredner auftrat. Fischer’s Name, jetzt auch an der Spitze des Schiller-Comité’s, ist bekannt im ganzen Lande, namentlich durch seine vortrefflichen Gedichte: „Auferstehung Schiller’s“ und das „Lied der Zukunft“, die er in den bewegten Tagen des letzten Jahrzehnts sang. Um Fischer ganz zu würdigen, muß man seine in der Cotta’schen Buchhandlung bereits in zweiter Auflage erschienenen Gedichte zur Hand nehmen. Seine Liebeslieder sowohl, „junge Sprossen und Liebesrosen“ genannt, wie seine patriotischen Gedichte unter dem Titel: „Eichenzweige und Dornenreiser“ sind vortrefflich und zeigen uns den schwäbischen Poeten als einen ebenso naiven und zarten wie andererseits kräftigen und patriotischen Dichter. Einen hohen Werth dürfen wir auch seinen Romanzen und Balladen zusprechen. Jedenfalls hat Fischer noch eine bedeutende Zukunft. – Das oben abgedruckte markige Gedicht ist ein Originalbeitrag und noch nicht in die Sammlung aufgenommen.
    D. Red.




Eine Brautfahrt.
Von dem Verfasser der neuen deutschen Zeitbilder.
(Fortsetzung.)

Die schöne Dame in dem weißen Planwagen hatte sogar die Aufmerksamkeit des alten, würdigen Geistlichen erregt, welcher seit der Ankunft der Gensd’armen nicht wieder eingeschlafen war, aber still und ruhig vor sich hingesehen hatte. Als er den Planwagen sah, hatte er sich etwas vorgebogen, und als er dann das kokette Spiel der Dame mit dem jungen Lieutenant bemerkte, glitt ein eigenthümliches feines Lächeln über seine Lippen, und gleich darauf blinzelten seine Augen in fast noch eigenthümlicherer Weise nach der schönen Dame hin. Sie wickelte sich darum dichter in ihren Shawl und blickte sehr ehrbar vor sich nieder. Hatte ihr dies das Blinzeln seiner Augen gesagt? Aber kannte er sie denn, und sie ihn? Doch ein alter, würdiger Geistlicher kann so etwas auch wohl einer unbekannten, koketten Dame sagen. Das devote Wesen machte freilich die schöne Dame nur noch reizender.

„Verdammt, verdammt!“ fluchte der Lieutenant von Horst. „Teufel! wenn die hier im Wagen säße!“

„Was hätte ich davon?“ entgegnete Herr von Falkenberg, der, wie alle blasirte Leute, auch ein großer Egoist war. „Ich muß hier aussteigen.“

Es ging in der That ein Seitenweg ab, und in diesem hielt eine Equipage, welche der in der Nachbarschaft wohnende Freund des Herrn von Falkenberg ihm entgegengeschickt hatte. Der Postillon hielt, und der Lieutenant stieg aus; beim Abschiede aber sagte er noch zu dem jüngeren Freunde: „Fritz, ich dächte doch,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 161. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_161.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2017)