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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

ihren Küchlein; die Mutterliebe verleiht ihr den Muth, einen kühnen Angriff auf einen größeren Hund zu wagen, von dem sie Gefahr für ihre junge Schaar fürchtet, während sie sonst vielleicht die Flucht vor ihm ergreifen würde; die Küchlein, von denen das eine noch schlaftrunken überpurzelt, stehen betroffen und von der unbekannten, ihnen noch fremden Erscheinung überrascht, der Feind aber ergreift schleunigst das Hasenpanier. – Rechts befindet sich ein Brahma-Hahn mit einigen Hennen; der Hahn läßt zornig seine Stimme erschallen, gleichsam als Drohung gegen den Ruhestörer, während die Hennen, auf den Schutz ihres Herrn vertrauend, vollkommene Gelassenheit bewahren, dergestalt, daß eine von ihnen, eine schwarze Cochin-China, es nicht einmal der Mühe werth erachtet, sich von ihrer Siesta zu erheben. Die links befindliche Gruppe, aus einigen Schleierhühnern, vermischt mit gewöhnlichen Landhennen, bestehend, scheint von der erwähnten Scene gar keine Notiz zu nehmen, nur die seitwärts stehende Brabanter Henne wirft kaltblütig einen beobachtenden Blick dahin. Auf dem Mauerwerk haben zwei andere Hennen Platz genommen, wovon die eine den eben aufgestandenen Hahn gleichsam fragend anblickt. Im entferntern Hintergrund nähert sich langsam eine einzelne Henne; zwischen dem wohlbesetzten Taubenschlage und dem Hause endlich tritt würdevoll ein Truthahn heran. Das ganze ländlich gehaltene Bild gewährt einen höchst freundlichen, vollkommen naturgetreuen Anblick; Form, Charakter und Stellung sind so entsprechend wiedergegeben, daß alle Freunde der Hühnerologie dasselbe mit Freuden begrüßen werden.

Um nun näher auf den Gegenstand einzugehen, so steht unbedingt fest, daß vor nicht gar zu langer Zeit noch die Hühnerzucht nicht blos in Deutschland, sondern auch fast in allen europäischen Ländern, mit alleiniger Ausnahme Frankreichs und Belgiens, ziemlich vernachlässigt war, höchstens ungefähr den nöthigen Bedarf an Eiern deckte, nebenbei einige alte Hennen zum Kochen, und im Sommer eine Anzahl junger Hähne zum Braten lieferte.

Die eingebornen Landhühner, kleine Eier producirend, unterschieden sich wenig von einander, die hin und wieder auftauchende Liebhaberei beschränkte sich meistens auf Stämme von gleicher Farbe oder mit Hauben versehene Exemplare.

In den zuletzt genannten Ländern hingegen wurde die Hühnerzucht schon früher mit größerer Aufmerksamkeit betrieben, was nicht nur die bedeutende Eier-Consumtion in Frankreich selbst, sondern auch die beträchtliche, jährlich zunehmende Ausfuhr von Eiern nach England beweisen. Nicht minder waren von jeher die fettgemästeten französischen Kapaune und Poularden berühmt, die sich besonders in obligater Begleitung von Trüffeln noch heute der vollsten Anerkennung aller Feinschmecker erfreuen. Ohne Zweifel waren zur Erreichung so günstiger Resultate geeignete Hühner-Racen als Grundlage erforderlich, und diese auch in den echt französischen Gattungen vorhanden, worauf wir später zurückkommen werden. Der Haupt-Impuls auf dem Continent in Betreff der veredelten Hühnerzucht ging von England aus, wohin die jetzt allgemein bekannten Cochin-China, nach ihrem eigentlichen Vaterlande richtiger Schanghai genannt, in den Jahren 1843–1845 zuerst als ein Geschenk für die Königin Victoria gelangten, und einige Jahre nachher in England mehr verbreitet, auch in Frankreich zuerst durch den Admiral Mackau in den Jardin des plantes ungefähr zu gleicher Zeit eingeführt wurden. Die von allen bisher bekannten Hühner-Gattungen so entschieden abweichende Figur, verbunden mit unglaublichen, ihnen nachgerühmten, sich theilweise nicht im vollen Umfange bestätigenden Tugenden, nächstdem die anfänglich geforderten äußerst hohen Preise erweckten das lebhafteste Interesse und das Verlangen, in den Besitz einiger solcher Vögel zu gelangen, welche sich in einem Zeitraume von etwa zehn Jahren nunmehr so verbreitet haben, daß man sie bereits für einen sehr mäßigen Preis kaufen kann. Nachdem die Aufmerksamkeit einmal rege geworden, blieb man bei der einen Gattung nicht stehen, sondern forschte überall nach neuen und hauptsächlich größeren Arten.

Eingedenk des Grundsatzes, daß vereinte Kräfte Großes zu wirken vermögen, bildeten sich Vereine für Beförderung der Hühnerzucht, und zwar betrat der in Görlitz im Jahre 1852 begründete „Hühnerologische Verein“ zuerst diese Bahn, dem bald andere Vereine gleicher Tendenz an verschiedenen Plätzen, zunächst in Dresden, dann in Breslau, Berlin und vielen anderen Orten folgten. Alle diese Vereine, von denen der Görlitzer eine die Angelegenheiten des Vereins, wie die Hühnerologie im Allgemeinen besprechende Zeitschrift unter dem Titel: „Hühnerologisches Monatsblatt“ herausgibt, wirken dahin, die vorzüglichsten Hühnersorten anzuschaffen, möglichst zu vervielfältigen, zu diesem Behuf ihren Mitgliedern Eier gegen angemessene Entschädigung zu liefern, von den Ueberschüssen der sehr mäßigen Beiträge aber alljährlich bei Gelegenheit einer Ausstellung Hühner anzukaufen, und sie unter ihren Mitgliedern ohne weitere Einlage zu verloosen. Zweifelsohne ist dieses Verfahren gemeinnütziger, als das von den englischen Vereinen beobachtete, das in Prämien für die seltensten und schönsten Exemplare besteht, mithin selbstredend nur sehr wohlhabenden Personen Aussicht darbietet, da die reichen Engländer ihrerseits beim Ankauf vor keinem noch so hohen Preise zurückschrecken.

Wenden wir uns nun zu den hauptsächlichsten ausländischen Racen, deren nähere Bekanntschaft erst von der Einführung der Schanghai an gerechnet datirt, so sind diese Hühner bekannt genug, um eine nähere Beschreibung derselben überflüssig erscheinen zu lassen; Größe und Breite der Figur, gelbe, stark befiederte Füße, kleiner spitz zulaufender Schwanz, und vor Allem die zur Vollendung der Toilette unentbehrliche, möglichst umfangreiche Crinoline sind unerläßliche Eigenschaften, welche sich freilich bei ausgearteten Exemplaren weniger vollständig vereinigt finden. Ihre ursprüngliche Normalfarbe ist gelb in mehreren Schattirungen, doch werden ganz weiße, wie schwarze, und in neuerer Zeit die grau gesperberten, mit dem Beinamen „Prinz Albert“, besonders gesucht und höher im Werth geschätzt. Ihnen schließen sich die Brahmaputra, ebenfalls schon ziemlich verbreitet, zunächst an; zwar wurde früher behauptet, sie bildeten eine andere Race, indessen stimmen ihre Figur und sonstigen Eigenschaften so vollkommen mit dem Schanghai oder Cochin-China überein, daß man sie füglich als eine Seitenlinie oder eigentlich als zweifarbige Schanghai, vermöge ihres weißen Gefieders mit schwarzer Zeichnung, betrachten kann. Beide Gattungen, Schanghai und Brahmaputra, legen röthlich-gelbe, im Verhältniß zu ihrer Figur nicht allzugroße Eier, und sind vorzüglich in ihrem ersten und zweiten Lebensjahre sehr fruchtbar, welche Eigenschaft jedoch mit den Jahren wesentlich abnimmt, indem ihr phlegmatisches Temperament sie bei irgend gutem Futter sehr bald Fleisch und Fett ansetzen läßt; nebenbei sind sie von einer ungemeinen Leidenschaft für das Geschäft des Brütens beseelt, dergestalt, daß sie in reiferem Alter häufig, nachdem sie einige wenige Eier gelegt, sich wieder zum Brüten anschicken.

Fernere von England zu uns gelangte Gattungen sind die Malayen, schöne große Hühner von gelblicher oder bräunlicher Farbe, mit hohen Füßen, große Eier legend und ziemlich gut brütend, so, dann die weißen japanischen Seidenhühner mit haarartigem Gefieder und schwarzem Schnabel, mehr der Schönheit als des Nutzens wegen zu empfehlen, dann die ostindischen Zwerghühner oder Bantams, kleine muntere Hühner, in weiß, schwarz, sowie weiß und schwarz ober gelb und schwarz gefleckt, welche letztere dann Silber- und Gold-Bantams genannt werden. Die kleinen Bantam-Hähne gebehrden sich mit unendlicher Wichtigkeit, sind außerordentlich streitsüchtig und fürchten sich nicht, mit dem größten Hahn anzubinden.

Unter der etwas allgemein gehaltenen Benennung „Franzosen“ wird nächstdem eine Sorte verstanden, muthmaßlich das Resultat einer früheren Kreuzung mit Malayen, in Frankreich unter dem Namen: Poule Russe oder auch Poule du Gange ziemlich verbreitet, von hoher, schlanker, den Malayen, ähnlicher Figur, mit glatten gelben Füßen, gelblichem Gefieder, große Eier legend und in der Regel gut brütend. Dieselbe Gattung in ganz weiß, einen reizenden Anblick auf grünem Rasen gewährend, ist unter der Benennung „Pariser“ vielseitig bekannt. Graue, kukukartig gesperberte, gewöhnlich „holländische Sperber“ genannt, schließen sich den vorerwähnten an. Letztere Benennung dürfte noch am meisten zu rechtfertigen sein, weniger der auf russische Abstammung deutende Name, indem die meisten holländischen Racen hinsichtlich der höhern Stellung der Füße etc. ziemlich damit übereinstimmen.

Als eine schöne und nutzbare Sorte sind ferner die „Spanier“ zu erwähnen, große, ganz schwarze Hühner mit ungewöhnlich stark entwickeltem Kamm, bei der Henne auf die Seite hängend, beim Hahn gerade empor gerichtet, mit einem die Augen umgebenden weißen Kreise; sie legen fleißig, sehr große Eier und brüten höchst selten oder gar nicht; im Winter erfrieren sie leicht die Kämme und müssen daher etwas wärmer gehalten werden. Diese schöne Gattung, mit wirklicher Grandezza einherschreitend, stammt ursprünglich

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 171. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_171.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2021)