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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

werden stets finden, daß, wo viel Licht ist, auch Schatten zu sein pflegt. Hat aber die Dame, mit der ich Sie eben reden sah, Ihnen die Notiz über den Rittmeister gegeben, so bedenken Sie, daß diese eine gegen ihn erbitterte Persönlichkeit ist, weil sie oft beim Whist zehn Groschen an ihn verloren und dieser Verlust sich vorgestern bis zum halben Thaler gesteigert hat.“

Frau von R…g lachte. Das Lachen war aber gezwungen, denn sie dachte an etwas Anderes, das sie lebhaft beschäftigte. Von einer glücklichen Idee plötzlich durchleuchtet, fragte sie eifrig: „Spielt der Rittmeister heute auch mit Damen?“

„Nein! Die Herren machen jetzt dort ein kleines Hazardspiel.“

„O wie gern sähe ich dem einmal zu!“

„Darf ich Sie hineinbegleiten?“

„Darf ich denn dort eintreten?“

„Warum nicht?“

Die junge Frau zögerte.

„Wir suchen Ihren Herrn Gemahl, Gnädigste! Er ist jetzt so hinter den Palmen versteckt, daß – –“

„Gut, gut! Wir suchen ihn. – Schnell fort, ehe er wieder hervortaucht!“

Das Paar verschwand hinter der herabgelassenen Portière. Das Nebenzimmer zeigte sich der Baronin als ein großes, weites Gemach. Nur einzelne der verschiedenen darin befindlichen Spieltische waren um die späte Stunde noch besetzt; aber dicht geschaart standen um einen länglichen Tisch in der äußersten Ecke des Zimmers ältere und jüngere Herren. Dort wurde Pharo gespielt, und Rittmeister von Blücher war der Bankhalter.

Die ihn bewundernde Frau sah fast eine halbe Stunde dem wechselnden Spiele des Glücks zu, ohne daß Jemand ihre Anwesenheit bemerkte. Sie erblickte mehrere Haufen Gold und Silber vor dem Rittmeister, sah die bereits angesammelten Schätze bald sich mehren, bald schwinden und fand, daß keiner dieser Wechsel eine Veränderung in dem Antlitz des Herrn von Blücher hervorrief, sondern daß dasselbe eine unerschütterliche Ruhe, einen unbezwinglichen Gleichmuth ausdrückte. Im scharfen Gegensatze zu diesem unbeweglichen Antlitze standen viele erregte Blicke, viele bleiche, farblose und dunkelgeröthete Gesichter der andern Spieler.

Frau von R…g sah dieser gewaltigen Leidenschaft zum ersten Male im Leben in’s Auge, und die Wirkung blieb nicht aus.

(Schluß folgt.)




Blätter und Blüthen.

Geistesgegenwart. Der Feldprediger Matthisson, Vater des bekannten Dichters, besaß nicht allein in hohem Grade das Talent, in Versen zu improvisiren, sondern seine Zeitgenossen rühmen ihm auch eine seltene Geistesgegenwart nach, die ihn selbst in den Augenblicken der größten Gefahr nie verlassen. Daß es ihm aber neben allen seinen Talenten, seiner großen Begabung und vielen vortrefflichen Eigenschaften des Herzens und Charakters an persönlichem Muth fehlte, wußte Jeder, der ihn kannte, genau. Nicht selten gab dieser Mangel seinen Freunden zur Neckerei Anlaß, und wie er solche Scherze aufzunehmen pflegte, mag ein Beispiel beweisen.

Als im siebenjährigen Kriege, beim Ueberfall bei Hochkirch, einige Regimenter sich schnell zusammengezogen hatten, um dem feindlichen Angriff Widerstand zu leisten, stürzte sich der Feldprediger Matthisson seinem Burschen entgegen, der sein Pferd hielt. Er bestieg dasselbe mit so rasender Schnelligkeit, daß alle die, welche seine Eile bemerkten und deren Grund kannten, trotz des großen Ernsten der nahenden Stunde der Gefahr, ein Lächeln nicht unterdrücken konnten. Einer der Regiments-Commandeure, Oberst von Pfuel, Vorgesetzter des Feldpredigers und zugleich dessen Freund, war einer von denen, die Matthissons Angst bemerkten und sahen, wie eifrig der Mann des Friedens bemüht war, seine Person pflichtgemäß hinter die Fronte des vorrückenden Regiments in Sicherheit zu bringen. Er gab seinem Pferde die Sporen; es flog dem des Feldpredigers nach, und als er ihm auf ungefähr zwanzig Schritt nahe war, rief er ihm mit Donnerstimme zu: „Herr Feldprediger, wohin?“

Matthisson hielt bei dem Zuruf des Commandeurs sein Pferd an. Ein Blick auf seines Freundes schelmisch-blitzendes Auge ließen ihn entdecken, daß er trotz des donnernden Zurufs nichts zu befürchten habe, aber – dennoch auf seiner Hut sein müsse, und – er war es! – Als Oberst von Pfuel daher langsam und ernst hinzusetzte: „Bleiben Sie ruhig, Herr Mattthisson, bleiben Sie hübsch bei uns!“ erwiderte der Prediger kaltblütig mit seiner gewöhnlichen Geistesgegenwart:

„Der Ruf ergeht an Euch, Ihr Streiter,
Doch nicht an mich, der ich nur Hirte bin.
Ruh’ hab’ ich nicht! – Ich reite weiter
Bis dort, – zu jenen Bergen hin!
Da bete ich, wie Moses that,
Bis sich der Streit geendet hat.“

Militairisch grüßend faßte der gewandte Geistliche bei den letzten Worten an seine Mütze; auf ein leichtes Zeichen, das er seinem Pferde gab, trug es ihn schnell weiter. Lächelnd blickte Oberst von Pfuel seinem hinter der Fronte des Regimentes verschwindenden Freunde nach. Ein leises: „Gott mit Dir!“ glitt über seine Lippen; dann ritt er an seinen Posten, an die Spitze des Regiments, und obgleich er es mit dem lauten Ausrufe: „Gott mit uns!“ den feindlichen Colonnen entgegenführte, führte er doch Hunderte seiner treuen Schaar dem Tode entgegen. Daß nicht sein ganzes Regiment aufgerieben wurde, soll seiner Geistesgegenwart im Augenblick der höchsten Gefahr zu danken gewesen sein, und Worte des Lobes und der warmen Anerkennung wurden ihm von Friedrich dem Großen am Abend jenes für die Preußen unglücklichen Tages zu Theil, wo sich die Truppen nach dem nur eine Stunde vom Schlachtfelde entfernt liegenden Spitzberge bei Hochkirch zurückgezogen und in haltbarer Stellung festgesetzt hatten.

Als Friedrich der Große die Commandeure der Regimenter nach flüchtiger Ansprache verabschiedete, trat Matthisson zu seinem Freunde, dessen Antlitz von Stolz und Freude strahlte. Einen Moment überwältigte ihn die Rührung, ihn an dem Tage, der so Vielen das Leben gekostet, gesund und wohlbehalten wiederzusehen, dann erinnerte er sich der Scene des Morgens und heiter rief er dem Obersten zu:

„Am Tag sich tapfer mit dem Feinde schlagen
Und Abends still ein Glück in Demuth tragen! –
Des Nachts! – Nun, Nachts, mein Freund, da magst Du ruhig sagen.
Daß ich mit Freuden nie mein Leben werde wagen.
Es ist ein hohes Gut! Man muß es ehren – schätzen –
Ja seinetwegen selbst dem Spott sich mal aussetzen!
Verliert die Geistesgegenwart bei diesem Spott man nicht,
Verletzt er nie so scharf, da Geist die Spitz’ ihm bricht.“

L. E.


Kleiner Briefkasten.

L. Kl. in Osth. Wir würden Ihrem Wunsche gern nachkommen, der Betreffende wünscht aber erst nach seinem Tode in der Gartenlaube portraitirt zu werden. Bei seiner pyramidalen Gesundheit wird das freilich noch Jahrzehnte dauern.

C. F. R. in Hamburg. Sie wünschen Aufklärung der widersprechenden Angaben hinsichtlich der Größe der vorweltlichen Thiere in Giebel’s Aufsatz über die fliegenden Drachen der Vorwelt und Zimmermanns Wunder der Urwelt. Lesen Sie gefälligst Burmeisters Kritik dieses wahrhaftigen Wunderwerkes in der Gartenlaube Jahrgang 1856, S. 310 und Giebels Beleuchtung desselben in der Zeitschrift f. gesammte Naturwissensch. 1859 Bd. IV S. 221, und Sie werden nie wieder einem Fachgelehrten mit Zimmermannschen Wundern opponiren. Wollen Sie sich über die Größenverhältnisse der vorweltlichen Thiere genauer unterrichten, so finden Sie befriedigende und sichere Auskunft in der ganz populär gehaltenen Abhandlung „die Riesenthiere der Vorwelt“ in Giebels Buche: Tagesfragen aus der Naturgeschichte (Berlin 1859, 3. Aufl.), dessen Lectüre Ihnen noch über viele andere allgemein verbreitete Irrthümer Aufschluß geben wird.

M. L. Unsere Mittheilung in Nr. 6 beruht, wie Sie ganz richtig vermuthen, auf einem Irrthum. Das Geschlecht des preußischen Stammes der Freiherrn von Trenck ist noch nicht ausgestorben. In der Lausitz, in Neukirch am Hochwald, lebt noch heute ein Enkel jenes in Paris guillotinirten Freiherrn als hochverdienter Pastor des Ortes.

K. in L. Danke für die Nachricht. Wir werden den Nachdruck der „Erinnerungen der Frau Schröder-Devrient“, wo wir ihn auch finden, ohne Nachsicht mit allen gesetzlichen Mitteln auf das Schärfste verfolgen und bitten bei dieser Gelegenheit alle unsere Leser, uns Mittheilungen über etwaige Räubereien zu machen.

B. in B. Allerdings werden die gesammelten Briefe von Felix Mendelssohn-Bartholdy erscheinen und zwar bei Herrmann Mendelssohn in Leipzig. Die beiden Herausgeber, Professor Droysen und Paul Mendelssohn-Bartholdy in Berlin, erlassen so eben einen Aufruf an alle Besitzer Mendelssohn’scher Briefe, dieselben entweder in Original oder in zuverlässigen Abschriften an einen der beiden Genannten einzusenden.

H. in W. Ihre Anfrage, ob sich die Errichtung des Arndt-Denkmals nicht mit der Wiederaufnahme und Vollendung des Hermanns-Denkmals auf der Spitze des Teutoburger Waldes vereinigen lasse, können wir vorläufig noch nicht beantworten. Vor allen Dingen gilt es jetzt, das Resultat der Sammlungen zu einem erfreulichen und großartigen zu machen. – Ihrem Wunsche kommen wir bereits heute nach. Das Portrait Arndt’s ist nach der in Bonn allein existirenden Original-Photographie gefertigt.


Für „Vater Arndt“

gingen ferner bei dem Unterzeichneten ein: 2 Thlr. Heinr. Kaltschmidt – 2 Thlr. L–r in L. – 10 Ngr. Schuwardt – 10 Ngr. G. A. H. in Meißen – 3 Thlr. Advocat O. A. D. Schmidt in Lpzg. – 5 Thlr. Bchhdlr. Baumann.

An alle Freunde des deutschen Mannes ergeht nochmals die Bitte, ihr Scherflein für das Denkmal beizutragen. Mit Bedauern hört man, daß in Oesterreich nirgends Sammlungen für den Bravsten der Deutschen angestellt worden sind. Gehört Oesterreich nicht mehr zu Deutschland?

Hat man dort schon vergessen, daß Arndt auch für Oesterreich gekämpft und gelitten?

Ernst Keil.

Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 192. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_192.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)