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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

Liebenswürdigkeit Bachida’s bezaubert hatte, gab es bald für ihn nur einen Wunsch: das Thier sein eigen nennen zu können. Er bestürmte mich fortwährend, meinen „Einfluß beim Pascha“, wie er es nannte, hier geltend zu machen und für ihn die Löwin mir zu erbitten. Ich aber, wohlbewußt dessen, was ich dem großartigen Manne, meinem väterlichen Freunde und Gönner, Alles verdanke, und schon damals ahnend, daß er allein es sein würde, durch dessen Hülfe es mir gelingen könnte, die heimathliche Erde jemals wiederzusehen, ich wollte anfangs nicht recht daran, meinem Beschützer das Gesuch meines Freundes zu unterbreiten, bis mich dieser endlich doch für sich gewann, und ich dem eines Tages besonders gut gelaunten Pascha sagte, seine Löwin habe das Herz meines Freundes gewonnen, und er sei förmlich verliebt in sie. Für einen Türken ist eine solche Aeußerung genug, um den betreffenden Gegenstand sofort als Geschenk anzubieten, und Latief-Pascha war viel zu sehr Türke, als daß er eine solche Artigkeit hätte unterlassen sollen. Kurz nach meiner Heimkehr erschien ein Arnaut mit der Löwin im Arme und der Botschaft im Munde, sein Herr mache sich ein großes Vergnügen daraus, dem Gaste in seinen Landen, seinem Freunde, hiermit diese geringfügige Gabe als Zeichen seiner Achtung zu übersenden. So waren wir in den Besitz des allerliebsten Thieres gelangt, und ich meinerseits fühlte nun auf einmal Wünsche in mir rege werden, vornehmlich aber denjenigen, allein und ausschließlich der Erzieher und Beschützer des jugendlichen Thieres sein zu dürfen. Bauerhorst war damit natürlich vollständig einverstanden, und so erhielt denn ich die Löwin zu ganz besonderer Pflege und Wartung anvertraut. Und ich glaube, diesem Vertrauen keine Schande gemacht zu haben.

Es währte nicht lange, bis das Thier in unserem Gehöfte vollkommen eingewohnt war, obwohl sie sich noch lange Zeit ihres früheren Herren erinnerte. Denn wenn dieser einmal bei unserm Hause vorüberritt, und Bachida zufällig in der Thür stand, unterließ sie es nie, ihn bis zu seinem Palaste, der Hokmodarïe Charthums, zu begleiten, und mußte von dort aus regelmäßig zu uns zurückgebracht werden. Wir ließen die Löwin natürlich frei herumlaufen, wie dies bei allen meinen Thieren, welche sich eines solchen Vorrechts würdig zeigten, zu geschehen pflegte. Sie durchstreifte nach Belieben Haus und Hof, Kammern und Speicher, Stallungen und Schuppen, wenn ich von den verschiedenen Höhlen unseres Hauses überhaupt derartige Unterscheidungen gebrauchen darf; sie ging in den Garten, bestieg zuweilen die niedrigen, platten Dächer der untergeordneten Räume unseres Hauswesens und benahm sich bald mit sehr großer Sicherheit und Zuversichtlichkeit.

Nach kurzer Zeit hatte ich ihre Freundschaft mir zu erwerben gewußt. Bachida liebte mich zärtlich, folgte mir wie ein Hund, liebkoste mich bei jeder Gelegenheit und wurde nur bisweilen lästig, nämlich wenn sie Nachts auf den Einfall kam, mich auf meinem Lager zu besuchen und durch ihre Liebkosungen aufzuwecken. Dann war sie gewöhnlich so leicht nicht wieder wegzubringen und raubte mir in dieser Weise manche Stunde Schlafs.

Sehr bald hatte sie sich die Herrschaft über alles Lebende auf unserem Hofe zu erringen gewußt. Die Affen schnitten entsetzliche Gesichter, wenn sie sich zeigte, oder wurden gänzlich außer Fassung gebracht, wenn sie gar nach ihnen hinsprang, um mit ihnen zu spielen; die Kameele, welche bei uns vorübergingen, machten verzweiflungsvolle Sätze, wenn sie das in ihren Augen furchtbare Wesen gewahrten; und oftmals kam es vor, daß die vorübergehenden Kameele eines Zuges sich plötzlich ihres Gepäckes entledigten, wenn Bachida in einer Mauerluke oder auf der Mauer erschien und mit einigen, nach unsern Begriffen gar nicht entsetzlichen Lauten die Kameele von der Anwesenheit eines so furchtbaren Raubthieres belehrte. Die gute Löwin erntete dann oft Fluchen und Schellen in reichem Maße seitens der Kameeltreiber, obwohl selbstverständlich keiner der Sudahnesen es wagte, sich ihr in böswilliger Absicht zu nähern. Es kam vielmehr bald dahin, daß Jedermann in Charthum die Löwin als den Wächter unseres Hauses betrachtete und fürchtete oder wenigstens achtete; und wir hatten so das Glück, von allem lästigen Gesindel für immer befreit zu sein. Ich muß dabei allerdings im Voraus bemerken, daß die gutgesittele Bachida sich zuweilen Scherze erlaubte, welche den Sudahnesen über den Spaß gingen und sie vollkommen berechtigten, in ihr ein wahres Ungeheuer zu erblicken.

Als sich die Zahl meiner zahmen Thiere nach und nach vermehrte, bekam Bachida Gelegenheit, sich unter ihnen nach Herzenslust zu vergnügen. Sie brachte oft den ganzen Hof in Unordnung, weil sie keines der mit ihr dort lebenden Thiere in Ruhe ließ. Es war dies keineswegs Böswilligkeit von ihrer Seite, sondern blos eine unbegrenzte Lust, die anderen Geschöpfe zu necken und zu foppen. Zu den Antilopen, welche wir hin und wieder bekamen, aber immer nur kurze Zeit am Leben erhielten, durfte sie allerdings nicht gelassen werten, weil diese Thiere bei ihrem Erscheinen verzweiflungsvoll gegen die Wände rannten und sich selbst so beschädigten, daß sie zu Grunde gingen. Dagegen waren die Affen und unsere Raubvögel die beständige Zielscheibe ihres Uebermuthes. So lange sie klein war, ging die Sache; denn Bachida fand in einem allen Pavian einen würdigen Gegner, jedoch nur dann, wenn sie besonders zudringlich wurde. Auch er zitterte bei ihrem Erscheinen und verzog das Maul auf grauenvolle Weise, griff sie aber, wenn sie sich näherte, ohne Weiteres muthvoll mit seinen Händen an und rieb ihr die Ohren dergestalt um den Kopf herum, daß ihr Hören und Sehen vergehen mochte und sie gewöhnlich eiligst das Weite suchen mußte. Mit der Zeit jedoch wurde die Löwin so stark, daß der Pavian ihrer nicht mehr Herr werden konnte und nunmehr, wie sämmtliche Thiere, von ihrem Uebermuthe zu leiden hatte.

Da erhielt ich neuen Zuwachs zu meiner Thiergesellschaft, und zwar einen Marabu. Dieser gewaltige Vogel wurde augenblicklich von der Löwin angegriffen, war sich jedoch des Gewichtes seines furchtbaren Schnabels so bewußt, daß er den Angriff nicht nur ruhig abwartete, sondern auch siegreich zurückschlug. Bachida hatte lange Zeit lauernd und ganz nach Katzenart mit dem Schwanze wedelnd auf dem Boden gelegen und den neuen Ankömmling starr betrachtet, welcher sie seinerseits gar nicht zu beachten schien und ruhig auf und niederstolzirte: jetzt gedachte sie, ihn in ihrer gewöhnlichen Weise zu erschrecken, und machte, als er sich ihr hinreichend genähert hatte, einen gewaltigen Satz nach ihm. Der Vogel erschrak allerdings und sprang hoch in die Höhe, besann sich aber keinen Augenblick lang, sondern schritt muthig mit halbgebreiteten Schwingen auf die verwunderte Löwin zu und versetzte ihr rasch hinter einander mit seinem gewaltigen Keilschnabel mehrere Püffe in so nachdrücklicher Weise, daß er sie wenigstens gründlich überzeugte, hier sei ohne ernsten Kampf kein Sieg zu erringen. Zum ersten Male sahen wir jetzt das sonst so sanfte Thier in Wuth gerathen. Ergrimmt über die erlittene Schmach stürzte sie sich brüllend auf den Vogel, welcher sich inzwischen schon zu einem neuen Angriffe vollkommen vorbereitet hatte. Bachida versuchte, ihn mit den Tatzen anzugreifen; allein der Marabu ließ sie dazu gar nicht kommen, sondern brachte ihr wiederum mit außerordentlicher Schnelligkeit und Sicherheit eine Anzahl von Schnabelhieben bei. Wuthbrüllend antwortete die Löwin und stürzte sich nochmals auf den gefährlichen Gegner; dieser aber, vielleicht ahnend, daß der jetzige Angriff ein entscheidender sein würde, nahm seine ganze Kraft zusammen und bediente den Vierfüßler nochmals so reichlich, daß dieser plötzlich umdrehte und die Flucht ergriff. Schnabelklappernd verfolgte sie der übermüthige Sieger in alle Winkel und Ecken, durch alle Gebäude des Hofes. Bachida wußte schließlich keinen Ausweg mehr und kletterte endlich, bestürzt über dieses Ereigniß, an der Wand eines niedrigen Gebäudes empor. Diese empfangene Lehre vergaß die Löwin allerdings nicht wieder und ließ fortan stets den Storchvogel achtungsvoll in Ruhe, trieb es jedoch mit den anderen Thieren wie früher.

Nur mit einem einzigen ihrer Hofgenossen schien sie in besonderer Freundschaft zu leben. Derselbe war ein muthiger Widder und stets geneigt, einen Strauß mit ihr auszufechten. Es war allerliebst, dem Spielen und Kämpfen dieser Beiden zuzusehen. Sobald sich Bachida dem Widder näherte, erhob sich dieser und stellte sich mit niedergebeugtem Kopfe zum Gefecht. Die Löwin legte sich nieder, sah ihn starr an, und schlich dann entweder an ihn heran, oder sprang mit einem, höchstens zwei Sätzen auf ihn zu. Gewöhnlich bekam sie gleich beim ersten Zusammentreffen mit ihm einen tüchtigen Hornstoß von ihrem Spielgefährten, und schien dann vollkommen befriedigt zu sein; in einzelnen Fällen aber gelang es ihr auch, dem Widder einen Tatzenschlag beizubringen, und dann war sie natürlich übermüthiger, als je. Dieses schöne Verhältniß wurde grausam zerrissen. Bei einem der Zweikämpfe mochte der Widder etwas zu derb zugestoßen und die Löwin erzürnt haben, wenigstens

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