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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

glaubte ich, sie einzubüßen, aber mein Waldmann kannte die Gewohnheit der verwundeten Wasservögel besser, als ich sie zu jener Zeit kannte. Er wußte, daß die Verwundeten häufig das Wasser verlassen und sich auf das Trockene begeben. Deshalb sprang er aus dem Teiche heraus und lief längs dem Ufer um denselben herum. Er hatte ihn fast umkreist, ohne etwas zu finden. Jetzt aber fuhr er zu, ergriff die Ente und brachte sie mit großen Sprüngen und sichtbarer Freude, welche noch größer wurde, als ich sie ihm unter Liebkosungen abnahm.

Von seiner Geschicklichkeit im Auffinden eines geschossenen Vogels noch zwei Beispiele. Einst hatte ich, ohne daß er gegenwärtig war, in einem mit hohem Riedgrase bewachsenen Teiche zwei weißäugige Enten geschossen, welche wegen des tiefen Grases, in dem sie lagen, vom Ufer aus nicht gesehen werden konnten. Ich holte meinen treuen Hund und befahl ihm, die Enten zu suchen. Er sah mich fragend an, denn er wußte nicht, wohin er schwimmen sollte. Ich zeigte ihm mit dem Finger den Weg, allein er war bei dem Schwimmen zu weit rechts gekommen. Ich wies mit dem Finger links. Sogleich schlug er diese Richtung ein und brachte nach kurzer Zeit die eine Ente. Ich nahm sie ihm unter Lobsprüchen und Liebkosungen ab und befahl ihm, die andere herbeizuholen. Er sprang sogleich wieder in den Teich, folgte genau der Weisung meines Fingers und legte nach wenigen Minuten die zweite Ente in meine Hand, indem er mich mit einem triumphirenden Blicke ansah. Natürlich liebkoste ich ihn jetzt ganz besonders zärtlich, worüber er hoch erfreut war.

Ebenso fand er später ein in tiefem Rohre liegendes Wasserhuhn, welches ich Tags vorher geschossen hatte und dessen Lagerstelle ich ihm nur mit dem Finger zeigen konnte. Er war auch äußerst gewandt im Fangen der nicht flugfähigen Enten, Teich- und Wasserhühner, denn er ergriff sie nicht nur auf der Oberfläche des Wassers und holte sie aus den dichtesten Schilf- und Rohrwäldern heraus, sondern brachte sie auch von dem Grunde des Teiches herauf. Einst legte er im April ein völlig flugfähiges Teichhuhn, welches er unter einem Erlenstocke hervorgezogen hatte, vor mich hin. So erpicht und gewandt er war, Säugethiere und Vögel in der Freiheit zu fangen, so nachsichtig und liebevoll zeigte er sich gegen die in meinem Zimmer frei herumlaufenden und herumfliegenden Vögel. Er that ihnen nicht das Geringste zu Leide, deswegen verloren sie auch alle Furcht vor ihm und hüpften ganz nahe um ihn herum.

Mit einem jungen Kiebitze schien er eine Art von Freundschaft geschlossen zu haben, denn von ihm ließ er sich Alles gefallen. Das merkte der Kiebitz bald und wurde so dreist, daß er ganz keck über den unter dem Ofen liegenden Waldmann hinweglief.

Alle diese Geschichten beruhen auf Thatsachen, welche ich verbürgen kann. Nächstens berichte ich vielleicht noch einige.




Der Leuchtthurm von Nord-Vorland und dessen katadioptrischer Apparat.

In dem einzigen vorigen Jahre forderte das Meer mit seinen beispiellosen Stürmen blos an den englischen Küsten nicht weniger als 1645 Menschen (gegen 340 im Jahre vorher) mit 1416 Schiffbrüchen, die einen Verlust von etwa zwei Millionen Pfund Sterling darstellen. Die meisten englischen Küsten sind gefährlicher, als andere Meeresgrenzen, theils wegen steiler Felsen, theils wegen Sandbänken und felsiger Untiefen. Es kommt daher besonders viel auf richtiges Fahrwasser, auf die genaueste Kenntniß des Meeresbodens und der Gegenden an, in welchen ein Schiff sich in jedem gegebenen Augenblicke befindet. Hier sind denn die Leuchtthürme, welche England mit ihren weithinstrahlenden Fixsternen umkränzen, von erster Wichtigkeit. Merkwürdiger Weise haben dies die Engländer, das größte moderne Seevolk, erst neuerdings besser eingesehen und angefangen, für eine größere Zahl wirklicher Leuchtthürme zu sorgen. Vor zwanzig Jahren gab es erst dreißig schlecht mit Kohlen- und Holzfeuer oder Talglichtern erleuchtete Thürme der Art. Im Frühjahre 1858 zählte man 77, daneben über 30 Feuerschiffe mit etwa 700 Beamten und Arbeitern. Seitdem aber sind einige der bedeutendsten und vollkommensten Leuchtthürme errichtet worden und noch andere im Bau begriffen.

Als eine der neuesten und vollkommensten Sonnen für umnachtete Schiffe gilt der Leuchtthurm von „North-Foreland,“ dem hervorspringenden Felsenstück zwischen Broadstairs und Kingsgate an der Küste von Kent, rechts von der Themsemündung und dem ungeheuern Meereskirchhofe „Godwin Sands“ gegenüber. Wer des Nachts themsewärts fährt und von Hamburg oder einer französischen Küstenstadt herüberkommt, kann das warnende Licht weit aus dem dunkeln Horizonte aufblitzen und die aufschäumenden Wogen mit aufleuchtenden Kämmen darin sich spiegeln sehen.

Die neuesten englischen Leuchtthurm-Apparate sind den Franzosen entnommen. Die berühmteste seefahrende Nation leuchtete mit Holz, Kohlen und Talglichtern von ihren Thürmen, bis man erfuhr, daß Fresnel und Condorcet in Paris viel bessere Methoden erfunden und zur Ausführung gebracht hätten. Die Engländer schickten Stevenson hinüber, welcher die französische Reflections-(Zurückstrahlung) und Refractions-(Strahlenbrechung) Methode studirte und allmählich in England zur Geltung brachte. – Bei dem Reflections-Apparate steht das Licht vor einem Hohlspiegel, der das Licht so zurückwirft oder reflectirt, daß die Strahlen parallel mit der Axe des Spiegels auslaufen. Der Refractions-Apparat hat das Licht hinter einer Glas-Linse, welche das Licht so bricht, daß es sich in Linien, parallel mit einer, die man sich vom Focus nach dem Centrum der Linse gezogen denkt, bewegen muß. In der Regel wandte man Reflections-Apparate mit Licht, das sich dreht, so an, daß die Lichter in ihren Drehungen und verschiedenen Reflectionen vom Hohlspiegel immer in regelmäßigen Wiederholungen Lichtblitze nach den verschiedenen Richtungen des Horizontes warfen. Die Refractions-Apparate mit Drehung arbeiten so, daß eine einzige mächtige Lampe durch die sich um sie drehenden Linsen immer so oft Lichtblitze in die Ferne erzeugt, als diese Linsen die imaginäre Linie zwischen Focus und Centrum durchschneiden.

Erstere, die sogenannte katoptrische (brechende oder spiegelnde), und letztere, die dioptrische oder „durchsehende“ Methode, hat man jetzt zu einer katadioptrischen vereinigt, um sich die Vortheile beider zu sichern und deren Nachtheile zu umgehen. Für das dioptrische System gehörige Linsen zu bekommen, ist ungemein schwierig und kostspielig. Die katadioptrische Beleuchtung besteht nun wesentlich darin, daß man die Linse gleichsam in besondere Ringe zerlegt, wodurch man das Licht mit allen Reflectoren noch verdoppeln kann. Die optisch-mathematische Auseinandersetzung dieses Processes würde uns tief in die exacte Wissenschaft führen und viele Zeichnungen nöthig machen, außerdem noch Vieles voraussetzen.

Sehen wir uns hier nur die katadioptrische Laterne näher an, die jetzt (seit September 1858), ein Werk der Herren Wilkins und Co. in London, auf dem Leuchtthurme von North-Foreland fast jede Nacht von umnachteten und sturmgepeitschten Schiffen als Licht und Halt, als Rettung und Trost begrüßt wird.

Die Laterne ist 14 Fuß weit und 22 hoch, sechszehnseitig und mit diagonalen Reifen, „Astragalen“, versehen. Diese Ringe oder Reifen beschränken durch ihre Stellung die Lichtbrechung auf einen kleinen, schrägen Raum; aufrecht gestellt, würden sie es durch die ganze Höhe des Refractions-Gürtels beeinträchtigen. Außerdem hat diese Construction das Gute, daß sie dem ganzen Rahmenwerk mehr Festigkeit gibt und so verhältnißmäßig dünnere Reifen-Barren, die weniger Licht aufhalten, genommen werden können.

Die Glasscheiben sind dreieckig und als solche stärker, als vierseitige von derselben Größe. Die Körpermasse der Laterne besteht aus einem Gemisch von Kanonenmetall und Kupfer, ohne lackirt oder sonst übertüncht zu sein. Sie kostete etwas über 1500 Pfd. Sterl. ohne den Leucht-Apparat darin, der mit mehr als 1000 Pfund bezahlt ward. Letzterer besteht aus einer großen Argand’schen Lampe mit drei Dochten, die so viel wie siebzehn gewöhnliche Argand’sche Lampen an Oel verzehrt und die Leuchtkraft von dreißig solchen Lampen ausstrahlt.

Freilich nur die, „welche hinaus gehen in Schiffen auf die wogende See und ihr Geschäft auf großen Wassern haben“, können würdigen, was eine solche Lampe in sternenloser, stürmischer Nacht für Lebens- und Leuchtkraft um sich her ausgießt. So möge der Nord-Vorland-Leuchtthurm stehen und leuchten und sprechen mit der Sprache, die ihm Longfellow gegeben:

„Nur frisch, nur segelfrisch, ihr stolzen Schiffe!
Als Flügelbrücken spannt den Ocean!
Ich bin euch Sonn’, ich schütz’ euch vor dem Riffe
Und helf’ euch Männern, selbst ein Mann.“



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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 300. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_300.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)