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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

Bischöfen, über ihr weltliches Besitzthum aber – „über Land und Leute“, wie man damals sagte – verschiedene wichtige Regierungs-Rechte, ja sogar den „großen Blutbann“; d. h. das Recht über Leben und Tod der Unterthanen des Klosters. Geldreichthum und Territorialhoheit, mehr als Beides aber noch die eifrige Pflege, welche Wissenschaften (Theologie und Historie namentlich) und Künste (Malerei, Architektur, Tonkunst und Gartenbau) in ihm fanden, verschafften dem Kloster einen hohen Ruf: auf die späteste Nachwelt aber bringt seinen Namen der am 3. Mai 1660, also vor jetzt gerade zweihundert Jahren, unter Frankreichs Vermittelung hier geschlossene Friede.

Derselbe endete den sechzigjährigen Thronstreit der protestantischen (schwedischen) und der katholischen (polnischen) Linie des Hauses Wasa, mit ihm den sechzigjährigen, nur durch einzelne mehr oder minder lange Waffenstillstände unterbrochenen Krieg Polens mit Schweden, und stellte auf ein halbes Jahrhundert hinaus die staatlichen Verhältnisse des europäischen Nordens fest. Im „Frieden von Oliva“ entsagte König Johann Casimir von Polen allen Ansprüchen auf Schweden; die „Republik“ Polen trat an dieses Liefland und Esthland ab; Schweden gab dagegen an Polen das gleichfalls eroberte Herzogthum Kurland, und an Polens Bundesgenossen Dänemark die Insel Bornholm und die Provinz Drontheim zurück, wogegen es die durch Jahrhunderte von Dänemark besessenen, im Laufe der letzten Kampfesjahre aber von Schweden gleichfalls eingenommenen Landschaften Halland, Schonen und Blekingen behielt. Dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg (der „große Kurfürst“), der es abwechselnd mit Schweden und Polen gehalten, ward von beiden Mächten der souveraine Besitz des Herzogthums Preußen bestätigt; mit Rußland aber, das für Schweden Partei ergriffen, von Johann Casimir ein Waffenstillstand geschlossen, welchem im folgenden Jahre der Friede von Kardis folgte, der den vorigen Besitzstand unverändert wieder herstellte.

Das Kloster Oliva.

So wurden denn aus dem „Friedens-Congresse von Oliva“ – derselbe dauerte vom „heiligen Dreikönigstage“ bis zum vorgedachten 3. Mai 1660 – die verwirrten Verhältnisse von halb Europa wieder in Ordnung gebracht und verblieben in dieser Ordnung, bis der Tag von Pultawa (1709) Schwedens Hegemonie vernichtete und die Friedensschlüsse zu Stockholm (1719), Friedrichsburg (1720) und Nystadt (1721) den nordischen Staaten andere Grenzen gaben.

Mit dem Anfange des 18. Säculums begann der Verfall der berühmten Abtei. Ihr Wohlstand schwand durch die großen Anforderungen, welche sowohl in dem langen, die beiden ersten Decennien des Jahrhunderts ausfüllenden „zweiten nordischen Kriege“, als auch bei der zwiespältigen polnischen Königswahl (1734) an sie von Freund und Feind gemacht wurden. Ihre Territorialhoheit, und mit ihr einen guten Theil ihrer Einkünfte, verlor die Abtei bei der Besitznahme Westpreußens durch Friedrich den Großen in Folge der ersten Theilung Polens; im Jahre 1810 erfolgte ihre theilweise, 1836 ihre gänzliche Säcularisirung, nach einem Bestehen von nicht weniger als 658 Jahren. Dreiundfunfzig Aebte, resp. Fürst-Aebte, hatten in diesem langen Zeitraume hier gewaltet; die beiden letzten Prinzen aus dem Hause Hohenzollern-Hechingen. Bei der Säcularisirung ward Oliva nicht, wie die meisten aufgehobenen Klöster, zur Staatsdomaine, sondern kam in den Privatbesitz des königlich preußischen Hauses.

Diesem Umstande ist es denn zu verdanken, daß das, was die Aebte im vorigen Jahrhunderte, und namentlich die Fürst-Aebte Karl und Joseph von Hohenzollern (von 1783 bis 1836 waltend) geschaffen, zum guten Theil erhalten blieb. Das im zweiten Viertel des vorigen Säculums erbaute, einst eine der glänzendsten Fürstenwohnungen bildende Schloß, „die neue Residenz“ benannt, steht allerdings seit der Säkularisation leer und hat viel von seiner inneren Pracht verloren, ist aber keinesweges verfallen und kann jeden Augenblick zu einer stattlichen fürstlichen Sommerresidenz eingerichtet werden. Zu einem fürstlichen Sommersitze eignet es sich durch die leichte, geschmackvolle Bauart, seine malerische Lage und vor Allem durch den herrlichen Garten, der es umgibt. Dieser gehört zu den schönsten und größten Gärten Deutschlands, und dürfte den berühmten fürstlichen Gärten von Schwetzingen, Wörlitz, Charlottenburg wohl nur wenig nachstehen. Von den Gärten der Provinz Preußen ist er weitaus der schönste, wie er denn überhaupt wohl von keinem unter gleichem nördlichen Breitengrade befindlichen Garten an Zierlichkeit der Anlagen und Mannichfaltigkeit

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 309. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_309.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)