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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

man nach der Rettung ja nicht mehr bedurfte. Jahn wurde in dem Augenblick verhaftet, als er einem Ruf nach Greifswald folgen wollte, Man schleppte ihn von Kerker zu Kerker, erst nach Spandau, dann nah Küstrin, wo man ihn mit Ketten belastete, und endlich in die Stadtvoigtei. Als sich bereits ermittelt hatte, daß ihm kein Staatsverbrechen zur Last falle und daß er höchstens wegen pommerscher Kraftausdrücke gegen die „Schmalzgesellen“, d. h. gegen die Demagogenriecher Schmalz und Genossen, zur Verantwortung gezogen werden könne, wurde er noch Jahre lang in Colberg als Festungsgefangener behandelt. Nach sechsjähriger Haft erhielt er sein Urtheil und wurde völlig freigesprochen. Er war ein gebrochener Mann, aber die Lust, ihn zu martern, hatte sich noch nicht gesättigt. Man verwies ihn nach Freiburg und von da nach Cölleda und unterwarf ihn einer peinlichen Polizeiaufsicht. Jahn zählte zweiundsechszig Jahre, als die Gnade des Königs ihm, dem Unschuldigen, seine Unbescholtenheit zurückgab.

Die Frivolität der Beschuldigungen, die gegen Arndt erhoben wurden, hat in dieser Welt ihres Gleichen nicht. Man ereifert sich gegenwärtig gegen die neapolitanische Polizei, die auf unbestimmten Verdacht hin Männer aus den ersten Familien des Landes über die Grenze schafft. Gegen Arndt wurde Schlimmeres begangen. Er hatte sein Leben von 1806 bis 1813 für König und Vaterland unaufhörlich auf's Spiel gesetzt, sein Antheil am Werk der Befreiung vom fremden Joch war ein hervorragender gewesen, und man dankte ihm damit, daß man ihn ohne alle rechtliche Grundlage des Hochverraths verdächtigte. In seinen weggenommenen Papieren suchte man nach Rechtfertigungen jener Anschuldigungen. Da fand man Briefe – unter andern von Gneisenau und von Eichhorn, dem spätern Cultusminister – in denen von der Nothwendigkeit einer Verfassung für Preußen gesprochen wurde – und folgerte daraus, daß Arndt „Träumen von republikanischer Aufbauung und Wiederherstellung des Vaterlandes“ Vorschub geleistet habe. Da fand man Randbemerkungen des Königs zu dem Entwurf einer Landwehrordnung und wollte darin den Plan einer allgemeinen Volkserhebung gegen den König sehen. Wie bei Jahn, kam das Jahr 1840 heran, ehe die freche Verleumdung genöthigt wurde, ihr Opfer frei zu geben. Da war auch Arndt gebrochen. „Man sieht dem Thurm,“ schreibt er, „so lange er steht, nicht an, wie Sturm, Schnee und Regen seine Fugen und Bänder allmählich gelockert und gelöst haben. Ich habe aber die langsame Zerreibung und Zermürbung meiner besten Kräfte bis in’s Mark hinein zu tief gefühlt.“

Gegen alle die, welche ein wirklicher Verdacht traf, glaubte man jeder Rücksicht enthoben zu sein. Als Beleg diene das Verfahren gegen die Darmstädter Rühl und Hofmann. Sie sollten Mitglieder des Jünglingsbundes gewesen sein und befanden sich in ihrer Heimath in Untersuchung. Da erbat sich das preußische Gericht zu Köpenick Beide, um sie andern Angeklagten gegenüberstellen zu können. Man willfahrte dem Verlangen ohne Arg, aber wie staunte man in Darmstadt, als von Köpenick plötzlich die Erklärung einlief, daß man Rühl und Hofmann dort in Untersuchung nehmen und bestrafen werde. Ausnahmsweise nahm sich ihre Regierung der Verhafteten an, und ihren längern Verwendungen verdankten es Beide, daß sie nach zwei Jahren zurückgeliefert wurden. Noch fünf Jahre verstrichen, und Rühl und Hofmann erhielten ihr Urtheil. Natürlich enthielt es eine strenge Verurtheilung dieser beiden Hauptverbrecher, an denen die preußische Regierung so viel Abscheuliches gefunden hatte, daß sie dieselben mit Verletzung des Bundesrechts behufs nachdrücklicher Bestrafung zurückbehielt? Im Gegentheil; Rühl und Hofmann wurden als unschuldig erkannt und demgemäß völlig freigesprochen. Daß man sie in Preußen schuldig befunden haben würde, lehrt das Schicksal ihrer auf gleicher Stufe stehenden Mitangeklagten, des Müllers Salomo und des Majors Ferentheil aus Erfurt. Gegen diese wurden lange Freiheitsstrafen – in erster Instanz der Tod durch das Beil! – ausgesprochen. Beide entkamen, Ferentheil aus der Citadelle von Magdeburg, Salomo aus einer andern Festung in einem leeren Mehlkasten, in den er unbemerkt gelangte und mit dem er in’s Freie gefahren wurde, wo er den Deckel aufstieß und das Weite suchte.

Es fehlte nicht viel, so wäre die Centralbehörde in Mainz, von der diese und viele, viele andere Dinge ausgingen, ein stehendes Bundesinstitut geworden. Dem österreichischen Staatskanzler war die Entdeckung des Jugendbundes sehr willkommen gewesen. Er wollte sie dazu benutzen, die Mainzer Commission, wenn nicht in Permanenz zu erhalten, doch als ausgiebigstes Werkzeug seiner Politik zu gebrauchen. Er ging so weit, zu klagen, daß sie in ihrer bundesgesetzmäßigen Verpflichtung zurückgeblieben sei, und auf einen Verweis gegen ihren Vorsitzenden, den Preußen v. Kaisersberg, anzutragen. Dieser Verweis wurde von Berlin aus wirklich ertheilt, aber das war auch der letzte Erfolg Metternich’s. Preußen vor Allem und nach ihm die meisten übrigen Staaten waren zu der Einsicht gelangt, daß die Demagogenriecherei ihnen eben so sehr schade, als sie der österreichischen Politik nütze. Selbst daß Metternich die Mitglieder der Commission auf den Johannisberg berief und alle Ueberredungskünste spielen ließ, wollte nicht mehr verfangen. Die Herren mußten sich selbst gestehen, daß ihnen der Stoff ausgegangen sei, und schlossen ihre Thätigkeit mit ihrem Hauptberichte vom 14. December 1827.


Blätter und Blüthen.

Zum Landkartenwesen. Ich möchte mir heute noch eine Rüge über unser deutsches Kartenwesen erlauben, die mir schon lange am Herzen liegt und eben auch nichts weiter ist, als ein Stück unserer deutschen Zerfahrenheit: ich meine die verschiedene Gradeintheilung der Landkarten, nicht allein für den Gebrauch der Schulen, sondern auch für den des Publicums.

In dieser Gradeintheilung herrscht eine heillose Verwirrung, die in früheren Zeiten vielleicht nicht so empfunden wurde, sich jetzt aber, wo wir fortwährend von fremden Ländern Kunde bekommen, nur um so mehr fühlbar macht. Wenn wir zwölf verschiedene Landkarten in die Hand nehmen, so können wir uns auch darauf verlassen, daß drei davon ihre Grade nach Paris, drei nach Greenwich und sechs nach Ferro rechnen, und die nach Ferro sind sogar noch dann und wann im Stande, gar keine östliche und westliche Länge anzuerkennen, sondern, wie man das vor siebzig und achtzig Jahren that, ihre 360 Grad rund um die Erde herum abzuzählen. Die Folge davon ist, daß, wenn man zwei Karten mit einander vergleichen will, die Lage eines Orts herauszufinden, vor allen Dingen eine höchst umständliche Berechnung nöthig ist, die verschiedenen Längen nach einander zu bestimmen – was von Hunderten kaum zwei im Stande sind.

Unsere deutschen Seeleute rechnen nur nach Greenwich und führen nicht allein meist lauter englische Karten, sondern auch englische nautische Handbücher, die ausgezeichnet praktisch eingerichtet sind. Wir Deutschen sind überhaupt keine solche seefahrende Nation, für unsere eigenen Schiffe die ungeheueren Herstellungskosten solcher Bücher in deutscher Sprache auszuführen. Die besten Karten, die wir von fremden Ländern haben, kommen überdies von England und sind alle nach der Eintheilung der Grade von Greenwich ausgerechnet. Es würde deshalb ein ungeheurer Vortheil für uns sein, wenn wir uns auch in Deutschland mit dem Kartenwesen[WS 1] dahin vereinigten, die längst veraltete Berechnung nach Ferro aufzugeben, die nicht den geringsten praktischen Nutzen mehr hat, und einzig und allein nach Greenwich rechneten.

Lesen wir jetzt einen Zeitungsbericht oder eine Reisebeschreibung, wo die Lage eines Ortes nach Graden, und dann jedesmal nach Greenwich angegeben ist, und nehmen wir dann unsere Karten vor, den Platz darauf zu finden, so mögen wir sie nur gleich wieder ruhig weglegen, denn es läßt sich zehn gegen eins wetten, der Ort, den wir suchen wollen, liegt bei uns unter demselben Grade irgendwo im Ocean, oder die Insel trocken auf dem festen Lande.

Ein Nationalgefühl kann uns dabei nicht abhalten, denn Ferro gehört ebensowenig zu Deutschland wie Greenwich, und das Vernünftigste ist also, uns die Berechnung geläufig zu machen und sie überhaupt festzuhalten, welche die allgemeinste praktische Geltung in der Welt hat, und nach der unsere deutschen Seeleute schon überhaupt gezwungen rechnen müssen.

Allen Verlagshandlungen geographischer Werke möchte ich deshalb die Bitte dringend an’s Herz legen, von jetzt an wenigstens die verzweifelte Berechnung nach Ferro aufzugeben und ihre Gradeintheilung durchgängig nach Greenwich anzulegen. Ich brauche wahrlich keinem der Herren den Nutzen noch klarer zu machen, den es nicht allein für alle Schulzwecke, nein, hauptsächlich für das große Publicum haben würde, und um dieser Bitte weitere Verbreitung zu geben, wäre ich jeder Zeitungsredaction dankbar, die diese Aufforderung an alle Verleger geographischer Werke in ihre Spalten aufnehmen wollte.

Friedrich Gerstäcker.[1]



Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

  1. Unser verehrter Mitarbeiter tritt nächste Woche seine große und, wie er uns schreibt, wahrscheinlich seine letzte weitere Reise an. Er wird Nord-, Süd- und Mittelamerika besuchen und gedenkt dies in 1 ½ Jahren auszuführen. Noch einmal will er, ehe er zwischen seinen vier Pfählen in Deutschland bleibt, seine alten Jagdgründe und Jagdkumpane aufsuchen und Stoff für sein ganzes Leben sammeln, namentlich aber die deutschen Ansiedelungen besichtigen, über deren Zustände er im Interesse der Auswanderung und des Handels die genauesten Studien machen wird. Wir werden die ersten Berichte über diese Reise in verschiedenen Zeitungen und später auch in geschlossenen Büchern lesen, auch der Gartenlaube hat Gerstäcker regelmäßige Berichte mit Abbildungen zugesagt, deren Veröffentlichung schon nächstens beginnen werden. Wir dürfen unsern Lesern interessante Mittheilungen versprechen.
    Die Redaction.
  1. Vorlage: Knotenwesen
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 320. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_320.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)