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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

Leute sind schlecht genährt, darin allein liegt die Ursache ihres üblen Aussehens. Diese beiden fettduftenden Eskimos tragen die Kraft der ganzen Compagnie in ihren stinkenden Kaldaunen. Während dieselben sich täglich mit dem Extract der für 150 Mann berechneten Rationen mästeten, mußte die betrogene Mannschaft warmes Spülwasser, kraftloses Gemüse und die bestohlenen Fleisch-Portionen aus Wasser und Salz essen.“

Die Stimme des erzürnten Brigadiers wurde noch drohender, als er fortfuhr: „Es wäre nun freilich Ihre Pflicht gewesen, Herr Hauptmann, durch eine stete Controle einen solchen groben Betrug unmöglich zu machen, Und es liegt nicht in meiner Absicht, Ihnen die Verantwortlichkeit dafür zu erlassen. Von dem Officier du jour, der, wie bereits festgestellt ist, während der ganzen Woche mit keinem Fuß in der Küche gewesen ist, habe ich mir bereits den Degen auf acht Tage ausbitten lassen; gegen Sie, Herr Hauptmann, behalte ich mir ein besonderes Verfahren vor.“

Der arme Capitain erlag beinahe unter dem Gewichte dieses öffentlichen Verweises; er drehte und wandte sich hin und her und konnte doch nicht soviel Haltung gewinnen, um wenigstens äußerlich ruhig zu erscheinen und seine Würde zu bewahren.

„Was gedenken Sie denn nun mit diesen Groß-Mandarinen der Freßkunst zu thun?“ fragte ihn der Oberst nach einigen Augenblicken eines beängstigenden Schweigens.

Der Capitain richtete sich aus seiner gebeugten Stellung empor und schaffte sich die Beängstigung, unter der er litt, in folgenden Worten von der Brust: „Ich werde die beiden Kerle sofort in die Compagnie zurücknehmen und sie wegen Betrug und Unterschlagung zum standrechtlichen Verfahren bringen.“

„Nichts davon!“ rief der Oberst mit Heftigkeit. „Das ist eine ganz verkehrte Maßregel. Wenn Sie diese Wölfe in die Compagnie zurücknehmen, so müssen Sie zwei andere Leute an deren Stelle in die Küche commandiren, die es wenigstens anfänglich noch toller treiben werden, während sich jene schon durchgefressen haben und darum nicht mehr so viel verschlingen können. Und mit Ihrem standrechtlichen Verfahren bleiben Sie mir ganz und gar aus dem Tornister. Erst werden die Leute durch die pflichtwidrigste Aufsichtslosigkeit zur Saumseligkeit und Lodderei förmlich hingeführt, und wenn dann irgend einmal eine Teufelei entdeckt wird, dann soll es sich gleich um Galgen und Rad, um Ehre und Zukunft handeln. Nein, mein Herr Hauptmann, daraus wird diesmal noch nichts! Ich weiß überhaupt nicht, wie sich ein solches Verfahren mit den humanistischen Grundsätzen verträgt, welche die Herren so gern zur Schau tragen. Bloße Schönrederei, weiter nichts, geschöpft aus dem großen Hexenkessel, der an der andern Seite des Rheines, in dem freien Frankreich, gerade jetzt so lustig überkocht und mit seinen mephitischen Dünsten auch schon manchen ehrlichen deutschen Kopf vergiftet hat. Die Farce da drüben mit ihrem Bürger-König, der mit der Nationalgarde – „Gevatter Schneider und Handschuhmacher!“ – Cigarren raucht und Champagner trinkt, wird nicht lange dauern. Ein zweiter Napoleon, der die langathmige Revolution auf den Schlachtfeldern Europa’s zu Tode zu hetzen versteht, wird das Ende der alten Posse sein, die man dort so eben mit so großem Eclat neu in Scene setzt. Ich hoffe, daß die ultima ratio unser liebes Deutschland vor einer ähnlichen Entwürdigung bewahren wird.“

Der Alte hatte sich in einen bedeutenden Zorn hineingeredet und brauchte einige Augenblicke, um sich etwas abzukühlen. Endlich hob er wieder an: „Das Verfahren gegen diese beiden Canaillen muß ich schon selbst anordnen,“ und sich an den hageren Corporal wendend, setzte er hinzu: „Sie bringen die beiden Schmierlappen in die Caserne zurück, lassen sich dort von dem Feldwebel vier Mann geben und begeben sich mit denselben nach dem Stall. Die Schmutzfinken werden dort ausgezogen, auf die Pritsche gelegt, und nachdem sie von oben bis unten eingeseift sind, mit Strohwischen und Wasser tüchtig abgerieben. Es schadet nichts, wenn dabei auch einige Hautfetzen an den Strohwischen hängen bleiben; das befördert die Transspiration und vermehrt die Verdauung. Nach dieser Wäsche lassen Sie den Kerls das Haar bis auf die Wurzel abschneiden, demnächst reine Bekleidung anlegen und hierauf dieselben zu ihrer Verrichtung nach der Küche zurückführen. Sobald die Compagnie abgegessen hat und die Küche aufgeräumt ist, bringen Sie dieselben in strengen Arrest, aus welchem sie des Morgens um acht Uhr wieder abzuholen und zu ihren Geschäften nach der Menage zurückzubringen sind. Diesem zeitweisen Arrest und der täglichen Wäsche bleiben die beiden Misthaufen durch acht Tage hindurch unterworfen, nach welcher Zeit, wie ich hoffen darf, dieselben wieder ein menschliches Ansehen erlangt haben werden. Es ist dies ein kosmetisches Mittel meiner eigenen Erfindung. Probatum est! Und nun hinaus mit den ekelhaften Speckmaden!“

Und eh’ er noch die Rede schloß,
Ging schon die Retirade los.

Um den Rückzug zu beeilen, ergriff der Alte einen Stuhl und warf ihn nach den Flüchtigen, wo er an dem breiten Rücken des Letzten zerbrach.

Ein abermaliges „Heraus – Herrr – raus!“ und ein zweiter Stuhl, der drohend in der Luft schwebte, brachte die Gruppe schnell in raschere Bewegung. Die Bedrohten stürzten in eiliger Flucht aus der Thür und kopfüber die Treppe hinunter, gefolgt von unserem schallenden Gelächter, welches sich nicht länger unterdrücken ließ. Der Oberst stimmte zuletzt in die allgemeine Heiterkeit mit ein, und dadurch kühlte sich die Heftigkeit seines Zornes vollständig ab, so daß sich dies Vorspiel zu unserer Prüfung auf die würdigste Weise schloß.

(Schluß folgt.)

Ein Buch für Arm und Reich.

In unterzeichneter Verlagshandlung erschien und ist durch alle Buchhandlungen zu haben:

Das Buch vom gesunden und kranken Menschen.
Von Dr. Carl Ernst Bock, Professor der pathologischen Anatomie in Leipzig.
Mit 25 feinen Abbildungen.
Dritte vermehrte Auflage in Heften.

Zur Empfehlung dieses Werkes bedarf es keiner buchhändlerischen Anpreisungen. Es hat in zwei Auflagen für sich selbst gesprochen und wird das in der dritten um so mehr können, als sein Werth durch die umfänglichen, dem Standpunkte der heutigen Wissenschaft entsprechenden Verbesserungen und Vermehrungen noch erhöht wird.

Die dritte Auflage des „Buches von gesunden und kranken Menschen“ ist in einer neuen übersichtlicheren Form bearbeitet, nach welcher das Werk in drei Abtheilungen:

1) vom Baue und den Thätigkeiten des menschlichen Körpers und seiner Organe;
2) Pflege des gesunden Körpers, Schutz gegen Krankheiten;
3) Pflege des kranken Körpers, Behandlung der Krankheiten;

zerfällt. Complet in 7 Lieferungen. Preis für jede Lieferung 71/2 Ngr. Für das vollständige Werk brosch.: 1 Thlr. 221/2 Ngr., gebunden 2 Thlr.

Leipzig.

Die Verlagshandlung Ernst Keil.

Für „Vater Arndt“

gingen in letzter Woche weiter ein: 3 Thlr. 5 Ngr. Ac. K. in Wien – 2 Thlr. 271/2 Ngr. (5 fl. 9 kr.) Sammlung durch Embacher in Kessen (Tirol) und zwar: 24 kr. J. Schweinster – 24 kr. M. Auer – 48 kr. M. Schweinster – 24 kr. J. Mitterer – 1 fl. M. Aulenthaler – 24 kr. Eine deutsche Jungfrau – 1 fl. 45 kr. J. Emberger - 20 Thlr. Sammlung der Fürstenschüler in Grimma, übersandt durch R. Kuhn – 2 fl. Heinrich Freimann in Prag – 3 fl. Joh. Fuchs Söhne in Graslitz – 15 fl. Einige Ingenieure der Theiß-Eisenbahn in Ungarn – 10 Ngr. C. Schmidt in Döbeln – 10 Ngr. Actuar Lesky im Döbeln – 14 fl. Sechs Schüler des Gymnasiums in Eger – 14 Thlr. 5 Ngr. Zweite Sammlung durch Herrn C. F. Schmidt in Frankenberg – 17 Ngr. E. E. in Pösneck – 1 Thlr. Dr. W. B. in Pösneck – 17 Ngr. Ass. S. in Pösneck – 6 Ngr. Ein Ungenannter in Pösneck.

Ernst Keil.

Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 336. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_336.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)