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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

Alpenbilder.
Von F. Stolle.
1. Ein Sommersonntag im Alpenstädtchen Reichenhall.


Ein tiefer Frieden sinkt in meine Seele,
Gedenk’ ich dein, du stilles Alpenthal,
Smaragdengrün, in Blumengold gewieget,
Umklungen von dem Abendsonnenstrahl.

Die rothen Wolken ziehen an den Bergen
Und über grünes Waldmeer still dahin,
Dieweil die Firnen, wie die Wächter Gottes,
Im reichen Gold des Sommerabends glüh’n.

Der Hirtenknabe dort auf grüner Alme,
In Blumen ruhend, singt sein Abendlied;
Und vor bekränztem Muttergottesbilde
Entblößten Haupts der müde Pilger kniet.

Da tönt durch Baum und Blatt und rothe Blüthen,
Wie einer schönern Gotteswelt entflohn,
Wie Engelgruß durch dieses Thales Frieden,
Sanct Zeno’s frommer Abendglockenton.

Und alle Berge zauberhaft umklungen,
Umrankt von Märchengrün aus alter Zeit,
Das da prophetisch immer wieder klinget
Von deutschen Volks dereinst’ger Herrlichkeit.

Kennt ihr des Wunderberges Marmorhalle,
Worinnen Deutschlands Kaiser trauernd harrt,
So lange, bis des Marmortisches Runde
Dreimal umschlungen hat der Silberbart?

Noch flattern um den Hochthron finstre Raben,
Der Kaiser träumt, der dunkle Zauber bleibt,
Bis daß die Zeit, wo auf dem Walserfelde
Der Birnenbaum der Freiheit Blüthen treibt.

Reichenhall.

Reichenhall –! holder, freundlicher Klang; erinnerungrosig ziehst du durch so manche Seele, die gebannt auf trostlose Ebene, wo die Wolken eintönig von Horizont zu Horizont ziehen und der Blick unerquickt in die unbegrenzte Ferne schweift – die aber doch einmal so glücklich war, zwischen deinen Almen zu wandeln und trunken emporzuschauen zu deinen Bergen, ruhend im himmlischen Blau. Und wie manches Herz wird dankbar deinen Namen segnen, das Genesung fand in deinem Schooße, du stilles Alpenthal, wo Gott so gnadenreich seine Quellen sprudeln läßt für arme kranke Erdenpilger!

Es ist heil’ge Sonntagfrühe. Das Nachtgewitter ist verrollt in den Bergen. Bis zwei Uhr haben die entsetzlichen Schläge wiederhallt, haben die Feuergarben verderbendrohend niedergehangen. Bis zwei Uhr haben die Lichtlein geleuchtet der erschreckten Bewohner von Reichenhall.

Die Tyroler und Salzburger Alpen hatten sich eine Mitternachtschlacht geliefert, wie man seit lange keine zweite vernommen; eine Schlacht voller Silberpracht und Grabesdunkel, voll golden zerrissener Himmelsdecken und Felsenerzittern. Die Hitze gestern war zu erstickend gewesen, die Luft so elektrisch, daß das Sanct Elmenfeuer auf dem Wege nach Kirchberg von Pappel zu Pappel gesprungen. – In der Gegend von Maria Plain hatte das Wetter gezündet. Lange leuchtete der Feuerschein durch die Nacht.

Jetzt ist es wieder Morgen und Alles still; nur die thautrunknen Halme und Alpenveilchen erzählen sich schüchtern von den feurigen Bändern der Nacht und wie der Felsengrund gezittert.

Welche Frische, welche Erquickung! Immer freundlicher quillt der junge Morgen über die Abhänge des Stauffengebirgs. Im Thal und Städtchen noch Alles still. Nur die Kathi, welche die Molken von der Kuchelbachalp herabbringt, pocht an die Thür zum Schießhüttengarten. Das Thal dampft, Untersberg, die Stauffen, Schwegel, Müllnerberg und Ristfeuchthorn, die Riesenwächter von Reichenhall, rauchen ihre Morgenpfeife. Allmählich beginnen sich ihre Häupter zu röthen.

Da, aus Blättergrün des Curgartens von Achselmannstein, erwachen die Töne eines Chorals, die, ein frommer Sonntaggruß, weihevoll durch den immer goldener werdenden Morgen ziehen. Es ist der Choral

„Vor deinen Thron tret’ ich hiermit.“

Die Bademusik beginnt ihr Morgenconcert.

Da klappt hier und da eine grüne Jalousie. Sie thut sich auf. Himmlischer Morgen strömt hinein, herzerquickend, wangenröthend. Man hört Nachbarn sich einen guten Morgen zurufen. Dann lauscht Alles den Klängen des Chorals. Und immer goldener blüht der Morgenhimmel auf. Es wird lebhafter. Vereinzelte Curgäste wandeln bereits zwischen den blühenden und thautropfenden

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 357. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_357.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)