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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

Die zoologischen Gärten.
Von Professor H. E. Richter in Dresden.
(Schluß.)

In Dresden wurde der Plan zu einem Thiergarten zuerst von dem dasigen „Verein für Hühnerzucht“ gefaßt, welcher 1859 in einem dazu ermietheten Garten der Ostra-Allee eine Anzahl in- und ausländischer Thiere ausstellte. So geringfügig dieser Anfang auch war, so hat er doch in der kurzen Frist von sieben Sommermonaten seines Bestehens die bedeutende Zahl von 21462 Besuchern aus allen Ständen angelockt, und bei einem geringfügigen Eintrittsgeld (von zwei, resp. einem Silbergroschen) das darauf verwendete Capital mit 171/2 Procent verzinst. Dadurch wurde man ermuthigt, einen zoologischen Garten in größerem Maßstabe nach den oben beschriebenen Vorbildern zu begründen.

Hierzu bot sich ein Platz dar, wie er nicht günstiger gewünscht werden kann. Die städtischen Behörden zu Dresden haben nämlich begonnen (s. beil. Plan), den von der sogen. Bürgerwiese am Dohnaischen Schlag südostwärts nach dem großen Garten hin sich erstreckenden Wiesengrund (bei den Botanikern als „Orobanchen-Wiese“ weitbekannt) nach den Entwürfen des berühmten Berliner General-Gartendirectors Lenné in eine Parkanlage zu verwandeln, welche auf ihrer Westseite bis zu dem böhmischen Bahnhofe hin von einem neuzuerbauenden eleganten Stadttheil (Fortsetzung des sogen, „englischen Viertels“) eingefaßt werden soll. Da, wo dieser städtische Wiesengrund aufhört, erstrecken sich noch einige im Privatbesitz befindliche Felder bis zu dem „großen Garten“, längs des an einem Damm sich hinschlängelnden „Kaitz-Baches“. Diese Felder wird der vorläufig durch Zeichnung von 50,000 Thalern begründete „Verein für den zoologischen Garten“ ankaufen und für die sonnigen, freiliegenden Anlagen benutzen. Den schattigen Theil liefert der „große Garten“ selbst, indem dasjenige dreiseitige Stück desselben, welches westlich von dem Kaitz-Bach liegt, durch das Königlich Sächsische Finanzministerium für besagten Zweck bewilligt worden ist. Der Bach wird das nöthige Wasser für die Teiche der Wasservögel, die Badebassins der Dickhäuter, die Tränkung der übrigen Thiere etc. liefern und sich dann in den städtischen Parkanlagen, neugefaßt, weiterschlängeln.

Die geneigten Leser der „Gartenlaube“, von denen sicher mindestens die Hälfte schon in Dresden war und die besagten Oertlichkeiten kennt, ersehen aus dieser Beschreibung und der beigegebenen Abbildung, daß diese beiden von Lenné entworfenen zusammenhängenden Projecte der sächsischen Haupt- und Residenzstadt eine Zierde bereiten werden, um welche sie bisher ihre Schwesterstadt Leipzig zu beneiden hatte: nämlich einen bis unmittelbar in die Stadt hineinreichenden Park. Denn in ihrem Zusammenhang mit der Bürgerwiese und dem ehemaligen Jüdenteich reicht die Gartenanlage dann fast bis an die Stadtpromenade (beim Café français) herein und erstreckt sich andererseits bis an das Ende des großen Gartens. Seiten der Stadt sind die Anlagen schon zum Theil bepflanzt, zum Theil noch in Arbeit. Seiten des Vereins sind 80 Procent der 50,000 Thaler eingezahlt und werden nach jetzt ersetzter gesetzlicher Constituirung der Gesellschaft jedenfalls die übrigen 50,000 Thaler, welche man zur Vollendung des Ganzen veranschlagt hat, bald zusammenkommen. Unerwartet dessen aber wird man mit der Umzäunung und der Uebersiedelung der schon vorhandenen Thiere (des oben erwähnten kleinen Anfangs) sofort beginnen.

Jeder Actionair hat bei zwei Actien (zu 50 Thaler jede) den Vortheil, für sich und vier Familienglieder stets freien Eintritt zu genießen. Außerdem ist bei einer so besuchten Fremdenstadt wie Dresden (jährlich etwa 80,000 Einpassirte, ohne die polizeilich Ungemeldeten, z. B. bei Verwandten auf kurze Zeit Einsprechenden mitzuzählen) und bei der großen Anzahl der allhier lediglich zum Vergnügen oder zu Erziehungszwecken sich aufhaltenden wohlhabenden Personen ein sehr reichlicher Besuch sicher zu erwarten. Das Unternehmen wird sich decken, sich halten, vielleicht sogar ganz gut verzinsen. Letzteres hängt natürlich davon ab, wie man wirthschaftet. – Ueber die Ausführung im Einzelnen wird die „Gartenlaube“ vielleicht später, hoffentlich bald und recht erfreulich, zu berichten haben!

Wir kommen nun zu der Frage: „Was bezwecken und nützen denn eigentlich diese zoologischen Gärten? Wie kommt es, daß eine Stadt die andere mit dieser Liebhaberei ansteckt?“

Zunächst hatten wohl vorzugsweise die Gelehrten das begründete Verlangen, die Naturgeschichte der Thiere lieber an lebendigen Geschöpfen, als an ausgestopften (denen ja das Wesen des Thieres, die Anima fehlt) oder gar an Abbildungen zu studiren. Mit der neuerdings um sich greifenden Popularisirung der Naturwissenschaft mußte sich auch dieses Bedürfniß einer lebendigen Anschauung verbreiten, insbesondere wo auf Schulen, Real- und gelehrten Gymnasien, Kunst- und Wissenschafts-Akademien der naturwissenschaftliche Unterricht immer umfassender und tiefergehend, immer mehr von Sachverständigen (nicht vom ersten besten Classenlehrer) vorgetragen und so immer mehr des Selbstsehens bedürftig wurde.

So ist es denn auch bei mehreren zoologischen Gärten schon Gesetz, daß unter gewissen Beschränkungen die Zöglinge der Kunstakademien, der ärztlichen oder polytechnischen Schulen etc. freien Zutritt haben. Wie dies z. B. auf die bildenden Künste wirken muß, darüber belehrte mich eine Beobachtung im Berliner Thiergarten schon vor sieben Jahren. Ein junger Künstler saß emsig vor dem Affenhaus und modellirte einen Pavian in seiner charakteristischen Sitzweise trefflich. Gewiß ist dieses Modell in eine jener Fabriken gelangt, welche jetzt solche Thierfiguren, auf’s Lebendigste nachgebildet, für wenige Groschen in Gußeisen, Zink oder Bronze verkaufen. Bald wird vielleicht auch die Zeichen- und Malerkunst nur solche Thiere darstellen, welche wirklich existiren. Dann wird aus den Bilderbüchern, wie aus gewissen Oelgemälden sogar das weitverbreitete „Nürnberger Mähschäfchen“ verschwinden, welches lediglich den hölzernen Modellen der Kinderspielzeug-Schachteln entnommen wird und niemals lebend in der Natur gesehen worden ist!

Ein solcher Einfluß der lebendigen Selbstanschauung wird mit der Zeit auch wohl noch anderen Künsten und Wissenschaften zu Nutzen kommen; z. B. der Alterthumskunde, Geschichte, Erdbeschreibung, Waarenkunde etc. Denn in unserer Zeit hängen alle Wissenschaften und Künste innig zusammen. Den Medicinern haben schon die bisherigen zoologischen Gärten kostbare Gelegenheiten geboten, theils Menschenkrankheiten an Thieren (z. B. Tuberkel, Krebs, Rückendarre), theils neue Thierkrankheiten (z. B. die ansteckenden Schimmel- und Milbenräuden der Hühner) zu studiren.

Ein anderer Nutzen, den die zoologischen Gärten schon jetzt auszuüben beginnen, ist der, die Zahl der akklimatisirten Hausthiere zu vermehren. Die Zahl der bis jetzt vom Menschen zum Nutzen oder Vergnügen gezähmten und an sein Haus gewöhnten Thiere ist sehr gering im Verhältniß zur Zahl derer, welche sich körperlich und geistig ebenfalls dazu eignen würden, wenn man sich die Mühe gäbe, ihre Eigenthümlichkeiten zu studiren und ihre Lebensweise der unsrigen anzupassen. In Deutschland z. B. zählt Dr. Weinland (in oben erwähnter Zeitschrift) als Hausthierarten höchstens nur zehn Arten von Säugethieren, zwölf bis fünfzehn von Vögeln, eine von Fischen, zwei von Insecten; von Reptilien, Weich- und Strahlthieren kein Einziges!

Zu obigen Hausthieren aber gehören außerdem noch eine Menge Abarten, die sich in anderen Ländern nutzbar oder sonst beachtenswerth machen, aber bei uns noch ganz fehlen. – Allerdings bestehen für diesen Zweck der Akklimatisation und Züchtung besondere Vereine (über welche obige Zeitschrift ebenfalls fortlaufend Aufschlüsse und Berichte mittheilt). Aber es ist doch offenbar, daß die zoologischen Gärten denselben unaufhörlich vorarbeiten, theils indem sie stets selbst neue Arten und Abarten aufnehmen, an das Klima gewöhnen und deren Lebensweise und Gemüthsneigungen studiren, theils indem sie alljährlich durch Verkaufen und Versteigern solche Arten in das größere Publicum bringen und somit dieses selbst immermehr an dem Zweck der Akklimatisation betheiligen (was zuerst die Hühnerzucht-Vereine im Großen gethan haben).

Doch alles bisher Erwähnte sind nur untergeordnete Motive, So will ich auch nicht weiter in Betracht ziehen, daß die zoologischen Gärten unter Umständen eine ganz gute Finanzspeculation darstellen und recht artige Zinsen abwerfen (z. B. der Frankfurter in einem Jahre 15 Procent, der Dresdner in sieben Sommermonaten

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 379. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_379.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)