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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

malerische, patriotische, frische Erscheinung, eine Schöpfung freier Männer und Jünglinge, ein starkes, wundervolles Werk des Volks. Daß auf Bällen und Paraden, bei Wahlen und Streitigkeiten um Officierstellen, in Gesellschaften und öffentlichen Versammlungen sich Einzelne durch Renommisterei und Uniformen-Eitelkeit, Anmaßung oder Rohheit lächerlich und verächtlich machen, kann das frei und bunt zusammengesetzte Freischaarenwesen selbst noch nicht in Verruf bringen. Kern und Wesen der Sache ist und bleibt eine wie aus Nichts d. h. aus der freien Begeisterung des Volkes geschaffene freie Wehrkraft von mindestens 100,000 Mann, die durch ihren freien Dienst und ihren Patriotismus ersetzen, was ihnen an steifen Exercirkünsten und Parade-Linie fehlen mag.

Der allgemeine Feind Europa’s und Busenfreund Palmerston’s nöthigt auch Deutschland zur Verstärkung seiner Wehrkraft. Man verlangt zu diesem Zwecke so und so viel Millionen von Thalern und so und so viel Hunderttausende von jungen Arbeitern, die man für das Geld zu Soldaten machen will. Warum macht man’s nicht wie in England? Bewaffnet euch oben mit der Liebe des Volkes und erlaubt ihm nur, sich wehrkräftig zu organisiren, so seid ihr vor allen Napoleons sicher und braucht dem ausgesteuerten Volke nicht erst Millionen abzunehmen und aus freien Männern und Arbeitern Soldaten zu machen!

Die englischen Freischaaren, jetzt bereits 120,000 Mann stark, bleiben schaffend und wirkend im bürgerlichen Leben und widmen nur frei ihre Freistunden den Uebungen, die zum Schießen und Schlagen, für Wehr und Waffe nothwendig sind. Welch’ ein Unterschied zwischen dem Soldatenthum und der freien Wehrkraft des Volkes! Wir leugnen nicht, daß die jetzigen Zustände der Taktik und Strategie große Massen regulairer, geübter Truppen unerläßlich machen. Ohne diese würden Freischaaren kaum ihr Land vertheidigen können. Furchtbarer aber ist die Thatsache, daß das „herrlichste Kriegsheer“ ohne freie Wehrkraft des Volks Land und Leute weder vor äußeren noch vor inneren Feinden schützen kann.

Nebensache, aber gar nicht zu übersehen dabei ist, daß die freien, bewaffneten Männer und Jünglinge durch die Uniformen, die sich die einzelnen Corps selbst wählen, etwas Malerisches und Mannichfaltiges in das sonst ziemlich öde civile Leben bringen. London sieht tausendmal interessanter aus, seitdem Tausende von Waffenröcken freier Wehrkraft sich zwischen civilen Röcken und Leibröcken hindurch drängen. Die Uniformen haben alle etwas Aehnliches, sind aber doch hinlänglich verschieden, sodaß militairische Einförmigkeit und Steifheit vermieden ward. Kein Freicorps nahm die von der Regierung vorgeschlagene Modell-Uniform an. Nur die königlichen Westminsters und das Juristen-Freicorps bequemten sich dazu, sie für sich umzuändern. Alle Anderen wählten nach eigenem Geschmack. Die „Westminsters der Königin“ tragen sich hellgrau mit rothen Aufschlägen, bronzenen Knöpfen und sonst fast ganz ohne Putz. Das braune Lederzeug sichert Neutralität allen Farben, die den Linientruppen oft so aufgestickt sind, als sollten sie bunte Käfer darstellen. Auch die Juristen haben sich ähnlich uniformirt, wie die Westminsters.

Die „Königl. Londoner Irländischen Riflers“ machen schon mehr Staat mit ihren dunkelgrauen, reich mit Silber und grauer Seide gestickten Waffenröcken, smaragdgrünen Einfassungen und schwarzen Gürteln mit Silberschnallen. Auf der halb czakoartigen Kopfbedeckung flattern braune, glänzende Federn. Die Irländer haben’s gern etwas lustig und flatterig. Die Postbeamten rifeln in Dunkelgau mit schwarzem Besatz, dunkler Forage-Mütze, schwarzen Gurts und bronzenen Ornamenten. Aehnlich kleiden sich die „Civil-Dienst-Corps“, nur daß sie sich an die Mütze oben eine geschmacklose, lächerliche „Knuppe“ gesteckt haben. Am meisten fallen die „Sechs-Fuß-Frei-Garden“ auf; sie haben die schauderhafte englische Soldatenfarbe – gekochtes Krebsroth – für ihre Waffenröcke gewählt und sie mit Silber sticken lassen. Der Helm besteht aus lackirtem Leder, Silberbesatz und wehenden, dunkelbronzenen Federn. Das sind einige Andeutungen. Die Abbildung sagt das Uebrige. Wir gehören nicht zu den weisen, wissenschaftlichen Landesvätern, die über einen Knopf oder eine Schnalle dieses oder jenes Regiments lange und tief nachdachten und die Welt dann und wann durch einen Knopf mehr oder weniger als Reformatoren überraschten. – London und England schwärmt von verschieden uniformirten Freischaaren, die im Juli nach deutschem und schweizerischem Muster ein großes Schützenfest halten werden, wozu sich die Königin bereits angesagt hat. Alle sind von der Regierung mit herrlichen, langen Rifle-Büchsen versehen, den „Enfield-Rifles“, die in Enfield unweit London mit 100,000 Dampf-, Pferde- und noch mehr Menschenkraft seit Jahren Tag und Nacht auf das Vollkommenste und Massenhafteste fabricirt werden. Die 120–150,000 Mann werden die „Rothhosen“ sehr warm empfangen, wenn sie es wagen sollten, das Annectiren bis über den Canal auszudehnen.




Zum deutschen Turn- und Jugendfest in Coburg

am 17. und 18. Juni.


Brüderlich in ernster Stunde
Ist die deutsche Jüngerschaft
Hier vereint zum großen Bunde
In dem Vollgefühl der Kraft;
Und die alte heil’ge Treue
Für das deutsche Vaterland
Schlinget wiederum auf’s Neue
Hier um uns ihr ehern Band!

Lieb’ im Herzen, Licht im Kopfe,
Manneskraft im deutschen Arm,
Bittern Haß jedwedem Zopfe,
Alle Brüder, – reich und arm;
Frisches freudiges Genießen,
Wo das Leben Blumen beut, –
Festen Muth im Kampf und Leiden
Und im Tode Freudigkeit.

Ob im schlichten Leinenkittel,
Ob an Armuth wir gewöhnt, –
Ob uns Reichthum ward und Titel,
Allen eine Losung tönt:
Vorwärts! Vorwärts! rauscht die Mahnung
Durch der deutschen Männer Reih’n:
Bald erfüllet wird die Ahnung,
Deutschland frei und einig sein!

Vorwärts! in der Eichen Sausen,
Vorwärts! tönt es auf den Höh’n,
Vorwärts! in der Wellen Brausen,
Wo die deutschen Ströme geh’n;
Vorwärts, Männer! vorwärts, Jugend!
Vorwärts Alle! Seid bereit!
Nur der Kampf bewährt die Tugend,
Stählt die deutsche Einigkeit!

Klopft dann an die rothen Hosen
Keck der Franzmann über’m Rhein,
Mag aus Angst vor den Franzosen
Immer der Philister schrei’n.
Fest wird Deine Jugend bleiben,
Deutschland, frisch und unerschlafft, –
Wie die Stürme mögen treiben,
Ewig währt die deutsche Kraft!

Wenn die Deutschen recht nur wollten
Treu und einig für und für,
Unter’m Banner schwarz-roth-golden,
Unter’m alten Reichspanier:
Hoch das Schwert in unsrer Rechten,
Jeder deutsche Mann ein Held,
Könnten wir getrost dann fechten
Gegen eine ganze Welt!

Hebt die Herzen und die Hände
Hoch zum heil’gen Schwure auf:
Wie sich auch das Schicksal wende,
Wie auch sei der Zeiten Lauf:
Jeden Fußbreit deutscher Erden
Schützen wir mit starker Hand,
Frei und einig muß es werden,
Unser deutsches Vaterland!   F. G.


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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 397. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_397.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)