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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

No. 29. 1860.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redacteure F. Stolle u. A. Diezmann.

Wöchentlich 11/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.


Sigrid, das Fischermädchen.
Novelle von Theod. Mügge.
(Fortsetzung.)

Während Clas draußen auf die arme Robbe losschalt, griff seine Mutter drinnen den Fischer an dem Arm, schob ihren Xopf dicht an sein Gesicht und murmelte ihm zu: „Damit, Gullik: so lange Du Thorkel’s Seehund im Hause hast, hat Dich das Unglück. Wirf ihn in’s tiefe Wasser, gib ihn Clas, der soll thun, was ich sage. Dann ist Clas mit Dir, und Thorkel bist Du los. Jetzt hilf ihm.“

Gullik machte die Thür auf. Der Seehund lag davor und hielt Clas mit grimmigem Zahnfletschen von sich ab. Der Fischer gab dem Thiere einen Stoß, der es seitwärts warf, darauf ging er zurück, ohne ein Wort zu sagen, und setzte sich wieder an seinen Platz. Clas kam nach, aber seine Mutter winkte ihm zu, daß er schweigen sollte; so setzte er sich auch an’s Feuer und betrachtete Beide. Grete rauchte, legte ein paar Holzstücke auf die Flamme, daß sie hell aufloderte. Sie hielt die kurze Pfeife zwischen ihren breiten Lippen, der Dampf zog über ihr Gesicht, ihre Augen funkelten daraus hervor. Ihre Ellenbogen stemmte sie auf die Beine, legte ihr dickes Gesicht in beide Hände und hockte so vor dem Heerde. „Besser wird’s nicht, Gullik,“ begann sie nach einer Weile, ohne ihn anzusehen, „Du wirst es inne werden. Dein Kind wird nicht eher wieder aufstehen, guter Fang wird nicht kommen, Du wirst Unglück haben, Unglück überall, bis der böse Aand aus Deinem Hause ist. Ja, ja, Gullik, es ist ein Bann, ich sag’s Dir, ich seh’s in Deinem Feuer.“

Der Fischer blickte stier ihren Blicken nach. Es war ein Grausen in seinem Kopf, das ihm die Haut zusammen zog. Er dachte daran, wie Thorkel gesagt hatte: „Mag es Dich nicht gereuen!“ dachte an den Schimpf, den er ihm angethan.

„Wirst morgen auch nichts fangen,“ sagte Grete, „der Busemand hält Wache, läßt nichts in Deine Netze. Schickt gräulich Wetter, reißt Dich nieder, legt sich auf Anders mit seinen Plagen.“

„Was soll ich thun, Grete?“ murmelte der geängstigte Mann.

Sie beugte sich zu ihm und sprach: „Du wirst es sehen, Gullik, es wird morgen sein, wie heute, dann eile Dich. Der Hund muß in den Langfjord; wenn es Nacht ist, gib ihn an Clas –“

In dem Augenblick sah Clas auf, und da er nach seiner Mutter blickte, sah er noch etwas an dem kleinen Fenster hinter ihr an der Hüttenwand. Es war ein Gesicht oder ein Schatten, der schnell verschwand, aber er glaubte ihn doch erkannt zu haben, und ohne etwas zu sagen, stand er auf, ließ seine Mutter bei Gullik sitzen und ging hinaus. Als er draußen anlangte, sah er sich um und horchte. Die Sterne standen am Himmel, der Wind schwieg, sehen konnte er nichts, denn es war sehr dunkel, aber von den Steinplatten her, auf denen des Pfarrers Garten lag, hörte er ein Geräusch, und den steilen Hang herunter kollerte ein Stein. Es stieg Einer dort hinauf, hatte auf den Stein getreten und ihn zum Fallen gebracht. Clas besann sich nicht lange, folgte ihm leise nach, und da es ihm Wenige gleich thaten an Kraft und Behendigkeit, war er schnell oben, und so behutsam still, daß nicht der mindeste Lärm entstand. An dem Gitter duckte er sich dicht nieder und lag am Boden, bis er sich aufrichtete und in den Garten spähte. Es kam ihm vor, als regte sich etwas nicht weit von ihm unter einem Apfelbaum, der sein breites Geäst über den Weg ausstreckte, und plötzlich hörte er auch ein Geräusch in dem Gange, der vom Pfarrhause herführte. Es kam ein Anderer von dorther, und nun trat der unter dem Baume hervor und ging ihm entgegen.

Sobald dies geschah, stieg Clas über das Gitter, und wenige Augenblicke vergingen, so befand er sich unter dem Apfelbaume. Der Stamm war dick, und ein paar Fuß über dem Boden theilte er sich in eine Gabel; zwischen dem starken Geäst konnte ein Mann gut stehen, sich anlehnen und sich verbergen. Und hier stand Clas Gorud fest angeklammert und hörte mit gespannten Ohren; es dauerte jedoch einige Zeit, ehe er etwas vernehmen konnte. Denn die beiden Personen blieben fern in dem Gange, er hörte kaum, daß sie zusammen sprachen. Bald jedoch kamen sie näher, Clas hatte dies wohl erwartet, denn der große Baum gab ihnen den besten Schutz für ihre Heimlichkeiten. Und nun wußte er auch, wer Beide waren: Jungfrau Else und Thorkel, sie wurden schnell von ihm erkannt.

„Es geht ihm also gut, sagst Du?“ fragte des Pfarrers Tochter.

„Ich denke,“ antwortete Thorkel, „es soll ihm bald noch besser gehen.“

„Wie meinst Du das?“ fuhr sie fort.

„Ich meine, er wird nicht unterliegen. Wird einmal wieder in Meldalsgaard wohnen und seinen Namen zu Ehren bringen.“

„Hat er Dir nichts aufgetragen an – an mich? Keinen Gruß?“

„Nein, nein!“ sagte Thorkel. „Er war fort, als ich ging. Es kam schnell, daß ich entlassen wurde.“

„Du weißt auch nicht, wo er ist?“

„Ich kann’s nicht sagen,“ antwortete Thorkel. „Es möchte falsch sein.“

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 449. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_449.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)