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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

und, was gute Leute Dir boten, mit Undank vergolten hat? Clas ist wacker, aber Du – Du gehst mit Schande und Lügen um!“

Thorkel blieb ruhig, doch sein Gesicht wurde ernst und seine Augen groß. „Wann hast Du je gehört, daß ich lüge?“ antwortete er. „Nimmer wird Schande über mich kommen, hüte Du Dich davor und hüte Dich vor Clas. Du hattest ihm den Hund gegeben, ihn nach dem Langfjord zu bringen, dort traf ich ihn an, als er ihn eben mit dem Sack in’s Wasser werfen wollte, damit er elend dabei umkomme. Da ich zu ihm sprang, stürzte er mich hinein, mitten zwischen den steilen Klippen von Röe, und noch glaubt er, daß ich tief unten bei den Trollen liege. Eilig machte er sich fort, nahm mein Fahrzeug mit und war sicher, mich erschlagen zu haben.

Aber der Hund kam in die Höhe und ich auch. Ich brachte ihn aus dem Sack und wir schwammen beisammen; die Ebbe half uns glücklich heraus bis nach Bedöe. Dort ließ ich den Hund weiter schwimmen, ich wußte wohl, daß er den Weg zu Dir zurück finden würde; mehr als einmal war er früher schon mit mir in dem Langfjord gewesen. Ich aber ging weiter und die Nacht durch bis zum Morgen, wo ich nach Meldal’s Gut kam. In dem Gaard bin ich bis jetzt gewesen, dahin führte mich Gottes Hand, ich kam zur rechten Zeit.“ – Er schwieg ein Weilchen und setzte dann hinzu: „Du siehst wohl, daß Clas Gorud ein böser Schelm ist, der keine schlechte That fürchtet. Seine Mutter hat den Plan gemacht, Dich zu verlocken, durch Aberglauben und Bosheit mich von Dir zu stoßen und zu verderben. Du sollst ihm Sigrid geben, mir will er meine Stelle nehmen, möchte auch wohl gern Dein Erbe sein, wenn Anders stürbe; aber von dem Allen wird nichts werden. Ich denke, Du glaubst es mir, Gullik Hansen.“

Der Fischer antwortete nicht und regte sich nicht. Endlich blickte er Thorkel fest an und fragte: „Ist das Alles wahr, Thorkel, ist es so geschehen?“

„Es ist kein falsches Wort darin,“ sprach Thorkel. „Willst Du meine Hand jetzt nehmen?“

Gullik blickte ihn nochmals an, darauf hob er seine Hand auf. „Ich will,“ sagte er, „bei Gottes Wort! Ja, ich will! – Jetzt setze Dich nieder und laß uns reden.“




8.

Als Herr Schiemann am Nachmittage dieses Tages seinen Aufsichtsmann Clas zu sich hereinrufen ließ, stand der reiche Kaufmann eben vor dem goldrahmigen Spiegel und steckte eine kostbare, mit funkelnden Steinen besetzte Nadel in seine Halstuchschleife. Auf dem Tische lag ein feiner prächtiger Blumenstrauß, daneben stand ein Kästchen von gepreßtem Leder, und weiterhin sah Clas eine Kette von Granatsteinen mit großem Schloß, wie stattliche Bauerntöchter solche als Sonntagsputz tragen. Das Kästchen war geöffnet, mit weißem Atlas gefüttert, darin glänzte ein Goldschmuck, wie Clas ihn nie gesehen. Herr Schiemann trug einen neuen schwarzen Frackrock, eine weiße Weste, gelbe Handschuhe, und der weiße Halskragen stand ihm steif über den rothgelben Bart und die hohlen Backen bis an die Mundwinkel. Da er sah, wie Clas vor Verwunderung Mund und Nase aufsperrte, fing er an zu lachen und kam auf ihn zu.

„Nun, Clas,“ sagte er, „der alte Horngreb ist sicherlich zwar ein falscher Kerl, mit dem wir bald abrechnen wollen, aber er hat uns doch den guten Rath gegeben, unsere Sachen schnell in Richtigkeit zu bringen und keine unnütze Zeit zu verlieren. Da liegt mein Brautgeschenk für Jungfrau Else; bringe Du Deiner Sigrid, was Du hast, nimm ihr aber auch die Kette da mit und hänge sie ihr um den Hals; sie wird wohl stille halten.“

„Ja, ja, Herr!“ rief Clas erfreut, „viel tausend Dank alle Zeit!“

„Im Uebrigen bleibt es, wie ich bestimmt habe,“ fuhr Herr Schiemann fort. „Morgen werde ich mit Dir zum Landrichter gehen, mein Recht auf Dich übertragen und die Schrift aufnehmen lassen. Sobald wir die Stelle zugesprochen bekommen, sorge ich für die Einrichtung, das kannst Du Gullik und Sigrid sagen, auch werde ich selbst mit ihnen sprechen. Bringe sie Beide hinauf in’s Pfarrhaus, wenn Du fertig bist, und jetzt mach’, daß wir hinüber kommen, es wird bald dunkel werden.“

Clas sprang nach dem Boote, trug die Kissen auf den Steuersitz, und gleich darauf kam Herr Schiemann, den Blumenstrauß in der Hand. Alle Leute, die ihn sahen, staunten ihn an. Er setzte sich in das Boot, und Clas arbeitete so rasch, als hätte er doppelte Kräfte. Das Fahrzeug lag bald unter der Kirche, und als der reiche Bräutigam sich frohgelaunt entfernt hatte, lief der arme schnell in seine Hütte, schrie seine Mutter an, ihm die Sonntagsjacke zu bringen, sein rothes Seidentuch und die neuen Schuhe. Grete warf die Pfeife fort und schrie: „So ist’s gut, Clas, jetzt haben wir sie. Geh Du hin und dann bring’ sie her. Ich will mich auch putzen, wie’s einer Brautmutter zukommt, und will rothen Grütze kochen und Heringe braten. Der Fang ist heute gut gewesen. Gullik’s Boote kamen beide voll von Fischen. Er stand darauf. „Hast Glück gehabt, Gullik?“ schrie ich ihm zu. „Ja, ja,“ antwortete er. „Ist Alles in Ordnung!““

Sie knüpfte ihm das Seidentuch um, kicherte und nickte dabei. „Nun geh,“ sagte sie, „bist schmuck und bist willkommen. Der Hund liegt in den Hexenlöchern von Onen, und Thorkel dazu; Keiner mehr wird Dir Sorge machen.“

Clas ging stolz lachend fort; was konnte ihm jetzt noch fehlen? Er schritt auf Gullik’s Haus zu, und eben trat die rothe Abendsonne aus den Wolken und leuchtete über den Fjord fort auf die Trolltinden von Romsdalen. Da stand oben der ganze Hochzeitszug, den der heilige Olaf einst in Stein verwandelt hatte. Der heidnische König mit seiner schönen Tochter, die Priester und der riesige Bräutigam mit allen Hochzeitsleuten, den Fiedlern und Fahnenschwenkern schienen lebendig zu werden. Es war dem Clas Gorud, als winkten sie ihm und fingen an zu springen und zu tanzen. – „So soll’s auf meiner Hochzeit sein,“ sagte er. „Alles soll tanzen, was Beine hat, und Keiner soll fort, so lange er gerade stehen kann; es muß wenigstens zwei Tage lang gegessen und getrunken werden.“

In dem Augenblick hörte er Sigrid’s helle Stimme und wie sie laut sprach: „Ja, ja, Else und ich, wir wollen beisammen unter der Krone gehen.“

Clas zog die Granatenschnur aus seiner Tasche; was er hörte, machte ihn jubiliren. Er hielt die Schnur hoch, sprang um die Ecke des Hauses und schrie: „Das sollst Du, Sigrid, und sollst –“ da hielt er plötzlich inne.

Vor ihm lag der höllische Hund gerade vor Sigrid’s Füßen, und sie mit ihren Händen um eines Mannes Hals, der eben seinen Kopf aufrichtete und zu ihm hinschaute. War’s wahr, oder that’s wiederum der höllische Neck und blendete seine Augen? War’s ein Gespenst, ein Schatten, ein Trug? In den Schrecken des Anblicks mischte sich Clas Gorud’s Wuth. Er faßte die Granatenkette in seiner Hand zusammen und schleuderte sie gegen das Gebilde. „Verfluchter Spuk!“ schrie er, „ich will Dich zermalmen!“

Aber indem er dies sagte, war Thorkel Ingolf schon an ihm, hatte ihn mit beiden Händen gefaßt und hoch aufgehoben. Er rannte mit ihm an die Wand, daß es krachte. Dann hob er ihn von Neuem auf und ließ ihn wieder fallen, darauf zum dritten Male, ohne zu sprechen, schleuderte ihn über die Steine fort zu Boden. Nun wurde er festgehalten. An dem einen Arm hielt ihn Sigrid, am andern Gullik Hansen. – „Halt ein,“ sagte der Fischer, „er hat genug. Geh fort mit ihm, Sigrid, geh hinein, Thorkel.“ Clas lag wie todt, das Blut floß ihm aus dem Munde. –

Zu derselben Zeit hatte auch Herr Peter Schiemann seine Werbung im Pfarrhause angebracht, wo der Pfarrer Jöns Bille ihn einige Zeit warten ließ, ehe er zu ihm hereintrat. Herr Jöns hatte seinen großen schwarzen Rock angezogen und sah sehr feierlich aus, als er sich verbeugte.

„Nun,“ sagte Herr Schiemann lachend und ihm die Hand schüttelnd, „ich glaube, Sie haben mich erwartet, mein werther Freund?“

„Das habe ich allerdings,“ antwortete der Pfarrer, „da Sie gestern so gütig waren –“

„Ohne alle Umstände!“ rief der reiche Kaufmann, „Sie dürfen mit mir keine Umstände machen, hätten im bequemen Hausrocke bleiben sollen, theuerster Freund. Wo ist Fräulein Else?“

„Ich denke, sie wird im Garten sein,“ sagte Herr Bille.

„So darf ich sie wohl aufsuchen, sobald ich –“ Herr Schiemann lachte. „Ich darf doch?“ fragte er. „Ich möchte ihr diese Blumen bringen und etwas fragen, wenn ich Ihre Erlaubniß dazu habe. Was es ist? Aufrichtig, ich hoffe, Sie wissen es. Es ist kein Geheimniß.“

„Sie haben Else der Ehre gewürdigt, Ihre Blicke auf sie zu

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