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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

Bitterkeit geführten Erörterungen. Drei Jahre später bestieg Friedrich Wilhelm IV. den preußischen Thron, erließ eine Amnestie und forderte die Beseitigung des Bundesgerichts. So viel erreichte Metternich noch, daß die Centralbehörde bis 1842 erhalten und dann nicht aufgelöst, sondern vertagt wurde.

Was die beiden Demagogen-Untersuchungen erreichten, war genau das Gegentheil von dem, was bezweckt wurde. Man hatte bei jenen Hetzen die Burschenschaft genannt, aber die Gedanken der Freiheit und Einheit des Vaterlandes gemeint. Diese hatte man nicht geschwächt, sondern gekräftigt und weiter verbreitet. Ein Verfahren, wie das der Mainzer Commission und der Frankfurter Centralbehörde, legte die schlimmsten Gebrechen des Bundes Jahre lang bloß. Man kann mit Wahrheit sagen, daß jene beiden Behörden an der Bildung des öffentlichen Urtheils, das über den Bund ganz allgemein besteht und sich so lange erhalten wird, bis er einer bessern Form weicht, einen wesentlichen Antheil haben. Wie hätte gar durch ein System der Willkür, wie wir es geschildert haben, Abscheu vor der Freiheit entstehen können?

Noch eine andere wichtige Folge der Demagogen-Untersuchungen ist hervorzuheben. Wir verdanken ihnen den endlichen Sieg des öffentlichen Gerichtsverfahrens. Waren die Mängel des Inquisitionsprocesses schon früher beleuchtet worden, so hatten doch die gebildeten Stände bis auf die Processe gegen Arndt, Jahn und die beiden Welcker, gegen Behr, Eisenmann und mehr als tausend Burschenschafter kein eigenes Interesse an der Frage. Jetzt erhielten sie Beweise, daß auch der unbescholtenste Mann, wenn er den Muth einer eigenen Meinung habe, zum Verbrecher gestempelt werden könne. Was über das Verfahren gegen Weidig, gegen Jordan verlautete, mußte den Ruhigsten empören. Es erhob sich ein Sturm gegen das geheime Verfahren, und dieses erlag.

Zur Wahrheit ist geworden, was die Jenenser Burschen bei der ersten Auflösung ihrer Verbindung unter den Eichen der Wölmse sangen:

Das Haus ist zerfallen,
Was hat’s denn für Noth?
Der Geist lebt in uns Allen,
Und uns’re Burg ist Gott!

Die Burschenschaft ist nicht mehr, höchstens bestehen hier und dort einige Trümmer, aber der Einheitsgedanke, den sie mit unwandelbarer Treue hegte und für den sie litt, lebt kräftig und unbesieglich fort. Die heutige Burschenschaft ist das deutsche Volk, und gegen dieses mögen sich Mainzer Commissionen und Frankfurter Centralbehörden nur versuchen. Sie werden sehen, wer der schwächste und wer der stärkste Theil ist.




Aus Garibaldi’s Leben.
Nr. 3.

Garibaldi begab sich nach erlangter Freiheit nach Montevideo, das damals vielen italienischen Patrioten ein willkommenes Asyl gewährte; hier traf er auch wieder mit seinem Freunde Rossetti zusammen; allein die Proscription gegen Garibaldi währte noch dort, und so entschloß er sich, nachdem er einen Monat hindurch im Hause seines Freundes Pazante eine edelmüthige Gastfreundschaft genossen, nach[WS 1] Rio-Grande zu gehen, dessen stolze Republikaner Rossetti und seine Gefährten mit bewunderungswürdiger Hospitalität aufgenommen hatten. Auf edlen Rossen gelangten sie in freudiger Stimmung nach Piratinin, dem Sitz der Regierung von Rio-Grande; zwar war die eigentliche Hauptstadt Porto-Allegre, allein da sich dieses noch in der Gewalt der Kaiserlichen befand, so hatte man den Sitz der Regierung nach Piratinin verlegt.

Garibaldi wurde von dem Gouvernement der Republik auf das Zuvorkommendste aufgenommen. Bento Gonzales, der Präsident der Republik, war abwesend und befand sich an der Spitze einer Reiterbrigade, um den kaiserlichen Chef, Sylva Tanaris, zurückzuwerfen, welcher den Canal von San-Gonzales überschritten hatte und diesen Theil der Provinz Rio-Grande verheerte. Diesen Bento Gonzales schildert Garibaldi als einen echten irrenden Ritter aus dem Jahrhundert Karls des Großen, dem Herzen nach einen Bruder der Olivier und Roland, tapfer, gewandt, ehrenhaft, wie sie; ein wahrer Centaur, der ein Pferd tummelte, wie Garibaldi es nur vom General Netto, dem vollendetsten Musterbilde eines Reiters, wiedergesehen. Ein solcher Mann fehlte unserem Helden; der Unthätigkeit in Piratinin müde, eilte er nach San-Gonzales, um sich unter die Befehle des Präsidenten zu stellen. Hier sah er diesen Tapfern zum ersten Male und verbrachte einige Tage mit ihm in inniger Vertrautheit.

Garibaldi wurde jetzt mit der Ausrüstung von zwei Lancionen – mit diesem Namen wird eine Art von Barken bezeichnet – beauftragt, die er mit ungefähr dreißig Leuten aus allerlei Nationen bemannte. Bald stießen zwei Sloops (Einmaster) zu ihm, und mit dieser Flottille, die er als „capitano tenente“ auf dem „Rio-Pardo“ befehligte, während ein gewisser John Griggs das Commando des „Republikaners“ übernahm, begannen sie einen ungleichen Kampf gegen die Kaiserlichen, die ihnen ungefähr dreißig Kriegsschiffe und ein Dampfschiff entgegenstellen konnten. Und trotzdem nahmen sie ein reichbeladenes Schiff, von dessen Beute Garibaldi seinen Leuten Uniformen verfertigen ließ, während die Kaiserlichen einen gewissen Respect vor einem Kampf mit ihren schweren Schiffen gegen die leichten Lancionen in den Lagunen erhielten. Das Leben, welches Garibaldi hier führte, war thatenreich und gefahrvoll wegen der numerischen Uebermacht der Feinde, paßte aber ganz zu seinem Charakter, da es gleichzeitig fesselnd und pittoresk war. Sie waren nicht allein Matrosen, sondern nach Bedürfniß auch Reiter, fanden im Augenblicke der Gefahr genug und mehr Pferde, als sie brauchten, und konnten innerhalb zwei Stunden eine weniger glänzende, als furchtbare Escadron bilden. Die ganze Lagune entlang fanden sich Estancias, die wegen der Nachbarschaft des Kriegs von ihren Eigenthümern verlassen waren und ihnen Schlachtvieh, Pferde und Fourrage lieferten. Auch die Ernte der Meiereien kam ihnen zugute.

Der Garibaldi’sche Haufen war eine echt kosmopolitische Truppe, aus Menschen aller Nationen und Farben zusammengewürfelt; er behandelte sie aber mit einer solchen Güte und Mildfreundlichkeit, und beide wurden so anerkannt, daß er sich nie in die Nothwendigkeit versetzt fand, die Geduld zu verlieren oder zu strafen.

„Wir befanden uns,“ erzählt er, „eines Tages in der Estancia de la Barra, welche der Doñna Antonia, Schwester des Präsidenten, zugehörte, hatten unsere Lanciones an’s Land gezogen und fürchteten keinen Ueberfall, als man uns benachrichtigte, daß der Oberst Juan Pedro de Abrecu, genannt Moringue (zu deutsch Steinmarder, wegen seiner Schlauheit), zwei bis drei Stunden von uns mit siebenzig Mann Cavallerie und achtzig Mann Infanterie gelandet sei.

„Diese Nachricht“ – wir erzählen den Verlauf der Scene mit Garibaldi’s Worten im Auszug – „erfüllte mich mit Freude; die Leute, welche Moringue befehligte, waren deutsche und österreichische Söldlinge, denen gegenüber ich gar nicht böse war, sie die Schuld zahlen zu lassen, die jeder gute Italiener gegen ihre Brüder in Europa übernommen hat. Wir waren im Ganzen ungefähr sechzig Mann; aber ich kannte meine sechzig Mann, und mit ihnen hielt ich mich für fähig, nicht allein 150, sondern 300 Oesterreichern die Spitze zu bieten.

„Ich schickte daher Kundschafter nach allen Seiten und behielt höchstens 50 Mann bei mir. Alle kamen mit der Nachricht zurück, sie hätten nichts gesehen. Ein dicker Nebel umhüllte Alles, und so konnte der Feind leicht ihren Nachforschungen entgangen sein. Deshalb beschloß ich, mich weniger auf die Intelligenz der Menschen, als auf den Instinct der Thiere zu verlassen. Gewöhnlich, wenn nämlich eine derartige Expedition unternommen wird, und Leute aus einem andern Lande kommen, um sich in einen Hinterhalt zu legen, geben die Thiere, welche die Fremdlinge riechen, Zeichen von Unruhe zu erkennen, die fast niemals täuschen. Die von meiner Mannschaft herumgejagten Thiere zerstreuten sich in der Nähe der Estancia, ohne anzuzeigen, daß irgend etwas Ungewöhnliches in der Umgegend vor sich gehe. Nun glaubte ich keinen Ueberfall mehr befürchten zu müssen, befahl daher meinen Leuten, ihre vollständig geladenen Flinten wie ihre Munition in den Gewehrhaltern aufzustellen, die ich im Schuppen hatte einrichten lassen, und gab ihnen das Beispiel der Sicherheit, indem ich mich zum Frühstück niedersetzte und sie aufforderte, ein Gleiches zu thun.

„Nach beendigtem Frühstück ging Jeder nach seinem Geschäft. Einige eilten nach den aus dem Wasser gezogenen Lancionen, Andere

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: noch
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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 521. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_521.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)