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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

in diesem Staat, unter dieser Regierung so freigebig mit seinen Gnaden sei. Ich begriff recht wohl, daß man von Wundern erzählt in einer Zeit, wo es galt, die Ungläubigen zu bekehren oder die Frommen im Glauben zu stärken. Aber beide Zwecke haben ja in Neapel keine Bedeutung. Für die Bekehrung braucht man nicht mehr zu sorgen, denn das ganze Land ist ja streng katholisch, und den andern ebengenannten Zweck zu erfüllen, das wären „Perlen vor die Säue“, denn selbst der echte und gebildete Katholik ist scandalisirt vor dem, was man hier als Christenthum und Frömmigkeit ausgibt. Ich habe hier viele gläubige Katholiken gesprochen, die sich mit Trauer im Herzen von diesem Kunststückchen abwandten. Ein todter Formenkram, dessen Beschützer und Bekenner ebenso roh sind, wie seine Expectorationen, – das ist es, was man in Neapel Katholicismus nennt. Aber nein, uns däucht der Zweck des Wunders, der alte, traditionelle Zweck dieses frommen Betrugs, ein anderer. Wenn irgend ein Volk es nöthig hat, im Zaume gehalten zu werden, so ist es das der reizenden Stadt Neapel. Das geht nicht mit der Gewalt der Waffen, drum muß es mit der Gewalt des Wunders gehen. An eine Regierung, die jedes Jahr zweimal dem Mirakel persönlich ihre Huldigung darzubringen geht, in deren Gegenwart das Blut nur stärker und mächtiger zu wallen scheint, der also der Finger Gottes jedes Jahr seine unmittelbare Approbation ertheilt, – an eine solche Regierung muß das Volk glauben, an ihr muß es halten, und was sie thut, das ist wohlgethan. Ich weiß nicht, ob es wahr ist, was man sich aus dem Jahre 1799 erzählt. Der General der Republik, Championnet, hatte Neapel am 23. Januar nach dreitägigen Kampfe genommen und seine Dynastie verjagt. Es kam der Tag des Mirakels, aber siehe da, in diesem Jahre leuchtete die Gnade des Heiligen nicht über der von den gottlosen Sansculotten besetzt gehaltenen Stadt. Allenthalben gewaltige Aufregung und Gährung. Das Volk nahm eine den Franzosen feindliche Haltung an. Da schickte Championnet in die Kirche St. Chiara und ließ den dort anwesenden Priestern bedeuten, daß Kerker und Kanonen in Bereitschaft wären, wenn man so fortfahre. Da jedoch der neapolitanische Clerus solche Dinge immer besser zu verhängen, als zu erdulden verstand, so ging das Wunder noch selbigen Tages ruhig vor sich. So erzählt man sich in Neapel in gebildeten Kreisen. Ich habe keinen historischen Beleg dafür.

Es versteht sich nach dem oben Gesagten von selbst, daß die Bourbonen in Neapel außerordentlich viel auf Anerkennung der Richtigkeit des Wunders hielten. Noch im Jahre 1859 wurde ein junger Mann in die geheimen Gefängnisse der neapolitanischen Polizei geworfen, weil er denuucirt worden war, darüber Ungeziemendes geredet zu haben. Es würde uns das in Erstaunen setzen, wüßten wir nicht durch die Geschichte, daß die Despoten aller Zeiten sich solcher religiösen Mittel bedienten, um die Völker zu bändigen und an die süße Gewohnheit des blinden Gehorsams anzuketten. Wie weit der Clerus Neapels dabei seine Hand im Spiele hat, wissen wir nicht. Es scheint, als ob ein großer Theil an die volle Echtheit des Mirakels ebenso felsenfest glaube, wie unser gelehrter Landsmann Hurter in Wien, ja wir können sogar, wenn wir gutmüthig sein wollen, annehmen, daß sie Alle miteinander in einer unwissentlichen Täuschung befangen sind und daß nur der Eine und Erste, welcher in seiner alchemistischen Weisheit das Wunder construirte, von dem „frommen Betruge“ überzeugt war. Das lassen wir nun dahingestellt sein. Für uns genügt die Ueberzeugung von dem, was wir gesehen und beurtheilt haben, und auch der fromme Katholik mag sich trösten und über unsere Gottlosigkeit sich nicht entsetzen. Nach den Satzungen des Concils von Trient brauchen Wunder, die nicht ausdrücklich von der Kirche als solche declarirt worden sind, nur insoweit geglaubt zu werden, als es dem frommen Herzen jedes Einzelnen und seinen gesunden fünf Sinnen entsprechen sollte. Das Mirakel von Neapel gehört aber nicht zu den officiell und feierlich von Rom anerkannten.




Der Phosphor, seine Eigenschaft und seine Benutzung.
Von A. Dammer.

Phosphorzündhölzchen benutzen wir Alle, sauren, phosphorsauren Kalk bringt der Landmann auf seinen Acker und erzielt bedeutend größere Ernten. Wir haben erkannt, daß Phosphor ein Hauptbestandtheil der Knochen ist, daß also ohne Phosphor Knochenbildung nicht stattfinden kann, daß aber ebenso ohne Phosphor die Bildung eiweißähnlicher Stoffe unmöglich ist. Deshalb gab neuerdings ein Forscher Kälbern neben Heu, Kleie und Molken noch phosphorsauren Kalk und gelangte in Bezug auf Ernährung zu viel versprechenden Resultaten; deshalb läßt ein Arzt verdünnter Kuhmilch phosphorsaure Salze zusetzen, um sie dadurch der Muttermilch ähnlicher zu machen, die reicher an Phosphor ist, als verdünnte Kuhmilch. „Ohne Phosphor kein Gedanke,“ hat Jacob Moleschott gesagt, um damit die Abhängigkeit des Gedankens nicht vom Phosphor allein, sondern vom Phosphor überhaupt auszusprechen.

Und der Phosphor? Staunend fragen so Viele, wenn man ihnen das mit Wasser gefüllte Glas zeigt, in welchem Wachslichtern ähnliche weiße Stengelchen liegen: Das ist Phosphor? – In wenigen Zügen will ich hier versuchen, diejenigen Eigenschaften aufzuzeichnen, die uns, wenn wir sie an einem Körper wiederfinden, sagen, daß der vor uns liegende Stoff Phosphor ist. Das Metall der Pottasche und der Soda, das Kalium und das Natrium, muß man in einer sanerstofffreien Flüssigkeit, z. B. in Steinöl, aufbewahren, weil diese Metalle die größte Neigung haben, mit Sauerstoff sich zu verbinden, und deshalb sauerstoffhaltige Körper leicht zersetzen. An der Luft ziehen sie Sauerstoff an und zerfließen zu Kali und Natron. Auch der Phosphor zeichnet sich aus durch seine große Verwandtschaft zum Sauerstoff. Aber sie ist nicht so groß, daß er, wenigstens nicht bei gewöhnlicher Temperatur, Wasser zersetzt, deshalb bewahrt man ihn in Wasser auf. Ein Stückchen Phosphor, an feuchter Luft liegend, stößt reichlich Dämpfe aus und verschwindet allmählich, indem es mit dem Sauerstoff der Luft einen neuen Körper, phosphorige Säure, bilder, und auch diese zeigt noch so große Neigung, mit Sauerstoff sich zu verbinden, „höher sich zu oxydiren“, daß sehr bald alle phosphorige Säure in Phocphorsäure verwandelt ist. Den beschriebenen Vorgang nennt man eine langsame Verbrennung. Schnell verbrennt Phosphor, wenn man ihn mit einem heißen Glasstab etwa berührt. Er entzündet sich, und stülpt man anders eine trockne Glasglocke schnell über, so findet man das Verbrennungsproduct als weißes stockiges Pulver reichlich an den Wandungen der Glocke. Dies ist Phosphorsäure, die sich in Wasser unter Zischen leicht löst. Phosphorige Säure bildet sich nicht, weil der Verbrennungsproceß zu energisch verläuft. Hier ist das Verbrennungsproduct sichtbar, ein fester Körper. Verbrennt Schwefel oder Holz, so entweichen die entstehenden Gase, schweflige Säure, Kohlensäure und Wassergas, unsichtbar in die Luft.

Holz verbrennen wir meist, um die auftretende Wärme zu benutzen; bei andern Oxydationsprocessen könnten wir leicht die Wärme übersehen, ob sie stets gleich auftritt. So beim Phosphor. Zündet man ihn an, nun ja, da bemerkt man die die Oxydation begleitende Wärmeerscheinung wohl; liegt aber Phosphor an der Luft, oxydirt er sich langsam, so wird dieselbe Menge Wärme entwickelt, wie vorher, aber sie ist auf eine so lange Zeitdauer vertheilt, daß sie nicht fühlbar wird. Dennoch können wir sie gerade beim Phosphor recht schön beobachten. Man lege nur in eine Porzellanschale mehrere Phosphorstengelchen je vier übereinander, so wird anfangs reichlich Dampf ausgestoßen, die Oxydation ist eingeleitet, aber die sich entwickelnde Wärme der vielen Phosphorstückchen wird zusammengehalten und reicht hin, eine Temperatur von 40° zu erzeugen. In dieser Temperatur schmilzt aber der Phosphor, und oft wird die Wärme bis 60° gesteigert, wo dann Entzündung eintritt, die langsame Verbrennung schlägt um in die schnelle.

Die Verbrennungsproducte des Phosphors sind löslich in Wasser, Phosphor selbst nicht, man bewahrt ihn ja unter Wasser auf. Aber fette Oele lösen ihn, obwohl nur in geringer Menge, ebenso Aether; die Lösungen werden in der Apotheke verwendet. Reichlich löst Schwefelkohlenstoff den Phosphor auf, beim Verdunsten

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 526. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_526.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)