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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

Saufinderrace; – doch findet man unter den Bastarden vom Bauernspitz mitunter Exemplare, die eine besondere Malice auf zahme Schweine haben, und derartige Hunde übertreffen bei guter Anführung oft die Saufinder reiner Race.

Der Schweißhund findet erst dann Anwendung, wenn eine Sau durch Anschuß verwundet und fortgestrichen ist. In diesem Fall wird der Schweißhund am Riemen zur Fährte geführt und „arbeitet“ nun mit der Nase am Boden fortwährend der Fährte der „kranken“ Sau nach, unbekümmert um die oft zahlreich darüber kreuzenden Fährten anderer Sauen. – Schweißt die angeschossene Sau stark, so ist der „weiße Schweißhund“ – der Schnee – ausreichend, ihren Aufenthalt zu ermitteln, wo sie dann entweder auf’s Blatt geschossen oder, wenn sie nochmals fortstreicht, von einigen Hunden behetzt und gestellt wird.

Die erlegten Sauen werden noch an demselben Abend „aufgebrochen“, d. i. geöffnet und vom Eingeweide (Gescheide) befreit. Am Schluß der Jagden wird das sämmtliche Schwarzwildpret nach den betreffenden Jägerhöfen oder „Zerwirkhäusern“ geschafft, wo die geringern Sauen „mit Haut und Haar“ im Ganzen verkauft – die stärkern aber „zerwirkt“ und „zerlegt“ werden. In letzterm Falle wird zunächst der Kopf (an welchem die Schwarte bleibt) dicht vor den Schultern abgeschlagen. Dann folgt das Abstreifen der Schwarte vom Rumpf, welches vorsichtig Schnitt für Schnitt geschehen muß, besonders in der Feistzeit, wo die Sauen viel Feist oder „Weißes“ haben. Nun wird die Sau aus der unterliegenden Schwarte zerlegt, indem man zunächst den rechten und linken Vorderlauf nebst ihrem „Blatt“ (Schulter) ablöst. Die Rippenstücke oder „Federn“ werden mit Hülfe eines untergehaltenen Holzstückes mit Beil oder Zerwirkmesser so abgeschlagen, daß eine Hand breit davon am Rückstrang bleibt. Nun werden die Keulen im obern Hüftgelenke ausgelöst oder unter demselben abgeschlagen. Das übrig bleibende Rückenstück heißt, wie bei allem Hochwild, der „Ziemer“ und wird bei gröbern Sauen in Blatt- und Pürzelziemer abgetheilt.




Die Soldaten Garibaldi’s in Genua. [1]
Von G. R.
Livorno, den 26. August. 

Die Agitation für ein einiges und freies Italien ist im Lande täglich im Wachsen begriffen, und Garibaldi ist der bewaffnete Repräsentant dieses einigen und freien Italiens, sein Schwert und sein Schild, „il dittatore“, wie er kurzweg genannt wird, und wie unter seinen Bildern steht, die man in allen Gestalten und in allen erdenklichen Stellungen vor den Schaufenstern der Bilderläden und der Buchhandlungen sieht. Wo man steht und geht, hört man von Garibaldi sprechen, von den Kindern auf der Straße, im Café, an den Wirthstafeln der Gasthöfe, Nachts auf dem mittelländischen Meer am Steuerruder und auf dem Verdeck; ich glaube, wenn die sardinische Regierung nicht in diesen Tagen ein Circular erlassen hätte, wonach die conscriptionspflichtige Jugend bis zum zweiundzwanzigsten Jahre im Lande bleiben soll, ganz Sardinien, die ganze Lombardei und ganz Toscana führe über das Meer und ginge zu Garibaldi, um unter der dreifarbigen Fahne für Italien zu kämpfen. Die Einheitsidee Italiens hat lange geschlummert; sie ist erst vor Kurzem erwacht, sie ist kaum zwölf Jahre alt, aber sie ist in diesen zwölf Jahren zu einem mächtigen Riesen geworden, den weder die Diplomatie Europa’s, noch die Armeen Oesterreichs mehr erwürgen werden. Bereits sind ihr der Großherzog von Toscana, der Herzog von Modena und die Herzogin von Parma zum Opfer gefallen. Allen waren wenig oder gar keine Vorwürfe zu machen, als nur der eine, daß ihr österreichisches oder bourbonisches Blut und das einige neue Italien sich nicht untereinander vereinbaren konnten, und dieser Vorwurf stürzte ihre Throne im Wege friedlichster Manifestation, ohne Kanonenschuß, ohne Barrikaden und ohne Gewehrfeuer. Nur als bewaffneter Repräsentant dieser Idee eroberte Garibaldi binnen wenigen Wochen Sicilien, und noch einige Wochen oder Monate, dann wird der Thron Franz des Zweiten und der Stuhl St. Peter’s in Rom ihr, diesem täglich wachsenden Riesen, erlegen sein.

Ich kam von Turin nach Genua. In der ersten Straße, welche mich vom Eisenbahnhof nach meinem Hotel führte, begegnete ich den Soldaten Garibaldi’s. Ich fuhr von Genua nach Livorno. Zu gleicher Zeit mit dem italienischen Dampfer, der mich hinüberführte, lief ein englisches Schiff aus dem Hafen; das ganze Verdeck war mit Garibaldi’schen Freiwilligen gefüllt, welche nach Messina fuhren, und als ich in Livorno an’s Land trat, begegneten mir Trupps von jungen Leuten in rothen Blousen und rothen Waffenröcken – es waren die Streiter Garibaldi’s, welche sich nach der Abfahrt des nächsten Schiffes nach Messina erkundigen wollten. Auf der Straße, im Café, im Omnibus, im Hotel, überall Soldaten Garibaldi’s. – Zieht denn ganz Italien aus in den Streit, wie einst die Kreuzfahrer in das gelobte Land, um das heilige Grab den Händen der Ungläubigen zu entreißen? Ja, dies ist ein Kampf, wo es mehr und Größeres gilt, als tausendjährige Erinnerungen; es ist ein Kampf um ein freies, einiges und großes Land, welches Europa im Sarge und lange begraben wähnte, dessen geschichtlichen Tod einige einfältige und hochmüthige Gelehrten und Professoren seit fünfzig Jahren prophezeiten, und welches aufsteht, sich hoch emporrichtet, das Schwert zieht und ruft: Ich bin nicht todt, ich lebe, und ich will ein großes und freies Leben führen unter den Völkern Europa’s!

Man sehe sich diese jungen Männer an, die in Genua und Livorno auf die Schiffe warten, welche sie hinüberfahren sollen zu den sonnigen Gestaden Siciliens, wo ihre Brüder sich so eben bei Milazzo schlugen, und man muß sich sagen: Das ist kein Lumpengesindel, welches zusammenläuft, um sich zu schlagen, weil es zu Hause nichts zu thun und nichts zu essen hat! Nein, das ist die Blüthe der Jugend Italiens, das sind die Söhne aus den ersten, reichsten und besten Familien des Landes. „Mein Gott,“ sagte zu mir vor einigen Tagen ein junger Mann in Genua auf der Straße, „wenn man uns hier Schwierigkeiten mit der Einschiffung macht, nun, dann miethe ich mir ein englisches Schiff, das im Hafen liegt, und fahre die fünfhundert Mann hinüber, welche gerade hier sind.“ Der junge Mann war der Sohn eines der reichsten Grundbesitzer auf der Insel Sardinien, der eine Rente von mehreren hunderttausend Francs hat. Mit ihm ließ sich ein junger Genueser anwerben, dessen jährliches Einkommen, wie mir ein in Genua ansässiger deutscher Kaufmann erzählte, vierzigtausend Francs beträgt. Er trat als gemeiner Soldat bei der Infanterie ein. Und dann setzten wir uns zusammen, er und der Marchese von der Insel Sardinien und einige Venetianer, welche noch nicht zwanzig Jahre waren und heimlich über die Grenze kamen, und einige süddeutsche Officiere, welche ihren Abschied genommen hatten, und tranken Cyperwein, den der Vater des Marchese von seiner Insel geschickt hatte für die Soldaten Garibaldi’s, und tranken auf das einige und freie Italien, auf seine Größe und auf seinen Ruhm, und brachten einen stillen Toast aus auf die gefallenen Brüder bei Milazzo.

Bei mir war der deutsche Dichter Bernhard Endrulat, den ich in Alessandria getroffen hatte, und als die funkelnden Sterne am blauen Nachthimmel aufzogen, da tönte Endrulat’s Lied durch die still gewordene strada nuova:

„Glückauf, ihr Sarden und Lombarden,
Glückauf, Italien einig, frei!“

Von ihnen hörte ich auch, daß der ehemalige preußische Officier und jetzige Chef des Geniewesens in der Schweiz, der durch seine kriegswissenschaftlichen Schriften berühmt gewordene Wilhelm Rüstow bereits in Sicilien eingetroffen sei und eine Stellung als Oberst in der Garibaldi’schen Armee einnehme. Sie Alle, erzählen sie mir, würden in dem Regiment Rüstow’s dienen. Auch einen preußischen Artillerieofficier traf ich, der hier einige Monate Urlaub genommen hatte, um nach Sicilien zu gehen, und dann, wie sich eigentlich von selbst versteht, auch einen Berliner. Er saß

  1. Mit diesem Artikel beginnen die versprochenen Originalmittheilungen aus Italien, deren Erscheinen durch verspätete Abreise unsers Mitarbeiters leider um einige Wochen verhindert ward.
    D. Red.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 590. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_590.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)